Am 17. Mai 2016 hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erstmals ein umfassendes Merkblatt zum Stand des Iran-Embargos nach den Sanktionslockerungen zum „Implementation Day“ herausgegeben. Am selben Tag wurde außerdem eine neue Bekanntmachung über Endverbleibsdokumente im Bundesanzeiger veröffentlicht, die künftig Vor-Ort-Kontrollen („Post Shipment Controls“) ermöglichen soll.
Von Dr. Lothar Harings, Rechtsanwalt und Partner, Graf von Westphalen, und Adrian Loets, LL.M., Rechtsanwalt, Graf von Westphalen
Bereits seit dem „Implementation Day“ am 16. Januar 2016 hat die Europäische Union (EU) die erste Stufe der Sanktionslockerungen gegenüber dem Iran aufgrund des Wiener Nuklearabkommens vom 14. Juli 2015 in Kraft gesetzt. Die Iran-Embargo-Verordnung (Verordnung Nr. 267/2012) gilt seitdem weiter, wurde allerdings weitgehend umgeändert. Hintergrund ist die Resolution 2231 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) zum Wiener Abkommen, die entsprechend den verschiedenen zugrundeliegenden internationalen Nichtverbreitungsregimen (NSG – Nuclear Supplier Group, Anhang I; sonstige proliferationsrelevante Güter – Anhang II; MTCR – Missile Technology Control Regime, Anhang III) strukturiert ist. Die in der Verordnung verbliebenen Genehmigungs- und Verbotstatbestände und die dazugehörigen Anhänge folgen nun diesem Aufbau.
Neubewertung der Genehmigungsbedürftigkeit
Eine anschauliche Erläuterung der nunmehr geltenden Embargoverordnung bietet das jüngst herausgegebene Merkblatt zum Iran-Embargo des BAFA. Das Bundesamt hatte schon kurz nach dem Implementation Day eine überblicksartige Sonderausgabe des Informationsdienstes „Exportkontrolle Aktuell“ veröffentlicht. Das neue Merkblatt ist jedoch deutlich umfassender und bezieht Stellung zu einigen Auslegungsfragen.
Wichtig ist vor allem der Hinweis an Unternehmen, die Genehmigungsbedürftigkeit ihrer Waren anhand der neugefassten Anhänge zur Iran-Embargo-Verordnung neu zu bewerten. Dies sollte gerade auch Güter umfassen, für die vor den Embargolockerungen ein „Nullbescheid“ erteilt wurde, die also früher genehmigungsfrei exportiert werden konnten; denn auch ein Nullbescheid gilt nicht absolut und ohne Ausnahme, sondern er steht unter dem Vorbehalt der zukünftigen Änderung der Rechtslage. Teilweise gibt es auch Überschneidungen zwischen Anhang III (Trägertechnologie für Raketen nach MTCR-Regime) und der Dual-Use-Verordnung (Verordnung Nr. 428/2009). Für diese Fälle ist Anhang III vorrangig mit der Folge, dass ein absolutes Ausfuhrverbot besteht; auch innerhalb der Embargoverordnung soll dieser Anhang Vorrang genießen.
„Beschaffungskanal“ für Nukleargüter
Von Interesse sind ebenfalls die Erläuterungen zu dem neu eingerichteten „Beschaffungskanal“ („Procurement Channel“). Die Embargoverordnung sieht die Möglichkeit vor, den Export von Nukleargütern des Anhangs I mit Zustimmung einer neu geschaffenen Gemeinsamen Kommission, gebildet aus Vertretern der Parteien des Wiener Abkommens, sowie des UN-Sicherheitsrates zu genehmigen. Von dieser Zustimmung hängt die Erteilung der Genehmigung ab.
Laut BAFA ist es wichtig, entsprechende Genehmigungsanträge frühzeitig zu stellen und von Anfang an alle relevanten Angaben, möglichst auf Englisch, mitzuteilen. Da Rückfragen und Rückantworten dieser Gremien nicht möglich seien, würden unvollständige Anträge laut BAFA „zurückgewiesen“. Bei späteren Ergänzungen sei ein „neuer Antrag“ nötig, der den UN erneut vorgelegt werden müsse. Da ein solcher Neuantrag in jedem Fall Zeit in Anspruch nehmen würde, ist Unternehmen zu raten, ihren Genehmigungsantrag möglichst „entscheidungsreif“ samt Güterbeschreibung in englischer Sprache einzureichen und darüber hinaus einen „Zeitpuffer“ einzuplanen.
Neues Erfordernis für Endverbleibserklärungen (EVE)
Bei der Beantragung der Ausfuhrgenehmigungen für Güter der Anhänge I und II sind spezielle EVEs vorzulegen – eine Besonderheit dabei ist, dass auch bei Gütern des Anhangs II – darunter Dichtungen aus Viton oder Tecnoflon – eine staatliche EVE erforderlich ist, die der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf Durchführung von „Post-Shipment-Kon-trollen“ vor Ort einräumt – eine zweifelhafte Voraussetzung bei Gütern, die häufig in Anlagen eingebaut werden. Zudem geht diese Forderung – jedenfalls nach Auffassung des Irans – über die Abmachungen des JCPOA hinaus, weshalb der Iran derzeit keine entsprechenden EVEs ausstellt. In der Tat regelt der JCPOA zwar die Verpflichtung, den Exportstaaten Prüfungen der Endverwendung zu erlauben, verbindet dies aber nicht ausdrücklich mit der staatlichen EVE, die der Gemeinsamen Kommission im Rahmen des Beschaffungskanals vorzulegen ist. Die Sicherheitsrats-Resolution 2231 (2015) schreibt jedoch vor, dass die Exportstaaten sich die „effektive Ausübung“ des Rechts zu Verifikationen vor Ort „sichern“ müssten. Diesem Wortlaut folgt auch die überarbeitete Iran-Embargo-Verordnung. Die kuriose Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen den Vertragsparteien ist, dass manche Güter, deren Ausfuhr bis 16. Januar 2016 gegen Vorlage einer privaten EVE genehmigt worden ist, nach den „Sanktionslockerungen“ wegen des Streits über den Inhalt der staatlichen EVEs derzeit nicht ausgeführt werden können.
Selbstverpflichtung zu „Post-Shipment-Kontrollen“
Durch die Sechste AWV-Änderungsverordnung sind im März 2016 zusätzliche Endverbleibsnachweise in § 21 AWV eingefügt worden. Das BAFA kann nun auch in sog. „Neu-für-alt“-Fällen verlangen, dass der Empfänger sich zur Vernichtung der zu ersetzenden Güter verpflichtet. Für Ausfuhren von Waffen und Rüstungsgütern in bestimmte Länder kann das BAFA die Genehmigung von der Zustimmung des Bestimmungslandes zur Duldung von Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs bzw. der Vernichtung der „Altgüter“ abhängig machen. Derartige „Post-Shipment-Kon-trollen“ sollen einem vielfach bemängelten Kontrolldefizit der deutschen Ausfuhrkontrollstellen entgegenwirken. Gerade bei leicht beweglichen Kleinwaffen, bei denen ein höheres Zweckentfremdungsrisiko besteht, wurde ein Bedürfnis einer nachgelagerten Überwachung gesehen. Das deutsche Modell orientiert sich nach Auskunft der Bundesregierung am schweizerischen Modell, nach dem sich der Empfänger zur Duldung von Vor-Ort-Kontrollen verpflichten muss, nicht am Ansatz der USA im Rahmen des „Blue Lantern Program“ mit eigenen Vor-Ort-Ermittlungen durch Botschaftsmitarbeiter. Letzteren Ansatz sieht die deutsche Regierung wegen der Souveränität der Empfängerstaaten als problematisch an.
Eine entsprechende Nachweisregelung ist nun durch Allgemeinverfügung des BAFA umgesetzt worden. Die „Bekanntmachung über Endverbleibsdokumente nach § 21 Abs. 6 AWV“ vom 31. März 2016 wurde am 17. Mai 2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht und ändert die entsprechenden Regelungen in der Vorgängerbekanntmachung von 2002 ab. Sie ist für alle Neuanträge und bei Bekanntgabe noch nicht beschiedener Anträge anwendbar – das BAFA kann hier also EVEs nach den neuen Formularmustern anfordern. Diese stehen auf der Internetseite des BAFA (www.ausfuhrkontrolle.info) bereit. „Post-Shipment-Kontrollen“ sind insbesondere vorgesehen bei der Ausfuhr in Drittstaaten und der Verbringung von Scharfschützengewehren, Vorderschaftsrepetierflinten („Pump Guns“), Pistolen, Revolvern und zugehöriger Munition und Herstellungsausrüstung (Anlage 2 zur Bekanntmachung) sowie von kleinen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition zur Ausfuhr in Länder außerhalb der EU, der NATO und der der NATO gleichgestellten Staaten (Anlage 4).
Fazit
Während das neue Merkblatt zum Stand des Iran-Embargos die Notwendigkeit einer ständigen Überprüfung und ggf. Neubewertung der unternehmensinternen Güterbewertungen verdeutlicht, wird die Praxis der neu eingeführten Endverbleibskontrollen vor Ort mit Spannung zu beobachten sein. Interessant wird zum einen sein, ob und in welchem Umfang angesichts begrenzter Ressourcen die Behörden tatsächlich von diesen Befugnissen Gebrauch machen werden. Zum anderen bleibt aber – wie der Streit mit dem Iran vor Augen führt – auch abzuwarten, auf welche Akzeptanz derartige Kontrollen bei den Abnehmern und den Empfängerstaaten treffen werden.
Kontakt: l.harings@gvw.com, a.loets@gvw.com