In Fortsetzung unseres Beitrags in der Ausgabe 9/2018 sollen heute neue Entwicklungen zur Abgrenzung zwischen Rüstungs- und Dual-Use-Gütern thematisiert werden. Reichen tatsächlich schon Design-Intent bzw. „konstruiert für Rüstungszwecke“ aus, um Güter als Rüstungsgut zu klassifizieren, wenn es dabei um Allerweltsgüter geht, die in jeder Baumaschine oder jedem Pkw enthalten sind?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall: D in Deutschland will bestimmte Güter an den Rüstungshersteller F in Frankreich liefern, der diese Teile in Militärfahrzeuge einbauen will. F hatte D gesagt, die von ihm gelieferten Teile seien allein schon deswegen keine Rüstungsgüter, weil sie relativ harmlos seien; so könnten sie in der Regel unverändert in ein rein ziviles Fahrzeug eingebaut werden. Jetzt kommen D aber doch Zweifel – u.a. deswegen, weil die Teile mit diesem Design-Intent und eigens für diesen Zweck gefertigt wurden und z.T. militärische Normen genannt werden. Die betroffenen Teile sind:

• Gut 1 bis 4: Steuergerät, um die Batterie vom Fahrzeug zu trennen; EMV-Filtereinheit, um Störungen im Fahrzeug zu filtern; Entstörfilter und Rundumkennleuchte

• Gut 5: eine LED-Warnleuchten-Anzeige

Braucht D für die Verbringungen nach Frankreich eine BAFA-Genehmigung?

Beurteilungskriterien: Grundsätzlich können v.a. die folgenden Kriterien für die Abgrenzung eines Rüstungs- von einem Dual-Use-Gut genutzt werden:

1. Design-Intent: Für welche Zwecke ist das Gut entwickelt worden?
2. Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit: Geht es um Katalogprodukte oder um eigens für diese Zwecke konstruierte Güter? Ein Sonderfall wäre eine Konfiguration für diese Zwecke (eine anforderungsorientierte Zusammenstellung von bei D standardmäßig vorhandenen Ausstattungsmerkmalen); die Konfiguration kann nicht als eine Konstruktion für diese Zwecke angesehen werden.
3. Technische Anpassungen: Hat das Gut technische Anpassungen, sodass eine Verwendung für Rüstungsgüter naheliegt?

Zuweilen wird hierzu auch darauf abgestellt, ob ein Gut überwiegend für Rüstungszwecke verwendet wird. Hierzu hat aber das BAFA klargestellt: Die überwiegende Verwendung eines Gutes für Rüstungszwecke hat nur Indizwirkung für das Kriterium „besonders konstruiert für militärische Zwecke“: Entscheidend sind eher seine Beschaffenheit, technische Anpassungen, Design-Intent und die Frage, ob eine Spezialanfertigung oder eine Katalogware vorliegt (vgl. unseren Beitrag in Ausgabe 9/2018).

Lösung Ausgangsfall

Hier dürften vor allem Beurteilungskriterien 1 und 2 für ein Rüstungsgut sprechen: Das Design-Intent war auf einen militärischen Zweck ausgerichtet. Es handelte sich auch nicht um Katalogprodukte, sondern um solche, die eigens für diesen Zweck konstruiert (und nicht nur konfiguriert) waren. Zur Frage, ob technische Anpassungen vorliegen: Der Umstand, dass in den technischen Unterlagen z.T. militärische Standards genannt werden, kann hier eine Rolle spielen, aber nur dann, wenn das Gut für diesen militärischen Standard angepasst werden muss bzw. angepasst wird.

Zumindest die Beurteilungskriterien 1 und 2 sprechen somit eher dafür, dass diese Teile als „besonders konstruiert für militärische Zwecke“ und somit als Rüstungsgüter anzusehen sind. Dass es hier um relativ harmlose Güter geht, die u.U. auch unverändert für rein zivile Fahrzeuge genutzt werden könnten, ist ein Punkt, der bisher allein im US-Exportrecht anerkannt ist. Für das BAFA ist das in der Regel kein Kriterium für die Frage, ob ein Rüstungsgut vorliegt, sondern allein ein solches für die Genehmigungsfähigkeit: Je harmloser ein Gut ist, umso eher wird die Genehmigung erteilt.

In einem BAFA-Bescheid vom April 2023 wurde von den fünf Teilen des Ausgangsfalls lediglich eines – nämlich die LED-Warnleuchten-Anzeige – als „besonders konstruiert für militärische Zwecke“ angesehen. Die übrigen vier Teile sind demnach nicht gelistete Dual-Use-Güter.

Der neue BAFA-Ansatz

Wenn es sich um Güter handelt, die in jeder Baumaschine und in jedem Pkw vorhanden sind oder sein können (das ist bei den Gütern 1 bis 4 zu bejahen), dann sind dies Grenzfälle und diese Güter nicht mehr zwingend kontrollbedürftig.

Dies gilt nicht, wenn es sich erstens um Güter handelt, die deutlich überwiegend vom Militär verbaut werden; dies ist aber bei einer EMV-Filtereinheit nicht der Fall (im Gegensatz etwa zum EMP-Schutz). Zweitens gilt dies auch nicht für Güter, die besonders prägend für den Rüstungs-Lkw sind, oder wenn es sich drittens um Teile handelt, die eine Funktion im Zusammenhang mit spezifisch militärischen Elementen (wie z.B. mit der Tarnbeleuchtung, vgl. Anmerkung 2 zu Position 0006 in der Ausfuhrliste) haben, wie das bei der LED-Warnleuchten-Anzeige (sie hatte eine technische Anpassung für einen Tarnmodus) der Fall war. Nur für das letztgenannte Gut ist dann als Rüstungsgut eine Verbringungsgenehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erforderlich.

Resümee

Dieser neue Ansatz des BAFA ist eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Beurteilungskriterien. Selbst wenn nach den üblichen Beurteilungskriterien ein Gut als „besonders konstruiert für militärische Zwecke“ anzusehen wäre, ist das Kriterium als Allerweltsgut ein mögliches Korrektiv, durch das die Rüstungsgüter-eigenschaft evtl. auch verneint werden kann, sofern keine der genannten Ausnahmen greifen.

Unseres Erachtens wäre es noch vorzugswürdiger, unmittelbar das Differenzierungskriterium aus dem US-Exportrecht zu entnehmen: Wenn ein Gut unverändert sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke verwendet werden kann, sollte es nicht als „besonders konstruiert für militärische Zwecke“ angesehen werden; für das BAFA ist dies aber gegenwärtig nur eine Frage bzgl. der Genehmigungsfähigkeit.

Wenn es sich um Allerweltsgüter handelt, die überall vorkommen, dann dürften bereits Gründe der Verhältnismäßigkeit dafür sprechen, nicht alle diese Güter als Rüstungsgüter anzusehen. Die bisherigen Beurteilungskriterien bleiben somit bestehen, werden aber um ein mögliches Korrektiv ergänzt, was zu einem vernünftigen Ergebnis führt.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER

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