Das Vereinigte Königreich beabsichtigt, ein Single Trade Window (STW) einzuführen. Was sich dahinter verbirgt, wer dafür verantwortlich ist und welche Fallstricke es für Unternehmen gibt, beantwortet dieser Beitrag.

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Die britische Regierung plant infolge des Brexits, die eigenen Grenzkontrollen anzupassen, um „die globalen Governance-Anforderungen der Welthandelsorganisation (WTO) an heutige Grenzen sowie die Geschäftserwartungen der hiesigen und internationalen Unternehmen zu erfüllen“, so ihr genauer Wortlaut. Das Vereinigte Königreich will sich darauf schon heute vorbereiten und nutzt hierfür die neu hinzugewonnenen Brexit-Freiheiten aus. Laut der „Grenzstrategie 2025“ der britischen Regierung soll durch eine Vielzahl von Technologien „die effektivste Grenze der Welt“ geschaffen werden – vorneweg ein Instrument namens Single Trade Window (STW).

Wie definiert man eigentlich ein Single Trade Window?

Die Weltzollorganisation (WCO) definiert ein Single Window als „eine Einrichtung, die es den am Handel und Transport beteiligten Parteien ermöglicht, standardisierte Informationen und Dokumente an einer einzigen Eingangsstelle einzureichen, um alle regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit Import, Export und Transit zu erfüllen“.

Was macht das Vereinigte Königreich in Bezug auf das Single Trade Window?

Die britische Regierung hat 180 Mio GBP für den Aufbau eines STW an den eigenen Grenzen bereitgestellt. Es soll Handelskosten senken, indem es die Interaktionen zwischen Händlern und Grenz­behörden verbessert. Sobald es vollständig eingeführt ist, wird das Single Trade Window die einzige Anlaufstelle sein. So können die Unternehmen ihre Grenzformalitäten auf einem einzigen Portal erledigen. Konkret soll es an den Grenzen einen schnelleren und effizienteren Austausch von elektronischen Daten zwischen den verschiedenen staatlichen Stellen, die an der Warenabfertigung beteiligt sind, geben. Zoll und andere Behörden können dann automatisch überprüfen, ob die betreffenden Waren den UK-Anforderungen entsprechen und die erforderlichen Formalitäten erfüllt sind.

Ist das Single Trade Window eine bahnbrechende Konzeption?

Nein. Die britische „Grenzstrategie 2025“ setzt das STW nach seit Langem bekannten Empfehlungen und Richtlinien des Zentrums der Vereinten Nationen für Handelserleichterungen und elektronische Geschäftsprozesse (UN/CEFACT) um. Diese Standards legen Regeln fest, die den effektiven Informationsaustausch fördern und somit das globale Handelswachstum unterstützen. Länder wie Neuseeland, Kanada, die Schweiz und die Vereinigten Staaten haben die STW-Idee bereits für den internationalen Handel übernommen. Darüber hinaus haben viele EU-Länder ihr eigenes STW; die EU arbeitet sogar an einer Schnittstelle, um all diese nationalen Single Trade Windows zusammenzuführen.

Welche sind im Wesentlichen die Hauptvorteile eines STW?

Die Lieferung von Waren innerhalb des Vereinigten Königreichs durchläuft derzeit eine Reihe unterschiedlicher staatlicher Verfahren. Eine Vielzahl von Systemen muss derzeit Daten von Händlern und Zwischenhändlern erhalten, was teilweise zu Dopplungen sowie zu zusätzlichen Kosten und Problemen für Importeure und Exporteure führt.

Das STW ermöglicht es nun Importeuren, Exporteuren und Zollagenten, kontinuierlich alle erforderlichen Grenzdaten an einer Anlaufstelle bereitzustellen. Es wird beim STW also nur ein einziges Gateway verwendet, um die Daten an die Grenzbeamten zu übermitteln. Wichtiger Vorteil auf Händlerseite: Das STW überträgt der britischen Regierung die Verantwortung, den Datenaustausch zu forcieren, damit die Grenzbehörden die benötigten Informationen erhalten. Das bedeutet, dass der Nutzer nicht mehr gezwungen ist, dieselben Daten über verschiedene Portale an verschiedene Grenzbehörden oder Organisationen zu übermitteln.

Durch die Zentralisierung der Dateneingabe werden britische Importeure, Exporteure und Zollagenten weniger Verwaltungsaufwand haben. Auch kann ein besserer Datenaustausch zwischen den Regierungsstellen erfolgen. Unternehmen können darauf hoffen, dass das britische STW die Import- und Exportkosten senkt.

Kennen Sie schon CHIEG?

Der Vorläufer des STW wurde 2021 von der britischen Regierung als Dienst „Check how to import and export goods“ (CHIEG) eingeführt. Er stellt vollautomatisiert individuelle Beratung zu aktuellen Zöllen und Ursprungsregeln bereit. Darüber hinaus bietet CHIEG Informationen zum Erwerb erforderlicher Zertifizierungen.

Können Händler mit dem STW zukünftig selbst Zollanmeldungen ohne Agenten und Community System Providers (CSP) abgeben?

Die Regierung prüft, ob Händler oder Vermittler Grenzdaten direkt in das STW eingeben können. Derzeit können Unternehmen selbstständig keine Zollanmeldung abgeben. Englische Importeure benötigen vielmehr (teure) E-Zoll-Software, die über einen oder mehrere CSPs mit vielen Häfen verbunden ist. Auch die Nutzung des Hafeninventursystems verursacht Kosten. Derzeit ist jedoch auf diese Weise nur eine Kommunikation mit dem CDS-System des britischen Zolls möglich. CDS steht für Customs Declaration System, mit dem Zollanmeldungen offiziell abgegeben werden.

Wie kann das STW optimal genutzt werden?

Eine professionelle Ausbildung und ein umfassendes Verständnis der kodifizierten Regeln und der Rechtsvorschriften sind erforderlich, um das UK Single Trade Window und die anschließende Abgabe von Zollanmeldungen effektiv zu nutzen. Dies gilt insb. für die Zollwerte, Tarifklassifizierungen und Ursprungsregeln sowie Zollverfahren, von denen viele von den Mitgliedern der WTO und der WCO harmonisiert worden sind.

Um Importeure daran teilhaben zu lassen, müssen verschiedene Komponenten eingerichtet werden: Zunächst ist ein „Ökosystem des Vertrauens“ erforderlich, das alle Datenpunkte sicher verbindet, um die Zahl der Kontrollen zu reduzieren und die Eingaben von Importeuren und Exporteuren zu optimieren. Im folgenden Schritt ist eine elektronische Verschlüsselung durch ein elektronisches Siegel erforderlich, um Waren zu verfolgen und sicherzustellen, dass virtuelle und tatsächliche Daten übereinstimmen. Danach wird die Zollabfertigung noch beschleunigt, da Unternehmen zu „vertrauenswürdigen Händlern“ werden müssen. So können sie die Daten mithilfe elektronischer Dokumente übermitteln.

Fazit

Die britische Regierung hat Mittel für den Aufbau eines STW bereitgestellt, um die Interaktionen zwischen Händlern und Grenzbehörden zu verbessern. Es basiert auf den Empfehlungen und Richtlinien der UN/CEFACT. Das STW ermöglicht einen optimierten Datenaustausch zwischen Regierungsstellen, reduziert Benutzerre-dundanzen. Händler und Vermittler werden aller Voraussicht nach die Möglichkeit haben, Zolldaten direkt in das STW einzugeben. Um es effektiv zu nutzen, sind eine professionelle Ausbildung und ein umfassendes Verständnis der kodifizierten Regeln und Gesetze erforderlich.

Sobald das STW verfügbar ist und Unternehmen alle Vorteile nutzen können, dürfte es den Handel für Importeure und Exporteure erleichtern. Das wird auch der deutschen Wirtschaft auf unterschiedlichste Art und Weise im Handel mit Großbritannien helfen, z.B. durch einen geringeren Zeitaufwand für unnötige Aufgaben im Grenzhandel, eine Steigerung der Produktivität und mehr Transparenz im Zollsystem. Der weitaus signifikateste Vorteil des britischen STW wäre aber wohl die Anknüpfung an die Single-Trade-Window-Umgebung der Europäischen Union für den Zoll sowie die Vernetzung mit der zukünftigen EU-Zolldatenplattform. Dadurch können Handelsreibungen zwischen der EU und UK weiter abgebaut werden. Aber das bleibt wohl vorerst eine Utopie.

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