Die Übergangszeit nach dem Ausscheiden Großbritanniens und Nordirlands aus der EU endete am 31. Dezember 2020 mit einem Handels- und Kooperationsabkommen. Welche Auswirkungen hat der Brexit nun auf den Warenhandel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich?

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Am 24. Dezember 2020 haben sich das Vereinigte Königreich und die EU auf ein Handels- und Kooperationsabkommen (Trade and Cooperation Agreement – TCA; ABl. EU 2020 L 444, 14) geeinigt, das die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ab dem 1. Januar 2021 regelt. Auch wenn durch dieses Abkommen quasi in letzter Minute verhindert werden konnte, dass der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ab dem 1. Januar 2021 ausschließlich nach den Regeln der Welthandelsorganisation erfolgt, müssen sich Wirtschaftsbeteiligte auf weitreichende Änderungen im bilateralen Warenhandel einstellen.

Hintergrund

Zum 31. Dezember 2020 endete der in dem Austrittsabkommen vom 17. Oktober 2019 (ABl. EU 2020 L 29, 7) vereinbarte Übergangszeitraum, innerhalb dessen das Vereinigte Königreich nach dem formellen Austritt aus der EU am 31. Januar 2020 weiterhin wie ein EU-Mitgliedstaat behandelt wurde und den gleichen Regelungen unterlag wie EU-Mitgliedstaaten. Der Abschluss des TCA, das bis zum förmlichen Abschluss des Ratifizierungsprozesses zunächst vorläufig in Kraft gesetzt wurde, ändert aber nichts daran, dass das Vereinigte Königreich seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes ist, sondern gegenüber der EU Drittstaat-Status hat. Auch wenn das TCA den Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in Zukunft erleichtern wird, müssen Wirtschaftsbeteiligte – sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU – daher ihre Prozesse überprüfen und an die neuen Gegebenheiten anpassen.

Zollrecht und Warenursprung

Zentraler Punkt des TCA ist der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Das Freihandelsabkommen ermöglicht den zollfreien Handel mit Ursprungswaren. Wirtschaftsbeteiligte können hierbei von der „vollen Kumulierung“ profitieren, d.h., sämtliche Be- und Verarbeitungstätigkeiten und nicht nur die verwendeten Materialien werden bei der Bewertung der Erzielung des Präferenzursprungs einbezogen.

Waren ohne UK- oder EU-Ursprung unterliegen demgegenüber den allgemeinen Drittlandszöllen, wie sie im integrierten Zolltarif der Europäischen Union (TARIC) oder im Zolltarif des Vereinigten Königreichs, dem UK Global Tariff, niedergelegt sind. Zwar hat das Vereinigte Königreich mit einer Vielzahl von Ländern, mit denen die EU Freihandelsabkommen geschlossen hatte, die seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr für das Vereinigte Königreich gelten, vergleichbare Freihandelsabkommen geschlossen bzw. in Abstimmung mit diesen Ländern vorläufige Anwendungs- oder Überbrückungsmechanismen vereinbart.

Da das TCA jedoch lediglich eine bilaterale und keine diagonale Kumulierung oder sonstige Verknüpfung gleichlautender Freihandelsabkommen vorsieht, können Ursprungswaren aus Drittländern, mit denen sowohl das Vereinigte Königreich als auch die EU vergleichbare Freihandelsabkommen geschlossen haben, nicht zollfrei zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich gehandelt werden.

Beispielsweise können sowohl das Vereinigte Königreich als auch die EU zollfrei Ursprungswaren aus Japan einführen, da beide mit Japan ein Freihandelsabkommen geschlossen haben. Es ist aber nicht möglich, die Waren zunächst im Vereinigten Königreich zum freien Verkehr abzufertigen und sie anschließend zollfrei aus dem Vereinigten Königreich in die EU einzuführen. Stattdessen würden für die Einfuhr der japanischen Ursprungswaren aus dem Vereinigten Königreich in die EU Drittlandszölle anfallen – auch wenn die Waren bei direkter Lieferung aus Japan in die EU zollfrei gewesen wären.

