In der Landwirtschaft Nordafrikas schlummert viel Potenzial. Zum Teil werden die Felder dort noch mit ineffizienten Mitteln bewirtschaftet. Neue Technologien stammen überwiegend aus Deutschland. Doch auch mit anderen EU-Staaten unterhält der Maghreb immer mehr intensive Beziehungen.

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Der Agrarsektor setzt sich in den nordafrikanischen Ländern aus der Subsistenzlandwirtschaft und der Landwirtschaft zu kommerziellen Zwecken zusammen. Er ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Volkswirtschaften. So trägt die Agrarbranche in Tunesien 10,4%, in Algerien 12,3% und in Marokko 13% zum Bruttoinlandsprodukt bei – und leistet dort einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung sowie zur Devisenposition. Um den Agrarsektor zu einem noch bedeutenderen Faktor des Wirtschaftswachstums zu machen und so die sozialen Verhältnisse der Bevölkerung zu verbessern, haben die Maghreb-Länder verschiedene Programme aufgelegt sowie regionale und internationale Handelsabkommen geschlossen. Sie wirken sich bereits positiv auf die Entwicklung aus.

Dies gilt für Marokko, das seine landwirtschaftliche Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit verbessern konnte, insb. durch die Umsetzung der Regierungsstrategie „Grünes Marokko“ (Plan Maroc Vert, PMV) im Jahr 2008. Die institutionellen Reformen wurden durch ein Investitionsprogramm von mehr als 10 Mrd. EUR über einen Zeitraum von zehn Jahren (2008–2018) unterstützt. Diese Politik, die darauf abzielt, die Landwirtschaft zu einem effizienten Wirtschaftszweig zu machen, hat die Modernisierung der Bewässerungs- und Wasserwirtschaftsinfrastrukturen sowie den Ausbau der Produktionssektoren ermöglicht.

Marokko als führender Erzeuger und Exporteur von Obst und Gemüse

Aufgrund der positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen konnte sich Marokko zum führenden Erzeuger und Exporteur von Obst und Gemüse in der Region entwickeln. Auch in den anderen Maghreb-Ländern wurden verschiedene Programme zur Entwicklung der Landwirtschaft durchgeführt. Hierdurch stiegen Tunesien und Marokko bspw. zu den weltweit wichtigsten Erzeugern von Olivenöl auf. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die von den Maghreb-Ländern exportiert werden, sind Obst und Gemüse (Tomaten, Zitrusfrüchte) sowie Produkte aus dem Oliven- und Palmenanbau. Die wichtigsten Absatzmärkte für die landwirtschaftliche Produktion sind die Europäische Union, die Länder südlich der Sahara sowie der Nahe und Mittlere Osten.

Was die Einfuhren von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln betrifft, muss darauf hingewiesen werden, dass das derzeitige Getreideangebot der Maghreb-Länder eindeutig nicht ausreicht, um die dortige Nachfrage zu decken. Die Getreideeinfuhren hängen von der (stark von den Niederschlägen beeinflussten) Produktion im jeweiligen Land ab und können von einem Jahr zum anderen um den Faktor drei schwanken. Daher verwenden die Maghreb-Länder einen Teil ihrer Exporterlöse zur Deckung ihres eigenen Bedarfs an Agrar- und Nahrungsmittelimporten. Die wichtigsten Importprodukte sind Getreide (Weizen und Gerste), Pflanzenöle, Milch, Zucker und Ölsaaten. Die EU ist der Hauptlieferant von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln, wobei umgekehrt das Volumen der Ausfuhren in diese Länder tendenziell stärker zunimmt.

Neben den traditionellen Möglichkeiten für den Export von Betriebsmitteln (Dünger etc.), landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln in den Maghreb suchen Länder wie Marokko, Tunesien und Algerien nach technischen Partnern, um das Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu diversifizieren und die Aufbereitung und Verarbeitung bestehender Produkte zu verbessern (z.B. Oliven und ihre Nebenprodukte, Obst- und Gemüseverarbeitung).

Technologie aus Deutschland gefragt

Darüber hinaus stellt Nordafrika (Tunesien, Marokko, Algerien) aufgrund der staatlichen Industriepolitik, der Modernisierung der landwirtschaftlichen Ausrüstung und der Digitalisierung des Sektors einen interessanten Markt für europäische Unternehmen dar, die technologische Lösungen für die Modernisierung und Digitalisierung des Agrarsektors anbieten. Angesichts des technologischen Fortschritts in Deutschland sind hiesige Unternehmen in einer guten Position, um Handelspartnerschaften mit afrikanischen Betrieben einzugehen. Die strategische Lage der Region zwischen Europa, Afrika und dem Nahen Osten bietet zudem die Aussicht, neue Märkte für Handel und Investitionen zu erschließen.

Grafik zu den Marktanteilen ausgewählter Länder bei landwirtschaftlichen Maschinen.

Deutschland hat beim Export von landwirtschaftlichen Maschinen in die Maghreb-Staaten die Nase vorn. Weit abgeschlagen folgen die USA, China, Italien und Frankreich. © ExportPlanning.

Der Agrarsektor ist in Nordafrika zwar von großer Bedeutung, sieht sich aber mit verschiedenen Einschränkungen konfrontiert, die Wachstum und Weiterentwicklung behindern. Dazu gehört allen voran der Klimawandel, der zu veränderten Wettermustern, geringeren Niederschlägen und höheren Temperaturen führt. Dies wirkt sich schon heute erheblich auf die Verfügbarkeit von Wasser aus, das eine wesentliche Ressource für die landwirtschaftliche Produktion ist. Darüber hinaus wird die Wasserknappheit durch eine unzureichende Infrastruktur, einschließlich der Bewässerungssysteme, verschärft. Dies schränkt die Effizienz der Wassernutzung in der Landwirtschaft ein.

Die Region leidet zudem unter dem mangelnden Zugang zu Krediten, modernen Technologien und Beratungsdiensten. Dadurch wird die Fähigkeit der Landwirte eingeschränkt, neue landwirtschaftliche Techniken und Technologien zu übernehmen, wodurch sich wiederum Produktivität und Rentabilität verringern. Darüber hinaus haben die kombinierten Auswirkungen der Covid-19-Krise und des Krieges in der Ukraine den Zugang zu den Märkten vermindert sowie die Verfügbarkeit und den Preis von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln, Düngemitteln und Saatgut negativ beeinträchtigt. In der Folge sind die Versorgungsketten sowie die Produktivität und Rentabilität des Agrarsektors in den nordafrikanischen Ländern gestört.

Chancen im Agrarbusiness und bei Lebensmitteln

Um diese Herausforderungen zu überwinden, müssen die Investitionen in den Sektor erhöht werden – u.a. in Infrastruktur, Technologie und Beratungsdienste – und es müssen Geschäftspartnerschaften zwischen Unternehmen in der EU und in den Maghreb-Ländern gefördert werden. Angesichts der Entwicklungsstrategien und der Versuche, die Schwankungen auf den internationalen Märkten auszugleichen, bieten sich für die Maghreb-Länder zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten im Agrar- und Lebensmittelsektor an.

Das Know-how von Oddo BHF im Bereich der Handelsfinanzierung und sein Korrespondentennetz, das ganz Afrika abdeckt, ist ein Vorteil für europäische Exporteure und Investoren, die sich auf dem afrikanischen Markt engagieren möchten; dies kann durch Finanzierungsunterstützung und maßgeschneiderte Lösungen begleitet werden.

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