Innerhalb der Europäischen Union ist es bisher nicht gelungen, sich auf eine einheitliche Linie zu verständigen. Wichtige europäische Partner – insbesondere Frankreich und Großbritannien – haben sich diesem Exportstopp nicht angeschlossen.

Am 28. März 2019 hat die Bundesregierung den bereits im November 2018 beschlossenen Stopp der Exporte von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien verlängert. Trotz erheblicher Bemühungen konnte zur Frage der Rüstungsexporte bislang keine einheitliche Linie der europäischen Partner gefunden werden. Von dem Exportstopp sind nicht nur Exporteure von Rüstungsgütern betroffen, sondern auch eine große Zahl von zivilen Zulieferern, deren Güter selbst nicht immer als Rüstungsgüter einzustufen sind.

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Der Tagespresse und den Pressemitteilungen der Bundesregierung ist bereits seit mehreren Monaten zu entnehmen, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu Saudi-Arabien angespannt sind. Hintergrund sind Erkenntnisse der Bundesregierung über eine Beteiligung Saudi-Arabiens am Krieg im Jemen. Nach der Tötung des Journalisten Khashoggi im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul im Oktober 2018 verkündete die Bundesregierung am 19. November 2018 erstmals einen umfassenden Exportstopp für alle Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien. Sie sah vor dem Hintergrund möglicher drohender Schadensersatzforderungen der Industrie vom Widerruf bereits erteilter Ausfuhrgenehmigungen ab, ordnete aber deren Ruhen an; neue Genehmigungen wurden nicht mehr erteilt.

Deutscher Exportstopp

Innerhalb der Europäischen Union ist es bisher nicht gelungen, sich auf eine einheitliche Linie zu verständigen. Wichtige europäische Partner – insbesondere Frankreich und Großbritannien – haben sich diesem Exportstopp nicht angeschlossen. Stattdessen verhängte Frankreich im November 2018 Sanktionen gegen mehrere saudische Privatpersonen, ohne aber die Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien als solche zu verbieten.

Mit Pressemitteilung 99/19 vom 28. März 2019 hat die Bundesregierung zuletzt die Ruhensanordnung für bestehende Ausfuhrgenehmigungen nach Saudi-Arabien und den Stopp für die Erteilung neuer Ausfuhrgenehmigungen um weitere sechs Monate bis Ende September 2019 verlängert.

Innereuropäische Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie

Die Bundesregierung macht von den ihr durch die Rechtsordnung der Europäischen Union ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen Gebrauch, wenn sie den Export von Rüstungsgütern in bestimmte Empfangsländer beschränkt. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) legt in Art. 346 fest, dass die Mitgliedstaaten eigenständige Regelungen über die Kontrolle und Beschränkung der Erzeugung und des Handels mit Rüstungsgütern treffen können, wenn sie dies für die Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen für erforderlich erachten. Allerdings ist insbesondere die Rüstungsindustrie der Europäischen Union durch zahlreiche gemeinsame Programme und Initiativen derart miteinander verzahnt, dass individuelle Entscheidungen der Mitgliedstaaten zwangsläufig Auswirkungen auf die Partner haben: Gemeinschaftsprogramme der Mitgliedstaaten im Rüstungsbereich gehen auf bi- oder multilaterale Abkommen zurück, deren Ziel es unter anderem ist, die innereuropäische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken; eine gegenseitige Abhängigkeit der Unternehmen wurde dafür bewusst in Kauf genommen. Daher betrifft nun der Exportstopp folgerichtig nicht nur die ausführende Rüstungsindustrie, sondern auch (zivile) Zulieferunternehmen.

Soweit diese Unternehmen Teile liefern, die für die betreffenden Rüstungsgüter „besonders konstruiert“ wurden, sind auch die Teile selbst als Rüstungsgüter einzustufen mit der Folge, dass ihre Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat genehmigungspflichtig ist. Soweit Zulieferunternehmen Teile liefern, die nicht „besonders konstruiert“ für militärische Zwecke sind, unterliegt deren Verbringung regelmäßig keinen Einschränkungen. Unsicherheiten hinsichtlich der exportkontrollrechtlichen Klassifizierung sind jedoch nicht selten, so dass eine Vielzahl von Unternehmen nun auch innergemeinschaftliche Lieferungen auf den Prüfstand gestellt hat, um nicht das Risiko einer ungenehmigten Verbringung einzugehen.

