Deutschen Exporteuren muss unbedingt klar sein, dass selbst ein BAFA-Nullbescheid für ein Iran- oder Russland-Geschäft noch keine Garantie dafür ist, dass keinerlei Exportbeschränkungen drohen: Es muss immer zusätzlich geprüft werden, ob Beschränkungen nach US-Exportrecht bestehen, weil sich das BAFA nicht zum US-Exportrecht äußern kann.

Was muss ein deutsches Unternehmen (v.a. beim Handel mit Ländern wie dem Iran und Russland) rechtlich beachten, wenn es Güter liefern will, die unter US-Sekundärsanktionen fallen, oder wenn es einen Kunden (im In- oder Ausland) beliefert, der mit US-Sekundärsanktionen auf der SDN-Liste gelistet ist?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Das deutsche Unternehmen D handelt mit Rohstahl, der weiterverarbeitet werden soll. Seit einiger Zeit hat D das Iran-Geschäft eingestellt. Stattdessen beliefert D den Händler H in Italien, der nun auf der SDN-Liste mit Sekundärsanktionen gelistet ist. D weiß nicht, ob H den Stahl in den Iran weiterliefert, kann aber nicht völlig ausschließen, dass H dies tut. D hatte zwar gesehen, dass H auf einer US-Sanktionsliste gelistet ist, ging aber davon aus, dass er diese US-Listung als Nicht-US-Person nicht beachten muss. Welche Beschränkungen bestehen für dieses Geschäft mit möglichem Iran-Bezug?

Exportbeschränkungen für Verbringungen?

Zunächst fragt sich, ob für D auch bei Verbringungen Exportbeschränkungen gelten können. Dies hängt davon ab, wie deutlich es hier ist, dass es nicht bei einer Verbringung in der EU bleibt, sondern dass der Kunde im anderen EU-Land in ein Drittland exportiert. Je mehr Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es in der Realität um einen Export in ein potentiell sensitives Land geht, umso klarer ist es, dass D hier Prüfungen anstellen muss, ob Exportbeschränkungen für die Weiterlieferung bestehen, denn sonst könnte D hierfür wegen Beihilfe zu oder Mittäterschaft bei einem Exportverstoß belangt werden. Selbst bei einem rein innerdeutschen Geschäft können solche Prüfpflichten entstehen. Nachfolgend soll unterstellt werden, dass keine Beschränkungen nach EU-Exportrecht bestehen. Und es soll angenommen werden, dass es tatsächlich um Weiterlieferungen in den Iran geht. Daher ist hier noch das US-Iran-Embargo zu prüfen.

US-Iran-Primärembargo

Das US-Iran-Primärembargo würde nur dann eingreifen, wenn einer der folgenden US-Türöffner in dieses Iran-Geschäft involviert ist: (1) US-Territorium, (2) US-Personen (bzw. Personen im Eigentum oder unter Kontrolle einer US-Person), (3) Güter made in USA, (4) Güter made in Europe mit US-Komponenten mit mehr als minimalem US-Wertanteil, (5) direkte Produkte aus US-Technologie, (6) Joker wie USD-Geschäft. Es soll nachfolgend unterstellt werden, dass keiner dieser US-Türöffner hier eingreift.

US-Iran-Sekundärembargo

Auch ohne Vorliegen der „klassischen US-Türöffner“ kann das US-Exportrecht hier noch anwendbar sein, nämlich dann, wenn eine der US-Sekundärsanktionen eingreift. Dies kann bei Iran-Geschäften aus zwei Gründen der Fall sein: Erstens dann, wenn in der Lieferkette eine Person involviert ist, die auf der SDN-Liste mit Sekundärsanktionen gelistet ist. Zweitens dann, wenn es um einen der folgenden Wirtschaftssektoren des Iran geht, die mit Sekundärsanktionen belegt sind, vor allem die folgenden: Gold/Edelmetalle, mehrere Metalle/Halbmetalle, Kohle, der Automobilsektor, Erdöl, Petrochemieprodukte sowie z.T. Versicherungsgeschäfte, Energiesektor und Schuldverschreibungen des Iran. Und seit Januar 2020 sind noch vier Sektoren durch die E.O. 13902 hinzugekommen: Bauwirtschaft, Bergbau, „Herstellung“ und Textilsektor des Iran (vgl. unseren Beitrag in ExportManager 1/2020). In obigem Fall besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass aus zwei Gründen US-Sekundärsanktionen greifen:

  • Erstens: Der Stahlsektor des Iran ist betroffen, und nach der E.O. 13871 kann „jede Person“ (inklusive Nicht-US-Personen) sanktioniert werden, die wissentlich an erheblichen Transaktionen bzgl. des Eisen-, Stahl-, Aluminium- oder Kupfersektors des Iran beteiligt ist.
  • Zweitens: Es geht um eine Lieferung an H, der auf der SDN-Liste mit Sekundärsanktionen gelistet ist.

Allerdings brauchen Nicht-US-Personen diese US-Sekundärsanktionen nur dann zu beachten, wenn es um ein „erhebliches“ Geschäft geht.

„Erhebliches Geschäft“

Nach den OFAC-FAQs ist für diese Prüfung ein Set von sieben Kriterien zu prüfen, zu denen u.a. Größe, Anzahl und Frequenz der Transaktionen gehören sowie die Auswirkungen auf die gesetzgeberischen Zwecke. Dies ist eine sehr aufwendige Prüfung. So dürften für das erste Kriterium bzgl. des Wertes der Güter die CISADA-Schwellenwerte (für Erzeugnisse 250.000 USD pro Lieferung, kumuliert 1 Mio USD pro Jahr) eine bestimmte Rolle spielen. Sollte die Prüfung zu dem eindeutigen Ergebnis führen, dass hier kein „erhebliches“ Geschäft vorliegt, braucht D als Nicht-US-Person weder die Sekundärlistung von H auf der SDN-Liste noch die Sekundärlistung des Stahlgeschäfts mit dem Iran zu beachten. Dann könnte D dieses Geschäft fortsetzen. Sollte die Prüfung aber zu dem Ergebnis führen, dass ein „erhebliches“ Geschäft vorliegen könnte, sollte dieses Geschäft vorläufig eingestellt werden, um die Sache rechtlich zu überprüfen.

Rechtlich mögliche Schritte bei „erheblichem“ Geschäft

D würde bei einer Fortsetzung dieses Geschäfts – falls es „erheblich“ ist – riskieren, selbst auf die SDN-Liste gesetzt zu werden. D kann beschließen, dieses Geschäft nun endgültig einzustellen; dies sollte er aber nicht mit US-Sanktionen begründen, weil dies ein Antiboykottverstoß sein dürfte, für den D mit einem Bußgeld haften könnte (vgl. § 7 AWV). Wenn D hingegen das Iran-Geschäft fortsetzen möchte, hat er folgende Möglichkeiten:

  • Möglichkeit 1: D reduziert den Umfang des Geschäfts so weit, dass dieses Geschäft nicht mehr „erheblich“ ist; dann dürfte nicht mehr das Risiko von US-Sanktionen bestehen.
  • Möglichkeit 2, falls Möglichkeit 1 ausscheidet: D könnte beim OFAC eine Guidance beantragen, dass er ausnahmsweise dieses Geschäft noch fortsetzen darf (für US-Sekundärsanktionen sind keine förmlichen US-Genehmigungen vorgesehen). Gegenwärtig dürften für rein kommerzielle Iran-Geschäfte (ohne humanitäre Aspekte) aber nur begrenzte Erfolgschancen bestehen, hierfür eine positive OFAC-Guidance zu erhalten.
  • Möglichkeit 3, falls Möglichkeiten 1 und 2 ausscheiden: D könnte versuchen, bei der EU-Kommission einen Antrag zu stellen, dass er ausnahmsweise die unilateralen US-Sanktionen in der EU beachten darf. Selbst wenn dieser EU-Antrag nicht erfolgreich sein sollte, kann er möglicherweise doch zu einer Risikominimierung beitragen: Denn die USA kennen (nicht nur im Kartellrecht) ein Prinzip, dass nicht ohne Weiteres US-Sanktionen verhängt werden dürfen für ein Verhalten, das nach dem nationalen Recht des Betroffenen geboten und verpflichtend ist. Nur wenn D versucht, diese rechtliche Zwangslage durch einen EU-Antrag zu klären, könnten der Verstoß gegen die US-Sanktionen straffrei bleiben oder die Strafe gemildert werden.

Resümee

Die US-Sekundärsanktionen sind Sanktionen, die auch von Nicht-US-Personen zu beachten sind. Sie sind ein sehr scharfes Schwert des US-Exportrechts: Obwohl keiner der klassischen US-Türöffner vorliegt, wird quasi fingiert, dass hier US-Exportrecht anzuwenden sei – und das nur deshalb, weil entweder eine SDN-gelistete Person mit Sekundärsanktionen in die Lieferkette involviert ist oder weil einer der Wirtschaftssektoren des Iran betroffen ist, die mit solchen Sekundärsanktionen belegt sind. Das geht extrem weit, zumal bei einigen dieser Sektoren unklar ist, was exakt unter ihnen zu verstehen ist: Was fällt alles unter den „Herstellungssektor“? Und ist der „Textilsektor“ des Iran nur dann betroffen, wenn Textilmaschinen in den Iran geliefert werden, oder auch schon dann, wenn nur Garne dorthin exportiert werden? Hier muss mit sehr hohem Aufwand erstens mittels der FAQs geprüft werden, ob die Aktivitäten zu diesem Sektor des Iran gehören, zweitens, ob es „erhebliche“ Geschäfte sind, und drittens, ob hierfür u.U. Ausnahmen (wie etwa für Geschäfte zu humanitären Zwecken) bestehen. Hierzu ist anwaltliche Beratung dringend erforderlich, weil sonst schnell US-Sanktionen (bis hin zu einer Listung auf einer US-Sanktionsliste) drohen können.

