Der Außenseiterkandidat Bernardo Arévalo errang im zweiten Wahlgang um das guatemaltekische Präsidentenamt einen klaren Sieg. Der Kampf gegen die Korruption ist ein zentrales Wahlversprechen, dessen Erfüllung sich allerdings als schwierig erweisen und mittelfristig zu Unruhen führen könnte.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Am 20. August fand in Guatemala die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Dabei handelte es sich um eine Stichwahl zwischen zwei Mitte-links-Kandidaten: Bernardo Arévalo vom Movimiento Semilla (Bewegung Saatkorn) und Sandra Torres von der Unidad Nacional de la Esperanza (Nationale Einheit der Hoffnung). Der Außenseiterkandidat Arévalo errang im zweiten Wahlgang um das guatemaltekische Präsidentenamt, den er überraschend erreicht hatte, einen klaren Sieg. Er soll am 14. Januar 2024 vereidigt werden.

Teils gewalltätige Oktober-Demonstrationen

Der Machtwechsel ist jedoch von Spannungen geprägt, und es gibt Bestrebungen, Arévalo an seinem Amtsantritt zu hindern. Auf Anordnung des mächtigen Generalstaatsanwalts wurden in den Büros des Movimiento Semilla Razzien durchgeführt – vorgeblich zur Untersuchung möglichen Wahlbetrugs. Gleichzeitig kommt es seit den – teils gewalttätigen – Oktober-Demonstrationen in ganz Guatemala immer wieder zu Straßenblockaden, bei denen die Menschen den Rücktritt des Generalstaatsanwalts fordern. Nach Arévalos Amtsantritt im Januar (von dem angesichts der internationalen Unterstützung des Wahlausgangs durch die USA und die EU nach wie vor ausgegangen wird) dürfte sich ein echtes Regieren als schwierig erweisen.

Arévalo hatte sich im Wahlkampf für die Bekämpfung von Korruption starkgemacht, die im zentralamerikanischen Land ein sensibles Thema ist. Guatemalas Position im Transparency-International-Index hat sich in den vergangenen zehn Jahren immer weiter verschlechtert: 2022 belegte das Land Platz 150 von 180, den es sich mit Staaten wie Afghanistan, Kambodscha und Libanon teilte. Wenn Arévalo sein Amt antritt, dürfte sein Kampf gegen die Korruption das Risiko erhöhen, dass von der Vorgängerregierung unterzeichnete Verträge auf den Prüfstand gestellt werden. Auch dem Umweltschutz, einem brisanten Thema in Lateinamerika, misst Arévalo größere Bedeutung bei. Strengere Vorschriften und einige Projektverzögerungen werden daher die Folge sein.

Hochgradig zersplitterter Kongress

Es bleibt abzuwarten, in welchem Maße Arévalo in der Lage sein wird, seine Wahlversprechen einzulösen. Seine Partei hat nur 23 von 160 Sitzen im Kongress und wurde am 2. November suspendiert. Obwohl die Suspendierung die 23 Sitze nicht aufhebt, könnte sie die Abgeordneten der Semilla im Kongress behindern, indem sie ihnen bspw. die Vertretung in Ausschüssen verweigert. Um in diesem hochgradig zersplitterten Kongress Gesetze zu verabschieden, wird der designierte Präsident somit gezwungen sein, Bündnisse einzugehen, was zur Verwässerung seiner Wahlversprechen führen könnte.

Darüber hinaus könnten sich die Institutionen weigern, mit Arévalo zu kooperieren, und so seine Politik zusätzlich schwächen. Folglich besteht die Gefahr, dass Wähler vom zähen Fortschritt bei der Korruptionsbekämpfung, einem zentralen Wahlversprechen, enttäuscht sein werden. Dies erhöht wiederum die Gefahr schwerer Unruhen und mittel- bis langfristig auch das Risiko politischer Gewalt (Kategorie 3/7).

Positive BIP-Wachstumsprognosen

Positiv zu vermerken sind die Prognosen für das reale BIP-Wachstum Guatemalas, das dieses Jahr bei 3,4% und nächstes Jahr bei 3,5% liegen soll. Gleichzeitig ist die Staatsverschuldung mit weniger als 30% des Bruttoinlandsprodukts auf einem relativ niedrigen Niveau (Stand: Ende 2022). Das robuste Wirtschaftswachstum in Verbindung mit dem haushaltspolitischen Spielraum wird zur Finanzierung der gestiegenen Sozialausgaben beitragen, die ein weiteres Wahlversprechen Arévalos darstellen.

Im aktuellen Kontext bleiben die politischen Risikobewertungen Guatemalas stabil. Das kurzfristige politische Risiko ist in der zweitniedrigsten Kategorie (2/7) eingestuft, da die kurzfristige Auslandsverschuldung gegenüber den Leistungsbilanzeinnahmen recht gering ist und das Land über einen starken Puffer an Währungsreserven verfügt (nahezu sieben abgedeckte Monatsimporte im August 2023).

US-Nearshoring wirkt positiv

Das mittel- bis langfristige politische Risiko des Landes befindet sich in Kategorie 4 von 7, was auf die erhöhte Auslandsverschuldung im Vergleich zu den Leistungsbilanzeinnahmen sowie die Abhängigkeit von Rücküberweisungen aus den USA zurückzuführen ist. Positiv zu erwähnen ist, dass kontinuierliche Investitionen aufgrund von Nearshoring-Maßnahmen der USA die Wirtschaft stimulieren könnten. Ein beschleunigter Klimawandel könnte ihr wiederum schaden, da die kleine Volkswirtschaft schon jetzt für Hurrikans und Dürren anfällig ist.

Ausführliche Länderberichte finden Sie auf der Seite www.credendo.com

j.schnorrenberger@credendo.com

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner