Der Wiederaufbau des Landes ist trotz des andauernden Angriffskrieges in vollem Gange. Doch wie können ausländische Firmen bei Lagerhaltung und Transport mit im Boot sein?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat die EU mehrfach Maßnahmen beschlossen, die in der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (VO 833/4014) in Bezug auf sektorale Sanktionen und in der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 (VO 269/2014) in Bezug auf personenbezogene Sanktionen niedergelegt sind. Bei den neuen Sanktionen handelt es sich nicht um ein weiteres Sanktionspaket, sondern um ein von den vorgenannten Maßnahmen zu unterscheidendes zusätzliches Sanktionsregime gegen Russland angesichts der dortigen Menschenrechtslage. Anders als die Sanktionsmaßnahmen, die als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine erlassen wurden, regeln die neuen Menschenrechts-Sanktionsmaßnahmen sektorale und personenbezogene Sanktionen zusammen in einer Verordnung.

Im April dieses Jahres exportierte die Ukraine eine Rekordmenge von 13 Mio t an Produkten und übertraf damit die Zahlen vom Februar 2022. Der Anstieg der Exporte wurde insb. durch die Eröffnung eines alternativen Seekorridors im Schwarzen Meer im vergangenen Sommer positiv beeinflusst. Er ermöglicht es der Ukraine, u.a. Getreide und Metalle zu exportieren.

Mit der Wiederbelebung der Getreideexporte über das Schwarze Meer steigen die Aussichten auf Investitionen in die Sanierung der Getreidelager-Einrichtungen in den ukrainischen Seehäfen und der sie versorgenden Infrastruktur. Bis heute sind mehr als 200 Anlagen der Hafeninfrastruktur in der Ukraine durch russische Angriffe ganz oder teilweise zerstört worden.

Region Kiew bleibt wichtigstes Logistikzentrum des Landes

Trotz des Verlusts von über 400.000 m² hochwertiger Lagerflächen bleibt die Region Kiew das wichtigste Logistikzentrum des Landes, da Unternehmen aus den Kriegsregionen ihre Vertriebszentren näher an die Hauptstadt verlegen. Von den westlichen Regionen der Ukraine sind die Regionen Lwiw (Lemberg) und Wolhynien die vielversprechendsten. Sie verfügen über optimale Straßen- und Schienenverbindungen und eine Grenze zur Europäischen Union. Derzeit gehen ca. 60% der ukrainischen Exporte über diese Regionen in die EU.

Die wachsende Nachfrage nach Logistik-Knotenpunkten, multimodalen Terminals, Öllagern und Getreidesilos bietet einerseits zahlreiche Investitionsmöglichkeiten und erfordert andererseits von den Investoren eine schnelle Entscheidung über den Einstieg in diesen Markt. Das wichtigste Investitionsinstrument ist derzeit der Erwerb von Immobilien, die verkehrsgünstig gelegen sind und das Potenzial haben, Logistikrouten von der Ukraine in die EU zu bedienen.

Unter Berücksichtigung der jetzigen Situation können Investoren seit September 2023 in den Genuss neuer Formen der staatlichen Unterstützung für Großinvestitionsprojekte und weiterer Investitionsmöglichkeiten kommen. Um eine Förderung durch den ukrainischen Staat zu erhalten, muss das Investitionsvolumen während der Laufzeit des Logistikprojekts (max. fünf Jahre) den Betrag von 12 Mio EUR überschreiten.

Die Ukraine unterstützt die Investoren u.a. durch

• die Befreiung von der Körperschaftsteuer für fünf Jahre sowie von der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zollgebühr bei der Einfuhr von neuen Ausrüstungen,
• den Bau von für das Investitionsprojekt notwendigen Ingenieur- und Transportinfrastrukturobjekten (Autostraßen, Fernmeldeleitungen, Wärme-, Gas-, Wasser- und Energieversorgungsanlagen usw.) bzw. die Entschädigung entsprechender Kosten und
• die Entschädigung der für den Anschluss und die Verbindung mit den Infrastruktur- und Verkehrsnetzen erforderlichen Kosten.

Die staatliche Förderung darf gemäß des speziellen Investitionsvertrags 30% der geplanten Menge der Investitionen nicht überschreiten.

Transporttätigkeit lizenzpflichtig

Der Erwerb eines Logistikunternehmens ist für ausländische Investoren derzeit der effizienteste Weg, in der Ukraine in dieses Geschäft einzusteigen. Dies liegt v.a. daran, dass die Transporttätigkeit in der Ukraine lizenzpflichtig ist und der Bau von Lagerhäusern nicht nur mit der technologischen Dauer der Prozesse verbunden ist, sondern u.a. auch mit Fragen des Grundstückserwerbs, der Formalisierung von Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Lagerhäusern sowie der Vorbereitung von Dokumenten, die für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen erforderlich sind.