Der innereuropäischen Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie scheint Rechnung getragen zu werden, indem Sammelausfuhrgenehmigungen, die im Zusammenhang mit „ausgelaufenen Gemeinschaftsprogrammen“ erteilt wurden, bis zum Ende des Jahres 2019 verlängert wurden. Die Bundesregierung werde sich in dieser Zeit um Konsultationen ihrer Partner bemühen, mit der Absicht, sich darauf zu einigen, dass „gemeinsam produzierte Rüstungsgüter“ im Jemen-Krieg nicht eingesetzt werden und keine „endmontierten Rüstungsgüter“ aus den Gemeinschaftsprogrammen an Saudi-Arabien und die VAE geliefert werden. Allerdings besteht hier Rechtsunsicherheit für die Wirtschaftsbeteiligten:

Zunächst ist unklar, wie beteiligte Unternehmen die Auflage der Bundesregierung wirkungsvoll umzusetzen können. Diese sollen gegenüber ihren Vertragspartnern darauf bestehen, dass keine endmontierten Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien und in die VAE geliefert werden. Während die deutschen Unternehmen zwar entsprechende Erklärungen ihrer Vertragspartner fordern können, ist ihre tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit beschränkt. Sobald etwa ein Einzelteil an einen Partner in Frankreich verbracht wurde, besteht jedenfalls keine Möglichkeit mehr für den deutschen Zulieferer, die Ausfuhr eines endmontierten Rüstungsgutes, in das die von ihm gelieferten Teile verbaut sind, nach Saudi-Arabien zu verhindern.

Unklar ist außerdem, was unter „ausgelaufene Gemeinschaftsprogramme“ zu verstehen ist. Die Pressekonferenz der Bundesregierung vom 29. März 2019 konnte hier – auch nach mehrmaligen Nachfragen der Pressevertreter – nicht zur Aufklärung beitragen. Grundsätzlich werden Einzelheiten zu Gemeinschaftsprogrammen – wie etwa auch Laufzeiten – nicht veröffentlicht, sondern vertraulich verhandelt und durch Abkommen gesichert.

Neben Gemeinschaftsprogrammen mit beschränkten Laufzeiten von mehreren Jahren gibt es auch unbefristete Programme. Die für solche Programme erteilten Sammelausfuhrgenehmigungen sind regelmäßig auf eine Laufzeit von zwei Jahren beschränkt. Unter „ausgelaufenen Gemeinschaftsprogrammen“ könnten also Gemeinschaftsprogramme zu verstehen sein, deren Laufzeit zwischen November 2018 und März 2019 abgelaufen ist – unabhängig davon, ob das Programm vollständig erfüllt ist oder aus anderen Gründen in der Laufzeit nicht umgesetzt werden konnte.

Auswirkungen auf die europäischen Partner

Bei den europäischen Partnern löst die Haltung der Bundesregierung Irritationen aus. So setzen französische Unternehmen bereits auf eine „German-free“-Strategie, also darauf, Rüstungsgüter ohne deutsche Komponenten herzustellen. Sie wollen damit den Einfluss der deutschen Außenwirtschaftspolitik auf die Produktion verringern. Die Rüstungspolitik der Bundesregierung wird von den europäischen Partnern, insbesondere Frankreich und Großbritannien, als schwer vorhersehbar wahrgenommen. Durch die Haltung der Bundesregierung seien die weitere Zusammenarbeit und die Umsetzung gemeinsamer Programme gefährdet.

Die Bundesregierung muss hier einen Weg finden, die ihr nach EU-Recht zustehende autonome Entscheidung über die deutsche Beschränkung des Exports von Rüstungsgütern mit den Interessen der Mitgliedstaaten, mit denen sie im Rüstungsbereich enge Partnerschaften eingegangen ist, zu vereinbaren; dabei ­dürfen gegenüber den europäischen Partnern keine „roten Linien“ gezogen werden. Dies gilt nicht zuletzt, weil ein einheitliches Vorgehen der Europäischen Union erforderlich ist, um der EU in der internationalen Wahrnehmung größeres Gewicht zu verleihen. Eine in Rüstungsfragen zerstrittene Europäische Union wird nicht in der Lage sein, mit dem notwendigen Zusammenhalt drohenden bewaffneten Konflikten weltweit deeskalierend zu begegnen.

l.harings@gvw.com

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