Deutschen Exporteuren muss unbedingt klar sein, dass selbst ein BAFA-Nullbescheid für ein Iran- oder Russland-Geschäft noch keine Garantie dafür ist, dass keinerlei Exportbeschränkungen drohen: Es muss immer zusätzlich geprüft werden, ob Beschränkungen nach US-Exportrecht bestehen, weil sich das BAFA nicht zum US-Exportrecht äußern kann. Hier muss die zusätzliche Prüfung deutscher Exporteure ansetzen, ob klassische US-Türöffner oder US-Sekundärsanktionen in dieses Geschäft involviert sind und welche Wege gegebenenfalls für die Zukunft gewählt werden sollen, um das Risiko zu minimieren, ebenso, ob für die Vergangenheit eine freiwillige Selbstanzeige in den USA gemacht werden soll. Hiermit sowie z.T. mit Guidance-Anträgen beim OFAC hat unsere Kanzlei bisher gute Erfahrungen gemacht.

Anhang: Thesen zu US-Sanktionen gegen das Nord-Stream-Geschäft

Um den Bau der Gaspipeline Nord Stream II durch Russland zu verhindern, haben drei Mitglieder des US-Kongresses am 5. August 2020 mehrere Warnungen an die Fährhafen Sassnitz GmbH ausgesprochen. Für den Fall, dass diese nicht ihre Unterstützung für dieses Projekt beende, wurde Folgendes angedroht:

  • Den Geschäftsführern der Gesellschaft wird die Einreise in die USA untersagt, und jegliches gegenwärtige oder künftige Eigentum von ihnen auf dem Territorium oder unter Kontrolle der USA wird eingefroren.
  • Eingefroren werden auch alle künftigen Transaktionen der Gesellschaft, die durch das Finanzsystem der USA laufen.
  • Allen US-Personen wird untersagt, mit dieser Gesellschaft Geschäfte zu tätigen, einschließlich des Exports von Gütern über den Hafen Mukran oder des Imports von Gütern aus diesem Hafen oder der Versicherung von Schiffen, die solche Aktivitäten durchführen.
  • „Wenn Sie weiterhin Waren, Dienstleistungen oder Unterstützung für das Nord-Stream-II-Projekt bereitstellen, würden Sie das zukünftige finanzielle Überleben Ihres Unternehmens zerstören“.

Die betroffenen Unternehmen sollten sich wehren, etwa mit folgenden Mitteln:

  • Einholen eines Rechtsgutachtens beim Internationalen Gerichtshof, dass diese Drohungen von Mitgliedern des US-Kongresses gegen Repräsentanten Deutschlands eindeutig völkerrechtswidrig und daher zu unterlassen sind und ggf. zum Schadensersatz verpflichten (Verstoß gegen das Interventionsverbot, ohne dass eine Rechtfertigung ersichtlich ist).
  • Und/oder: GATT-Panel-Verfahren durch Deutschland gegen die USA bei der WTO (World Trade Organization) in Genf zur Feststellung, dass dieses Verhalten WTO-widrig und daher zu unterlassen ist.
  • Antrag bei der deutschen Regierung (oder der EU-Kommission) auf diplomatischen Schutz, weil hier von den USA unverhältnismäßig in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen wird.
  • Antrag bei der EU-Kommission nach der Antiboykott-VO: Hiermit könnten Milderungen bzgl. der US-Sanktionen erreicht werden. Umfassenden Schutz dürfte ein solcher Antrag nur dann bieten, falls die EU beschließt, diese Verordnung auszubauen, um erstens den Anwendungsbereich auszuweiten und zweitens den Betroffenen in bestimmten Situationen einen Anspruch auf diplomatischen Schutz (durch die EU oder die Mitgliedstaaten) einzuräumen, so dass sie nicht angesichts zweier divergierender Rechtsordnungen alleingelassen werden.

Wegen aktueller Hinweise zum US-Exportrecht vgl. HIER und wegen aktueller rechtlicher Hinweise zum Iran-Embargo vgl. HIER.

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