Der Prozess des Erwerbs eines ukrainischen Logistikunternehmens hat eine allgemein typische M&A-Struktur (Share Deal). Es ist aber wichtig, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Ansonsten kann der Erwerb von Aktiva in der Ukraine zu einer langwierigen, kostspieligen und relativ riskanten Angelegenheit werden.

Die Durchführung einer rechtlichen Due Diligence ist erforderlich. In bestimmten Fällen, in denen der Käufer Grund zu der Annahme hat, dass besondere Risiken bestehen oder dass bestimmte Parameter eingehalten werden müssen (Ruf der Eigentümer des Zielunternehmens, Umweltparameter der Produktion usw.), werden die entsprechenden Due-Diligence-Prüfungen zusätzlich durchgeführt.

Ein ebenso wichtiger Schritt ist die eigentliche Durchführung der Transaktion. Diese Phase umfasst die Genehmigung des für die Transaktion erforderlichen Dokumentenpakets (Zustimmungen, darunter auch der ukrainischen Kartellbehörde, Gesellschaftsprotokolle, Mitteilungen an die Gläubiger, Dokumente zur Bestätigung der Befugnisse der Parteien, Eröffnung von Bankkonten für die Abwicklung der Transaktion usw.) sowie die Unterzeichnung des Kaufvertrags und der Dokumente, die für die Durchführung, Abwicklung und v.a. für die Eintragung der Änderungen im ukrainischen Handelsregister erforderlich sind.

Zu beachten ist, dass die rechtliche Kontrolle über das erworbene ukrainische Unternehmen nicht mit der Unterzeichnung der Verträge und den damit verbundenen Zahlungen auf den Käufer übergeht, sondern erst mit der Eintragung der entsprechenden Änderungen im ukrainischen Handelsregister.

Tatsächliche Kontrolle ist wichtig

Mit dem Abschluss der Transaktion ist das Übernahmeverfahren noch nicht abgeschlossen. Die tatsächliche Kontrolle über das Unternehmen muss sichergestellt werden. Diese Maßnahmen umfassen i.d.R. den Wechsel des Managements, die Überprüfung der Befugnisse des Managements, die Aktualisierung der Kontakte mit den Vertragspartnern und den lokalen Behörden usw.

Die Zusammenarbeit mit ukrainischen Logistikunternehmen kann durch eine breite Palette vertraglicher Beziehungen formalisiert werden. Dazu gehören Joint-Venture-Vereinbarungen mit oder ohne Gründung einer juristischen Person, Auftragnehmer- oder Dienstleistungsverträge.

Als Beispiel solch einer Kooperation gilt der Expressgutverkehr. Die Express-zustellung hat sich in der Ukraine sehr gut entwickelt und nimmt weiter zu. Mit dem Wachstum des E-Commerce und der Zunahme von Online-Bestellungen steigt auch die Nachfrage nach Expresslieferungen in der Ukraine. Über zwei Dutzend Expressdienstleister sind hier aktiv, darunter so große wie Nova Post, Ukrposhta, Meest Express, DHL und UPS.

Die internationale Unterstützung für die Modernisierung und den Wiederaufbau des Landes konzentriert sich auf zwei Hauptbereiche: Ermutigung von Investoren, in ukrainische Projekte zu investieren, und die direkte Unterstützung durch internationale Geberorganisationen.

Multilaterale Entwicklungsbanken sind aktiv

Multilaterale Entwicklungsbanken wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und die Weltbankgruppe sind in der Ukraine besonders seit zwei Jahren sehr aktiv. Ein Beispiel für direkte internationale Hilfe ist das USAID-Projekt zur wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine, das Zuschüsse für die Entwicklung der ukrainischen Logistik und des Exports bereitstellt. Das Projekt konzentriert sich auf die Stärkung der Logistik- und Exportkapazitäten des ukrainischen Agrarsektors sowie auf die Verbesserung von Prozessen und Verfahren, die die Fähigkeit zur Verwaltung von Exportladungen und die Integration mit der EU an den Grenzübergängen verbessern.

Auch die deutsche Bundesregierung verfügt über ein Garantie-Instrumentarium, durch das sie das Risiko für private Investoren mindert, deutsche Exporte und Investitionen in der Ukraine mit Garantien absichert und Investoren Kapital zu attraktiven Konditionen zur Verfügung stellt (z.B. Investitionsgarantien des Bundes, develoPPP).

igor.dykunskyy[at]dlf.ua

iurii.dynys[at]dlf.ua

www.dlf.ua

drebner[at]lanaapma.com

www.lanaama.com

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner