Weltweit verschärft sich die Energiekrise durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Während Japan nach kreativen Ansätzen zur Energiegewinnung sucht, bemühen sich Europa und Deutschland um Innovationen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Lösungen für die globale Energieknappheit werden dringend gesucht.

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Der Frühling hat zwar lange auf sich warten lassen, aber trotzdem versuchte Japan, in Sachen Energiekrise so „cool“ wie möglich zu bleiben. Der üppige Schnee im Norden Japans soll nun nicht mehr nur noch Touristenmassen anlocken, sondern die Nachhaltigkeit des japanischen Stromhaushalts verbessern. Ein neues Projekt in der nordjapanischen Präfektur Aomori soll aus den Schneemassen einen Energieträger machen. Dies wird Japans Energieproblem zwar nicht vom Tisch fegen, doch jede Innovation in puncto grüne regenerative Energien zählt. Schnee wird aufgrund seiner elektrostatischen Eigenschaften verstärkt als mögliche Energieressource gesehen. Die Präfektur ist dabei an dessen Temperatur interessiert.

Schnee im Schwimmbecken

In Aomori liegt jedes Jahr so viel Schnee, dass die Beräumung im vergangenen Haushaltsjahr Kosten von 5,9 Mrd Yen (ca. 41,8 Mio EUR) verursachte. Im Dezember 2022 hat sich das IT-Start-up Forte Co. mit der University of Electro-Communications in Tokio zusammengetan und ein verlassenes Schulgelände zum Energie-Testbereich umgewandelt. Ein Schwimmbecken wurde mit Isoliermaterial ausgekleidet und mit in diesem Winter frisch gefallenen Schnee befüllt, der sich durch die Isolierung bis ins Frühjahr gehalten hat. Auch über den Winter hinaus soll eine Lagerung ohne viel Energieaufwand möglich sein. Am Ende des Tests möchten die Kooperateure Energie gewonnen haben.

Im nächsten Schritt beschäftigen sich die Forschenden schließlich mit den Temperaturunterschieden zwischen Schnee und Umgebungsluft. Mit einer Flüssigkeit, die erst durch den Schnee gekühlt und dann von warmer Luft vaporisiert wird, soll eine Turbine betrieben werden, die Strom generiert.

Der nötige Gegenpol zum Schnee, die warme Luft, kann im Winter aus den in Japan reichlich vorkommenden heißen Quellen, sog. Onsen, bezogen werden. Onsen gibt es viele in Aomori, sodass die heiße Luft auf kurzen Wegen zu dem Schneelager befördert werden kann. So werden zwei in der Natur vorkommende regenerative Ressourcen kombiniert und öffnen für verschneite Regionen weltweit ganz neue Möglichkeiten – wenn nicht sogar einen neuen Industriezweig für Japan. „SNoWnsen Energy“ oder „ONSnow Energy“ sind als Markennamen bestimmt noch verfügbar.

Zurück zur Atomkraft

Solche Ideen rund um nachhaltige Stromerzeugung werden in Japan dringend benötigt. Nach der Katastrophe von Fukushima wurden die Atomkraftwerke abgeschaltet und durch fossile Brennstoffe ersetzt. Aktuell setzt die Regierung jedoch wieder auf die stärkere Nutzung von Nuklearenergie.

Die alten Reaktoren, die Japans Regierung wieder an das Stromnetz anschließen lässt, sorgen dabei für Empörung in der japanischen Bevölkerung. Das AKW Mihama erzeugt neuerdings wieder Strom, es gehört mit 46 Betriebsjahren zu den ältesten Atommeilern Japans. Zehn Jahre war der Reaktor, nach der Katastrophe von Fukushima, zuvor nicht am Netz.

27 ageschaltene Reaktoren sollen reaktiviert werden

Dieser Veteran unter den Reaktoren ist Teil eines Plans der japanischen Regierung, mit dem sie Stromengpässe verhindern will. Landesweit sollen 27 abgeschaltete Reaktoren wieder reaktiviert werden. Der Wiedereinstieg der Oldtimer könnte von Dauer sein. Denn in Japan kann die Laufzeit eines AKW einfach verlängert werden, wenn es die geltende Begrenzung von 40 Jahren erreicht hat. Es muss also nicht schließen. Tatsächlich ist die Aufhebung jeglicher Altersbeschränkung für Atomkraftwerke seitens der Regierung nicht auszuschließen – ebenso wenig der Bau neuer Anlagen. Anders scheint es auch nicht zu gehen, schließlich soll der Anteil der Atomkraft am japanischen Energiemix von aktuell etwa 7% auf mehr als 20% gesteigert werden.

Der Beitrag der Atomkraft in Japan zur Linderung der Energiekrise ist aktuell nur gering. Gerade mal zehn der ehemals
54 Reaktoren sind heute in Betrieb, davon liefern nur sieben nennenswerte Mengen Strom. Energieexperten halten die Regierungspläne für eine Rückkehr zur Atomkraft für unrealistisch. Regenerative Energieträger gewinnen hingegen immer mehr an Bedeutung, seit 2012 gibt es auch in Japan eine Einspeisungsvergütung für die Produzenten nachhaltiger Energien. Hier nimmt sich Japan nicht nur ein Beispiel an Deutschland, wo eine Einspeisungsvergütung bereits seit dem Jahr 2000 als Teil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gilt. Japan könnte sogar laut Expertenschätzungen in absehbarer Zeit das Doppelte der aktuell nuklear erzeugten Energie aus regenerativen Quellen gewinnen. Damit wäre die Kraft des Atoms dann redundant für Japan.

Patentes Deutschland

Japan wiederum ist in puncto Wasserstofftechnologie schon lange ein großes Vorbild für andere Industrieländer. Jetzt zieht die EU mit Patentanmeldungen für Wasserstoff nach, jede zehnte kommt aus Deutschland. Wasserstoff ist der Schlüssel auf dem Weg zur Klimaneutralität, er speichert grüne Energie und senkt Treibhausgasemissionen. Immer mehr Konzerne und Start-ups aus Europa und Deutschland arbeiten an Innovationen rund um Wasserstoff, was sich in den Patentanmeldungen widerspiegelt. Mit einem Anteil von 28% an wasserstoffbezogenen Patenten in den Jahren 2011 bis 2020 liegt die EU vor Japan mit 24%.

Dabei ist zu beachten, dass Japan allein fast gleichauf mit allen EU-Ländern zusammen liegt. Damit ist Nippon also weiterhin weltweit führend, wenn es um Innovationen der Wasserstofftechnologie geht. Das hat das Europäische Patentamt (EPA) gemeinsam mit der Internationalen Energieagentur (IEA) in der aktuellen Studie „Wasserstoffpatente für eine Zukunft mit sauberer Energie“ festgestellt, die am 10. Januar erschienen ist und auf globalen Patentdaten basiert.

Dekarbonisierung hat noch weiten Weg vor sich

Die Hälfte aller in der Studie präsentierten Patente hat mit Wasserstofftechnologien zu tun. 11% stammen aus Deutschland und widmen sich der Energiespeicherung, -verteilung und -umwandlung. Während die Bundesrepublik eine Führungsrolle über die gesamte Wertschöpfungskette einnimmt und die Konzerne Linde, BMW, Airbus, ThyssenKrupp und BASF vorweggehen, sind die USA abgeschlagen. Der Innovationsbeitrag der Vereinigten Staaten hat sich seit 2014 knapp halbiert. Die IEA betont, dass Wasserstoff aus emissionsarmen Quellen das Potenzial hat, fossile Brennstoffe in den Branchen zu ersetzen, in denen ausreichend saubere Alternativen fehlen, wie etwa im Fernverkehr. Allerdings habe die Dekarbonisierung des Fliegens, der Stromerzeugung und des Heizens noch einen weiten Weg vor sich.

Mit Erfindergeist gehen Japan und Deutschland auf dem Weg zu grüner Energie voran. Aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen, die die ganze Welt beeinflussen, treffen auf die verständliche Ablehnung der Bevölkerung gegenüber Regierungsentscheidungen. In Japan wird der Wiedereinstieg in die Atomenergie kritisch gesehen, in Deutschland kam es Ende Januar wiederholt zu Protesten gegen den Braunkohleabbau von RWE in Lützerath. Der Bedarf an grünen Energien steigt unterdessen unaufhaltsam.

atashiro@schultze-braun.de

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