Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts dominiert der US-Dollar die internationale Handelsfinanzierung. Weder Euro noch Yen noch Yuan konnten die Vormacht der wichtigsten Reservewährung gefährden. Doch nun kommen Kryptowährungen ins Spiel.

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Das Thema digitale Währungen war im vergangenen Jahr allgegenwärtig, insbesondere angesichts des raschen Rückgangs von Bargeldgeschäften durch die Covid-19-Pandemie. Auch wenn diese schließlich nachlässt, wird sich dieser Trend voraussichtlich fortsetzen. Digitale Währungen sind damit als potenzielles alternatives Zahlungsmittel in die öffentliche Wahrnehmung gerückt, allerdings liegt die Einführung der ersten digitalen Währung – die der Kryptowährung Bitcoin im Jahr 2009 – bereits über zehn Jahre zurück und Tausende andere digitale Währungen in Form von Kryptowährungen sind seither auf den Bitcoin gefolgt.

Länder und Unternehmen führen digitale Währungen ein

Interessanterweise wurden Kryptowährungen vorrangig von Privatunternehmen, nicht aber von Staaten entwickelt. Bis heute ist Venezuela der einzige Staat, der mit der Emission des Petro im Jahr 2018 eine eigene Kryptowährung eingeführt hat, wenngleich weitere Länder sich intensiv mit dem Thema digitale Währungen befassen. 2019 erwogen etwa 80% der Zentralbanken weltweit die Emission einer eigenen Digitalwährung, allerdings nicht in Form einer Kryptowährung, sondern vielmehr als digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC). Ein bedeutendes Beispiel ist die Europäische Zentralbank, die ihre digitale Währung 2025 einführen möchte.

Etwa die Hälfte der Zentralbanken hat die Konzeptphase bereits hinter sich gelassen und konkrete Tests und Pilotprojekte angestoßen. China möchte im Februar 2022 – dem Jahr, in dem das Land Gastgebernation der Olympischen Winterspiele ist – eine staatliche Digitalwährung namens E-Yuan einführen. Die Bahamas sind seit der Einführung der digitalen Währung Sand Dollar Ende 2020 eines der am weitesten entwickelten Länder in diesem Bereich. Die Frage ist nun: Was genau sind digitale Währungen und bilden sie künftig ein neues Zahlungsmittel für den internationalen Handel?

Nicht alle digitale Währungen sind gleich

Es gibt zahlreiche Formen und Unterformen digitaler Währungen. Hier möchten wir uns auf die Hauptunterschiede zwischen Kryptowährungen und CBDC konzentrieren. Eine Kryptowährung ist eine Währung, die nicht von einer Zentralbank oder einer anderen staatlichen Institution, die ihren Wert sicherstellt, gestützt wird. Hierin liegt ein bedeutender Unterschied zur CBDC, die das digitale Gegenstück zu Bargeld ist und ebenso wie Bargeld eine Form von Schulden gegenüber der Zentralbank darstellt. Folglich beruht die Akzeptanz von Kryptowährungen ausschließlich auf dem Vertrauen der Nutzer in die Technik und – sofern sie angebunden sind – in das private Unternehmen, das die Anbindung sicherstellt. Im Gegensatz zur CBDC richtet sich dieses Vertrauen nicht nach dem Vertrauen in eine Zentralbank.

Wie gelingt es also einer Kryptowährung, Vertrauen zwischen Nutzern herzustellen? Kryptowährungen benötigen die Distributed-Ledger-Technologie, wie z.B. eine Blockchain für die Erstellung eines Ledgers (im Grunde eine geteilte Datenbank), der in einem Netzwerk verwaltet wird. Um zu gewährleisten, dass die gleiche Kryptowährung nicht doppelt ausgegeben wird, verifiziert und validiert jedes Mitglied des Netzwerks die Transaktionen mithilfe von Verfahren aus der Computertechnik und Kryptografie. Wenn unter den Mitgliedern des Netzwerks ein dezentraler Konsens besteht, wird die Transaktion dem Ledger hinzugefügt, in dem eine vollständige Historie der Transaktionen verzeichnet ist.

Im Gegensatz zur CBDC können Kryptowährungen also nicht von einer Zentralbank oder staatlichen Institution beeinflusst werden, sie sind aber auch nicht als Schulden gegenüber einer staatlichen Institution zu sehen. Gleichzeitig bestehen sowohl von Kryptowährungen als auch von CBDCs zahlreiche potenzielle Unterformen. So kann es bei CBDCs Unterschiede hinsichtlich der zugrunde liegenden Technik (z.B. Verwendung einer Blockchain) und ihres Zwecks geben (ein „sicherer Hafen“ im Falle einer Bankenkrise, ein geldpolitisches Instrument usw.). Kryptowährungen können sich verschiedener Techniken bedienen und haben unterschiedliche beabsichtigte Verwendungszwecke (z.B. Tauschmittel, Spekulationsmöglichkeit, Schutz gegen Inflation usw.).

Warum untersuchen Zentralbanken die Nutzung von CBDCs anstelle von Kryptowährungen?

2018 vereinbarten Russland und Iran für ihre wechselseitigen Handelsbeziehungen die Verwendung von Kryptowährungen, da diese eine Möglichkeit bieten, die US-Sanktionen zu umgehen. Da nahezu alle in US-Dollar abgewickelten Transaktionen über die USA laufen, können Transaktionen mit Einrichtungen, gegen die von US-Behörden Sanktionen verhängt wurden, blockiert oder abgewiesen werden, auch bei Verträgen, die ausschließlich Russland und Iran betreffen. Im Gegensatz zur Verwendung anderer Währungen wird darüber hinaus beim Transfer von Kryptowährungen das weltweit größte Nachrichtensystem für elektronische Zahlungen Swift umgangen; Swift arbeitete in der Vergangenheit mit den USA zusammen, um die Wirksamkeit von Sanktionen zu stärken. Vor Kurzem sind auch namhafte Unternehmen, darunter große Zahlungsdienstleister (Visa und Mastercard) und Paypal, dazu übergegangen, mit Kryptowährungen verbundene Produkte zu akzeptieren oder anzubieten.

Die Einführung von neuen CBDCs mag daher unnötig erscheinen, doch verschiedene Faktoren sprechen dafür, dass digitales Zentralbankgeld größere Chancen hat, sich als tatsächliches Zahlungsmittel durchzusetzen:

  • Erstens ist die gesamte Marktkapitalisierung, ungeachtet des jüngsten Interesses an Kryptowährungen, nach wie vor geringer als bei großen Unternehmen und gemessen an der Größe der globalen Kapitalmärkte vergleichsweise niedrig. Außerdem wird die Verwendung von Kryptowährungen als Tauschmittel durch die recht geringe Zahlungsakzeptanz erschwert.
  • Zweitens gibt es weiterhin zahlreiche Probleme in Verbindung mit der Akzeptanz von Kryptowährungen als Zahlungsmittel, wie z.B. Kundenschutz (Datenschutz und Sicherheit), Einhaltung der Gesetze und Vorschriften der jeweiligen Länder (etwa in Bezug auf Steuern) sowie Missbrauch für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (infolge der Pseudoanonymität vieler Kryptowährungen). Diese Problematik hat in einigen Ländern sogar zu einem Verbot von Kryptowährungen geführt.
  • Drittens ist die Verwendung von Kryptowährungen in großen Mengen nicht effizient, da sie bedingt durch die zugrunde liegende Blockchain-Technik relativ langsam sind und eine hohe Rechenleistung erfordern. Dies führt außerdem zu einem extrem hohen Energieverbrauch; verschiedenen Schätzungen zufolge verbraucht das gesamte Bitcoin-Netzwerk in einem Jahr mehr Energie als Länder wie Schweden oder Ukraine.

Die wahrscheinlich größte Herausforderung liegt allerdings in der Volatilität der Kryptowährungen selbst. Sie werden derzeit nur in geringem Maße gehandelt und sind wenig liquide, was zu erheblichen Wertschwankungen führt; das macht sie interessant für Spekulanten, weniger jedoch für den Handel. Die Grafik zeigt die jährliche Schwankung des Bitcoins gegenüber dem US-Dollar (letztes Update: 25. Mai 2021).

Da die jährlichen Schwankungen erheblich sind, kann die Währung innerhalb eines Monats 50% an Wert gewinnen oder verlieren. Gleichzeitig befinden sich Kryptowährungen in einem kontinuierlichen Innovationsprozess: So sollen sogenannte Stablecoins die extremen Wertschwankungen beheben, indem sie an reale Vermögenswerte wie gesetzliche Zahlungsmittel oder Gold gebunden werden. Da Kryptowährungen sich zur Lösung dieser Probleme ständig weiterentwickeln, liegt es im Interesse von Regierungen, staatlich abgesicherte digitale Währungen einzuführen, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass gesetzliche Zahlungsmittel von privaten Kryptowährungen ersetzt werden.

Mit CBDCs würde die von der Abhängigkeit von rein privaten Zahlungssystemen ausgehende Gefahr für die finanzielle Stabilität zurückgehen und darüber hinaus könnten CBDCs, so zumindest die Theorie, den Zentralbanken einen größeren Einfluss auf die Geldpolitik ermöglichen. Momentan erhöht eine Zentralbank den Zinssatz in der Hoffnung, dass die Kreditverfügbarkeit der Banken zurückgeht und sich dies wiederum auf die Realwirtschaft auswirkt. Je nach Form, die von der Zentralbank gewählt wird, könnte eine CBDC die Realwirtschaft direkt beeinflussen, etwa mit negativen Zinsen auf den Konten der Zentralbank. Eine Regierung könnte sogar das Handeln ihrer Bürger beeinflussen, indem positives Verhalten mit einem sofortigen Zuwachs an Digitalwährung belohnt wird, während unerwünschtes Verhalten zu einer umgehenden Reduzierung führt.

CBDCs als Zahlungsmittel im internationalen Handel?

Viele der aktuellen CBDC-Projekte und -Pilotversuche richten sich vornehmlich auf den Heimatmarkt. In erster Linie wird jede CBDC für inländische Nutzer und das inländische Zahlungssystem entwickelt; so ist die kürzlich eingeführte bahamaische digitale Währung Sand Dollar ausschließlich lokal verwendbar. Unterschiedliche rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen und Zahlungssysteme bilden für grenzüberschreitende Zahlungsvorgänge mit CBDCs erhebliche Hindernisse. Würden CBDCs auch für internationale Transfers verwendet werden, könnten diese dank der zugrunde liegenden Technik schneller, preiswerter und (für Personen mit eingeschränktem Zugang zu Finanzinstituten) integrativer als der heutige grenzüberschreitende Zahlungsverkehr sein.

Ein solcher Schritt erfordert allerdings weitergehende Überlegungen hinsichtlich des sicheren Funktionierens des internationalen Währungs- und Finanzsystems. So könnte die CBDC eines Staates die Geldpolitik und finanzielle Stabilität eines anderen Staates beeinflussen. Ein Beispiel hierfür wäre unerwünschte Volatilität von Wechselkursen. Denkbar wäre außerdem eine „digitale Dollarisierung“, wenn die digitale Währung neben oder anstelle der lokalen Währung eines anderen Landes verwendet wird; dies passiert meist, wenn die eigene Währung eines Staates aufgrund von Hyperinflation oder Instabilität ihre Zweckmäßigkeit als Tauschmittel verliert. Je nachdem, wie die Einführung von CBDCs umgesetzt wird, besteht des Weiteren die Gefahr, dass das digitale Zentralbankgeld für die Umgehung der im internationalen Zahlungsverkehr geltenden Gesetze und Vorschriften verwendet wird (z.B. Steuervermeidung oder Vermeidung von Kapitalverkehrskontrollen).

Allerdings suchen Zentralbanken nach Möglichkeiten, diese Probleme durch Kooperationen zu bewältigen. China geht mit der Entwicklung eines globalen Blockchain-basierten Servicenetzwerks (BSN) noch einen Schritt weiter, und im Februar 2021 wurde gemeldet, dass Swift mit dem Forschungsinstitut für digitale Währungen der chinesischen Zentralbank und der nationalen Clearingstelle Chinas ein Joint Venture gegründet hat. Das BSN plant die Einführung eines universellen digitalen Zahlungsnetzwerks, das die CBDCs verschiedener Länder unterstützen soll. Diese Initiative befindet sich zwar noch in der Konzeptionsphase, zielt jedoch darauf ab, ein standardisiertes Transfer- und Zahlungsverfahren für Digitalwährungen zu entwickeln, das künftig in internationalen Finanztransaktionen zentrale Bedeutung erlangen könnte.

Sollte ein solches Verfahren tatsächlich entwickelt und breit eingesetzt werden, könnte dies eine enorme Verschiebung der geopolitischen Gewichte zur Folge haben. Gegenwärtig verfügen die USA dank der weitverbreiteten Nutzung des US-Dollar über ein hohes Maß an Kontrolle über internationale Finanztransaktionen, doch wenn das chinesische BSN eingeführt und allgemein anerkannt wird, könnte China ähnlichen Einfluss gewinnen. Der Gedanke ist nicht abwegig, da die USA betont haben, nicht unter allen Umständen als Erstes eine eigene CBDC einführen zu wollen (obgleich die Regierung Biden CBDCs kürzlich als Priorität bezeichnete).

Die internationale Bedeutung einer chinesischen CBDC könnte in Afrika am stärksten zutage treten: Hier bieten sich für die Digitalwährung weitreichende Entwicklungsmöglichkeiten, da viele Volkswirtschaften nur eingeschränkten Zugang zu Finanzinstituten aufweisen, sich dank der Vernetzung über Mobilgeräte jedoch zunehmend dem digitalen Zahlungsverkehr öffnen. Gleichzeitig wird viel davon abhängen, wie die CBDC und die damit verbundenen Vorschriften ausgestaltet werden (so unterliegt der Yuan Kapitalverkehrskontrollen).

Einstweilen wird die Verwendung des digitalen Zentralbankgelds auf lokale Märkte beschränkt bleiben, doch in fernerer Zukunft dürften CBDCs als Zahlungsmittel im internationalen Handel zunehmend an Bedeutung gewinnen. Länder, die in der Lage sind, eine international anerkannte Digitalwährung zu emittieren oder ein universelles digitales Zahlungsnetzwerk zur Unterstützung der CBDC anderer Länder einzuführen, könnten von ihrer Vorreiterrolle profitieren (sofern die Verwendung von CBDCs im internationalen Handel realisiert werden kann). Am Ende dieser Entwicklung könnte sogar eine geopolitische Verschiebung der Finanzmacht zu Ungunsten der USA stehen, wenn einem anderen Staat die Einführung einer weithin akzeptierten CBDC als Erstes gelingt.

Ausführliche Länderberichte finden Sie auf der Seite www.credendo.com.

k.koch@credendo.com

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