Aus Sicht vieler Exporteure befindet sich Nordamerika im Umbruch. Der amtierende Präsident Donald Trump will die Unternehmen in den USA gegen zu viel Konkurrenz aus dem Ausland schützen. Das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko bedarf aus seiner Sicht einer grundlegenden Reform, wenn es weiter bestehen soll. Viele Unternehmen sehen sich dadurch veranlasst, ihre Maßnahmen zum Schutz ihrer Liquidität zu intensivieren.

Von Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung

Beitrag als PDF (Download)

Gleich nach seiner Wahl hat Donald Trump unter anderem Strafzölle für Autobauer angekündigt, die in Mexiko produzieren lassen und die Autos danach in die USA verkaufen. Zum einen sieht er die Jobs der amerikanischen Staatsbürger in der Automobilbranche gefährdet. Andererseits erhofft er sich damit, Detroit, dem ehemaligen Mittelpunkt der amerikanischen Automobilindustrie, wieder zu mehr Erfolg zu verhelfen.

Auch das Fortbestehen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA stellt der US-Präsident in Frage. Gründe aus seiner Sicht sind der Abzug von Jobs aus dem US-Automobilsektor ins benachbarte Mexiko und das US-Handelsdefizit gegenüber dem nördlichsten Land Lateinamerikas. Von dieser weitreichenden Veränderung wäre neben Mexiko auch der dritte Partner Kanada betroffen. Seit August wird das Abkommen, das die USA, Kanada und Mexiko 1994 geschlossen hatten, neu verhandelt. Doch auch die vierte Verhandlungsrunde brachte bisher keine Einigung.

Reaktionen auf den drohenden US-Protektionismus

Die Ankündigungen der US-Regierung sorgen für Unsicherheiten bei Unternehmen, die in das Land exportieren. Ein großer Teil von ihnen ist um die eigene Liquidität besorgt und trifft zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Das zeigt das aktuelle Atradius-Zahlungsmoralbarometer „The Americas“, das unter anderem die Zahlungsmoral von Unternehmen in Kanada, Mexiko und den USA in den vergangenen zwölf Monaten beleuchtet. Für diese Studie hat Atradius auch die Frage untersucht, wie sich die nordamerikanischen Unternehmen vor den großen Risikofaktoren der Wirtschaft schützen wollen – neben dem drohenden US-Protektionismus gehören dazu auch eine mögliche Abkühlung der chinesischen Konjunktur und der ungewisse Ausgang der Brexit-Verhandlungen.

Besonders in Mexiko wollen die befragten Unternehmen angesichts dieser Risikofaktoren ihre Maßnahmen zum Forderungsschutz intensivieren – 38,1% der Studienteilnehmer gaben dies an. Die Mittel der Wahl hierfür sind neben der Abfrage der Kreditwürdigkeit eines Abnehmers und dem intensiven Beobachten von Ausfallrisiken der Abschluss einer Kreditversicherung, damit die Forderung auch bei einem Ausfall versichert ist. Firmen in Kanada, die im nordamerikanischen Vergleich eine sehr gute Zahlungsmoral haben, sind weniger vorsichtig. 26,8% der befragten Unternehmen streben eine Bonitätsabfrage ihrer Abnehmer an, 23% wollen das Ausfallrisiko prüfen, und 18,5% planen, eine Kreditversicherung abzuschließen.

Optimistische Stimmung in der US­amerikanischen Wirtschaft

Während die US-Regierung durch ihre Pläne für den Ausstieg aus vielen Verträgen und Abkommen für Unruhe in der Weltwirtschaft sorgt, wächst die heimische Wirtschaft. Die Zahlen für das zweite Quartal 2017 sind positiver ausgefallen als erwartet. Gründe dafür sind eine Steigerung des Realeinkommens, die Senkung der Arbeitslosenzahlen und ein einfacher Kreditzugang, was sich wiederum positiv auf das Konsumverhalten der US-Amerikaner auswirkt.

Die Prognose für das US-amerikanische BIP-Wachstum wurde für das laufende Jahr laut des aktuellen „Atradius Economic Update“ von 2,1% auf 2,2% nach oben korrigiert. Für 2018 erwarten die Experten eine Wachstumsrate von 2,4%. Die guten Arbeitsmarktdaten unterstützen das Inflationsziel von 2%. Der US-Leitindex Dow Jones überschritt im Oktober erstmals die Marke von 23.000 Punkten. Die nächste Zinserhöhung wird erst im Dezember erwartet. Auch die Straffung der Geldmarktpolitik wird nur schrittweise vorangetrieben, insbesondere aufgrund der aktuellen Inflationsentwicklung, die momentan noch unter dem mittelfristigen Ziel von 2% liegt. Bei den Insolvenzen erwarten unsere Risikoexperten einen Rückgang von 4% in diesem Jahr, gefolgt von 2% für 2018.

Für Mexiko könnten sich langfristig auch Chancen aus den Plänen der US-Regierung ergeben. Durch die Abnabelung von den Vereinigten Staaten müsste das Land die Anzahl seiner Exportländer wieder erweitern und könnte damit wiederum die Exportabhängigkeit von den USA reduzieren. Aktuell hat Mexiko zwölf Freihandelsabkommen mit insgesamt 46 Ländern geschlossen. Der Plan ist, insbesondere den Handel mit der EU, mit Asien und Südamerika auszuweiten. Im April und Juni 2017 fanden bereits Gespräche statt, um das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der Europäischen Union zu erneuern und zu erweitern.

Kanadas Wirtschaft wächst stabil, ist aber auf den Freihandel mit den USA angewiesen. Hier bleibt abzuwarten, wie sich das Land mit einer Novellierung der nordamerikanischen Freihandelszone oder deren Ende arrangiert. Aktuell rechnen die Experten in diesem Jahr mit einem Rückgang der kanadischen Unternehmensinsolvenzen um 4%.

Das aktuelle Atradius-Zahlungsmoralbarometer „The Americas“ finden Sie unter https://atradius.de/publikation/payment-practices-barometer-americas-2017.html.

thomas.langen@atradius.com

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner