Es stellt sich die Frage, ob Produzenten in der EU ohne Weiteres ausländische Mitarbeiter einstellen dürfen, wenn diese Zugang zu gelisteter EU- oder US-Technologie haben (z.B. in elektronischer Form). In welchen Fällen wird es hier zu einer Genehmigungspflicht beim BAFA oder beim BIS (Bureau of Industry and Security) kommen? Gerade im US-Exportrecht stellen sich hier schwierige rechtliche Fragen.

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Ausgangsfall: D in Deutschland überlegt, den Iraner I (mit iranischer Staatsbürgerschaft) als Mitarbeiter einzustellen. I ist 1990 geboren; es ist unklar, seit wie vielen Jahren er in Deutschland lebt. In der Abteilung, in der I tätig werden soll, hätte er einen Internetzugriff zur Technologie von Rüstungsgütern (Position 0022) und von US-Flugzeugbauern (9E610). Im Team selbst gibt es keine US-Personen.

Abwandlungen: Was würde sich ändern, wenn es stattdessen um einen der folgenden ausländischen Mitarbeiter geht: (1) den Russen R, (2) den Zyprioten Z oder (3) den Franzosen F?

Technische Unterstützung und deemed Re-Export

Nach deutsch-europäischem Exportrecht geht es hier um technische Unterstützung. Dadurch, dass dem ausländischen Mitarbeiter praktische Kenntnisse von D weitergegeben werden oder dass ihm der Internetzugriff zu gelisteter Technologie eingeräumt wird, liegt eine technische Unterstützung von D an den Ausländer vor. Diskutabel wäre, hierin nur dann keine technische Unterstützung zu sehen, wenn dem ausländischen Mitarbeiter keine Kenntnisse weitergegeben werden und wenn zusätzlich der Internetzugang zur gelisteten Technologie für ihn gesperrt werden könnte, sodass er keine Zugriffsmöglichkeit mehr hat.

Denkbar wäre auch, in der Internet-zugriffsmöglichkeit auf gelistete Technologie die Ausfuhr gelisteter Technologie wegen der Bereitstellung solcher Technologie zu sehen. Solange es um einen Vorgang geht, der sich allein in Deutschland abspielt, dürfte keine „Ausfuhr“ vorliegen. Also geht es allein um technische Unterstützung.

Nach US-amerikanischem Exportrecht geht es hier um einen sog. deemed Re-Export: Wenn die Technologie von D an einen Ausländer übergeben wird, wird so getan, als ob es um einen Export an den Heimatstaat des Ausländers ginge. Hier stellen sich schwierige Rechtsfragen, unter welchen Voraussetzungen immer ein Re-Export vorliegt, wann er ausscheidet und in welchen Fällen er genehmigungspflichtig ist.

Ausgangsfall nach EU-Exportrecht

Genehmigungspflicht: Hier wird die technische Unterstützung nicht gegenüber einem der privilegierten Ausländer (EU-Bürger und Staatsangehörige aus den EU001-Staaten) erbracht. Diese technische Unterstützung im Inland gegenüber einem solchen Ausländer wäre nach § 51 AWV genehmigungspflichtig, wenn Anhaltspunkte für eine militärische Endverwendung in einem EU-Waffenembargo-Land bestehen. Hier geht es um die Technologie von Rüstungsgütern, sodass eine militärische Verwendungsmöglichkeit besteht; und da der Iran zu den EU-Waffen­embargo-Ländern gehört, wäre diese technische Unterstützung an einen Iraner genehmigungspflichtig.

Dies setzt allerdings weiter voraus, dass I als Ausländer anzusehen ist. Nach der Regelung in § 51 Abs. 5 AWV wäre dies nur dann der Fall, wenn sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland auf höchstens fünf Jahre begrenzt ist. Hätte I hingegen ein unbeschränktes (oder mehr als fünfjähriges) Aufenthaltsrecht für Deutschland, wäre er nicht mehr als „Ausländer“ anzusehen. Nur in diesem Fall würde die Notwendigkeit entfallen, eine BAFA-Genehmigung einzuholen. Sollte sein Aufenthaltsrecht auf maximal fünf Jahre begrenzt sein, muss eine BAFA-Genehmigung eingeholt werden.

Ausgangsfall nach US-Exportrecht

Nach General Prohibition 2 wäre eine US-Genehmigung erforderlich, wenn die Technologie reexportiert würde und sich auf Güter bezieht, bei denen mehr als minimal gelistete US-Komponenten inkorporiert sind und bei denen der Kontrollzweck hinter der Listung der US-Komponenten für das Endbestimmungsland sensitiv ist.

Es müsste ein Re-Export vorliegen. Dies wäre nach § 734.14b EAR (Export Administration Regulations) der Fall, wenn eine „Technologie, die Gegenstand der EAR-Jurisdiktion ist, außerhalb der USA übertragen wird, und zwar an eine ausländische Person“ eines anderen Landes als dem, in dem die Übertragung stattfindet. Dies wäre ein deemed Re-Export an das Land, in dem der Ausländer Staatsangehörigkeit oder Daueraufenthaltsrecht besitzt.
Zu diesen Voraussetzungen: Der Tatbestand „außerhalb der USA“ liegt hier vor, da die Produktion auf dem Territorium Deutschlands stattfindet. Der Iraner I ist eine „ausländische Person“, weil darunter alle Nicht-Amerikaner fallen.

Es müsste noch um Technologie gehen, die „Gegenstand der EAR-Jurisdiktion“ ist. Dies ist nach § 734.3 EAR u.a. dann der Fall, wenn sich die Technologie auf Güter made in Europe bezieht, die mehr als minimal kontrollierte Güter inkorporiert haben. Hier ist in den Gütern von D, die made in Europe sind, eine US-Komponente enthalten, die auf 9A610 bzw. 9E610 gelistet ist. Für diese Güter besteht eine Minimalgrenze von 25%; wenn es allerdings um einen Export in ein D:5-Land (Liste der US-Waffenembargoländer) bzw. in ein E:1/E:2-Land (vier Terrorunterstützerstaaten) oder nach China geht, ist für diese Güter die Minimalgrenze im Zweifel 0%. Da der Iran zu den D:5-Ländern gehört, dürfte die Minimalgrenze hier 0% betragen. Daher reicht es, wenn die US-Komponente nur einen US-Wertanteil von 0,0001% hätte. Daher ist diese Technologie „Gegenstand der US-Jurisdiktion“.

Ausnahmen vom US-Re-Export: Nach § 734.20b EAR werden solche Re-Exporte von einem Unternehmen, das berechtigt ist, diese US-Technologie zu nutzen, nicht als „Re-Export“ angesehen, wenn die Übermittlung allein in einem Land (z.B. in Deutschland) transferiert wird – und zwar gegenüber festen Mitarbeitern von D, die ausschließlich aus einem A:5-Land stammen. Zu den A:5-Ländern zählen derzeit 37 Länder, nämlich 25 der 27 EU-Länder (alle EU-Mitglieder außer Malta und Zypern), drei EFTA-Länder (Norwegen, Island, Schweiz), sieben OECD-Länder (Australien, Kanada, Japan, Südkorea, Neuseeland, UK, Türkei) sowie Argentinien und Indien. Der Iran gehört nicht zu den A:5-Ländern; daher besteht hier in der Regel keine Ausnahme vom US-Re-Export.

Gegenüber Nicht-A:5-Ländern würde nur in Ausnahmefällen ein Re-Export ausscheiden, v.a. wenn hier sehr umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen entsprechend dem „foreign vetting“ nach § 126.18 ITAR stattfinden würden, was aber umfassenden rechtlichen Bedenken u.a. nach EU-Datenschutzrecht begegnet (vgl. unseren Beitrag in Export-Manager 5/2012).

Deemed Re-Export ins Ausland: Hierfür ist auf Staatsangehörigkeit oder Daueraufenthaltsrecht von I abzustellen. Seine Staatsangehörigkeit ist iranisch – das spricht für einen deemed Re-Export in den Iran. Nur wenn I ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland erworben hätte, könnte man u.U. einen deemed Re-Export hier ausschließen. Ohne ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland wäre dies ein deemed US-Re-Export in den Iran.

Der Kontrollzweck hinter 9A610 bzw. 9E610 ist vor allem NS(National Security-)Säule-1; für diesen Kontrollzweck sind alle Länder der Welt (außer Kanada) sensitiv. Daher besteht hier im Zweifel für diesen deemed US-Re-Export in den Iran eine US-Genehmigungspflicht.

Abwandlungen nach EU-Exportrecht

Soweit es um den Russen R geht, gibt es keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem Iraner I: Russland gehört nicht zu den privilegierten EU-Mitgliedern und EU001-Ländern; stattdessen handelt es sich um ein EU-Waffenembargo-Land, sodass auch hier eine BAFA-Genehmigungspflicht besteht. Da Zypern eines der 27 EU-Mitglieder ist, führt die technische Unterstützung an den Zyprioten Z nach EU-Recht nicht zu einer Genehmigungspflicht. Entsprechendes gilt für den Franzosen F.

Abwandlungen nach US-Exportrecht

Russland ist ein D:5-Land (US-Waffenembargo-Land). Wenn R kein Daueraufenthaltsrecht für Deutschland erworben hat, würde es um einen deemed Re-Export nach Russland gehen. Hierfür gilt bzgl. Gütern nach 9A610/9E610 die 0%-Minimalgrenze, sodass immer eine Genehmigungspflicht des BIS bestehen wird. Beim Franzosen F scheidet ein deemed Re-Export (nach Frankreich) aus, weil Frankreich ein A:5-Land ist. Erstaunlich gegenüber dem EU-Exportrecht ist aber die unterschiedliche Behandlung eines deemed Re-Exports nach Zypern durch das US-Exportrecht: Denn Zypern ist zwar ein EU-Mitglied, es zählt aber nicht zur Liste der A:5-Staaten, sondern im Gegenteil: Es gehört zur Gruppe der US-Waffenembargo-Länder nach D:5. Wenn Z kein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland erworben hat, ist im Zweifel für diesen deemed Re-Export nach Zypern eine US-Genehmigung erforderlich!

Resümee

Etwas vereinfacht kann man Folgendes schlussfolgern:

• Nach deutschem/EU-Exportrecht führt die technische Unterstützung eines Unternehmens in Deutschland gegenüber einem Ausländer aus einem der EU-Mitglieder oder einem der EU001-Länder grundsätzlich nicht zur Notwendigkeit einer BAFA-Genehmigung. Gegenüber sonstigen Ausländern besteht diese nur dann nicht, wenn sie ein Daueraufenthaltsrecht (oder ein mindestens fünfjähriges Aufenthaltsrecht) für Deutschland erworben haben. Ansonsten wird in der Regel die Notwendigkeit bestehen, für diese technische Unterstützung eine BAFA-Genehmigung einzuholen, wenn Anhaltspunkte für eine sensitive Verwendung (im Kontext mit ABC-Waffen: weltweit; im Kontext mit militärischer Verwendung: an EU-Waffenembargo-Länder; im Kontext mit Nuklearanlagen: an nuklear-sensitive Länder) bestehen.

• Nach US-Exportrecht darf gegenüber Ausländern aus den zurzeit 37 Ländern der A:5-Gruppe grundsätzlich Technologie (ohne US-Genehmigung) ausgetauscht werden, weil dies zumindest nach den EAR keinen US-Re-Export darstellen wird. Vorsicht muss man aber walten lassen, wenn es um einen Doppelstaatler geht, bei dem eine der zwei Staatsangehörigkeiten außerhalb der A:5-Gruppe liegt. Wenn es um Ausländer aus den zurzeit 23 US-Waffenembargo-Ländern (D:5-Länder) geht, wird relativ häufig eine US-Genehmigungspflicht bestehen.

Wenn nicht verhindert werden kann, dass ein ausländischer Mitarbeiter Zugriff auf gelistete Technologie erhält, wird dies im Ergebnis zu dem erstaunlichen Resultat führen, dass schon seine Einstellung zu einer Genehmigungspflicht durch BAFA oder BIS führen kann, nämlich wegen technischer Unterstützung bzw. wegen deemed Re-Exports.

Wegen aktueller Hinweise zum US-Exportrecht vgl. HIER und zum EU-Exportrecht vgl. HIER

 

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