Die zollfreie Weiterlieferung von Nicht-Ursprungswaren aus dem eigenen Zollgebiet in das Zollgebiet der anderen Partei ist daher künftig nur unter Nutzung besonderer Verfahren möglich, wobei insbesondere das Zolllagerverfahren, die aktive und passive Veredelung und das gemeinsame Versandverfahren, das seit dem 1. Januar 2021 für das Vereinigte Königreich anwendbar ist, relevant sein dürften.

Auch der Handel mit Ursprungswaren stellt hohe Anforderungen an die Wirtschaftsbeteiligten. Um in den Genuss der Zollfreiheit beim Handel mit Ursprungswaren zu kommen, müssen sich die Wirtschaftsbeteiligten mit den Ursprungsregeln des TCA umfassend vertraut machen und entsprechende Ursprungsnachweise bereithalten, da (nachträglich) Drittlandszölle anfallen würden, wenn im Falle einer Überprüfung der EU-/UK-Ursprung nicht nachgewiesen werden kann.

Die Inanspruchnahme einer Zollpräferenz für Ursprungswaren der anderen Vertragspartei erfolgt auf Antrag des Einführers, der für die Richtigkeit seines Antrags und die Einhaltung der Voraussetzungen des Freihandelsabkommens verantwortlich ist. Förmliche Präferenznachweise sind im TCA nicht vorgesehen. Dem Einführer stehen stattdessen die folgenden zwei Arten von nicht förmlichen Präferenznachweisen zur Verfügung: eine Erklärung zum Ursprung (EzU) des Ausführers oder die Gewissheit des Einführers.

Die Gewissheit des Einführers als Eigenerklärung kommt nur dann in Betracht, wenn der Einführer über belastbare Informationen verfügt, die die Ursprungseigenschaft der Ware belegen, und er auf Verlangen entsprechende Nachweise zur Verfügung stellen kann. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn das einführende und das ausführende Unternehmen verbunden sind und sie gemeinsam auf die entsprechenden Daten zugreifen können. In allen anderen Fällen ist der Ursprungsnachweis in Form einer EzU des Ausführers zu erbringen, die mit dem vorgeschriebenen Wortlaut auf der Rechnung oder einem anderen Dokument anzubringen ist.

Eine EzU kann bei Ausfuhren aus der EU in das Vereinigte Königreich für Warensendungen bis 6.000 EUR jeder Ausführer abgeben und für Warensendungen oberhalb dieser Wertschwelle nur „registrierte Ausführer“ (REX) unter Angabe ihrer REX-Nummer. Um den Status eines REX zu erhalten, ist eine Registrierung in der hierfür eingerichteten Datenbank erforderlich. Für Ausführer aus dem Vereinigten Königreich gelten keine vergleichbaren Unterscheidungen nach Wertgrenzen; stattdessen kann jeder Inhaber einer EORI-Nummer eine EzU abgeben.

Für sämtliche Ein- und Ausfuhren von Waren zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU – unabhängig davon, ob es sich bei den Waren um Ursprungswaren oder Nicht-Ursprungswaren handelt – gelten zudem seit dem 1. Januar 2021 Zollformalitäten, mit denen sich Unternehmen, die bislang keinen Handel mit Ländern außerhalb der EU betrieben haben, vertraut machen müssen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Austrittsabkommen, einschließlich des Protokolls über Irland und Nordirland, in Kraft bleibt und zum 1. Januar 2021 umgesetzt wird, mit der Folge, dass Nordirland zwar Teil des Zollgebiets des Vereinigten Königreichs bleibt. Es werden aber alle relevanten EU-Binnenmarktvorschriften und der Unionszollkodex in Nordirland weiterhin gelten. Die erforderlichen Kontrollen und Zollformalitäten werden an den Eingangspunkten zur Insel Irland in Nordirland stattfinden und nicht an der Landgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland.

Kennzeichnung, Bescheinigung und Zertifizierung

Auch im Bereich Produktsicherheit und Zertifizierung kommt es zu Änderungen. Zwar gelten im Vereinigten Königreich zunächst dieselben Sicherheitsstandards und Normen wie in der EU fort und werden lediglich in „UK Designated Standards“ umgewandelt. Abweichende Prüf- und Zertifizierungsvorgaben in der EU und im Vereinigten Königreich sind aber ab dem 1. Januar 2021 grundsätzlich möglich.

Da sämtliche aus der EU in das Vereinigte Königreich eingeführten Waren den UK-Vorgaben und sämtliche aus dem Vereinigten Königreich in die EU eingeführten Waren den EU-Vorgaben entsprechen müssen, können abweichende Prüf- und Zertifizierungsanforderungen in der EU und im Vereinigten Königreich die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen in Zukunft erheblich verteuern.

Umsatzsteuerrecht

Auch umsatzsteuerrechtlich müssen sich die Wirtschaftsbeteiligten auf weitreichende Änderungen einstellen. So stellen etwa Warenlieferungen aus Deutschland in das Vereinigte Königreich keine steuerfreien innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne der §§ 4 Nr. 1b UStG i.V.m. 6a UStG mehr dar, sondern steuerfreie Ausfuhrlieferungen nach §§ 4 Nr. 1a UStG i.V.m. 6 UStG. Hieraus ergeben sich u.a. veränderte Nachweispflichten, wobei eine fehlerhafte Nachweisführung die Versagung der Umsatzsteuerfreiheit zur Folge haben kann. Im Falle einer Lieferung aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland liegt nicht länger ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i.V.m. § 1a UStG vor, sondern eine Einfuhr, für die Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten ist.

Exportkontrolle

Außenwirtschaftsrechtlich hat der Brexit ebenfalls Auswirkungen. Lieferungen in das Vereinigte Königreich (mit Ausnahme Nordirland) werden nicht länger als Verbringungen behandelt, sondern stellen Ausfuhren dar mit der Folge, dass fortan Lieferungen der in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (DUV) gelisteten Dual-Use-Güter einem Genehmigungserfordernis nach Art. 3 Abs. 1 DUV unterfallen. Zwar sind Verfahrenserleichterungen dergestalt vorgesehen, dass das Vereinigte Königreich in den Kreis der begünstigten Bestimmungsziele der Allgemeinen Genehmigung (AGG) Nr. EU001 aufgenommen wurde. Unter Verwendung dieser AGG kann ein Großteil der in Anhang I der DUV gelisteten Güter in das Vereinigte Königreich ausgeführt werden, ohne dass zuvor eine Einzelausfuhrgenehmigung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragt werden muss. Es sind jedoch Registrier- und Meldepflichten zu beachten.

In Ergänzung zur AGG Nr. EU001 wurde die nationale AGG Nr. 15 erlassen, die weitere Fallkonstellationen abdeckt, um es Wirtschaftsbeteiligten zu ermöglichen, für einen bestimmten Übergangszeitraum vor dem 31. Dezember 2020 geschlossene Verträge ohne Lieferverzögerungen zu erfüllen. So erlaubt die AGG Nr. 15 etwa Ausfuhren von in Deutschland niedergelassenen Unternehmen auf der Grundlage von Ausfuhrgenehmigungen, die durch das Vereinigte Königreich vor dem 31. Dezember 2020 erteilt wurden.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Catch-all-Bestimmung in Art. 4 DUV bei Ausfuhren in das Vereinigte Königreich künftig Anwendung findet, und Handels- und Vermittlungsgeschäfte betreffend die Ausfuhr von Gütern aus dem Vereinigten Königreich in ein Drittland oder von einem Drittland in das Vereinigte Königreich in Bezug auf gelistete Dual-Use-Güter unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungspflichtig sein können. Auf die Lieferung von Rüstungsgütern in das Vereinigte Königreich wird der Brexit hingegen nur geringe praktische Auswirkungen haben. Lieferungen von Rüstungsgütern, die vor dem 1. Januar 2021 als Verbringungen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 AWV genehmigungsbedürftig waren, sind nunmehr als Ausfuhren gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV genehmigungspflichtig. Bereits erteilte Genehmigungen zur Verbringung von Rüstungsgütern in das Vereinigte Königreich gelten für die Ausfuhr weiter fort. Bestehende AGG für Rüstungsgüter wurden um das Vereinigte Königreich erweitert.

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