Modernisierungs- und Liberalisierungsprogramme haben in Äthiopien bereits zu relativ stabilem Wachstum geführt. Nun könnten der geplante WTO-Beitritt und die enge Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds der Wirtschaft weitere positive Impulse geben und das Land am Horn von Afrika für ausländische Investoren noch interessanter machen. Insbesondere in den ­Bereichen Energie, Bildung und Infrastruktur stehen große Investitionen an.

Von Sia H. Mehr, Financial Institutions – ­Emerging Markets, Senior Regional Manager, BHF-BANK

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Seit dem Ende des kommunistischen Regimes 1991 hat sich Äthiopiens Wirtschaft von einer Planwirtschaft zu einer relativ offenen Wirtschaft gewandelt. In den vergangenen Jahren hat das Land in wirtschaftlicher Hinsicht einen enormen Sprung gemacht und kann konstante Wachstumsraten von rund 7% p.a. vorweisen. Die Regierung investiert zunehmend in die Infrastruktur, und ausländische Unternehmen fassen Fuß in Äthiopien. Privatunternehmen sind in fast allen Bereichen zugelassen, jedoch verschaffen sich staatliche Unternehmen weiterhin großen Einfluss auf die Wirtschaft des Landes.

Trotz der relativen politischen Stabilität des Landes kommt es gelegentlich zu sozialen Spannungen unter den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen, die jedoch bislang durch Gespräche gelöst worden sind. Mit dem Nachbarland Eritrea gibt es sporadisch Grenzstreitigkeiten, und in Somalia unterstützen äthiopische Soldaten die „African Union Mission“, die dem dortigen Bürgerkrieg Einhalt gebieten soll.

Wachstums- und Transformationsplan bringt neue Impulse

Derzeit hat Äthiopien rund 92 Millionen Einwohner. 2050 könnte das Land zu den zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gehören. Noch immer leben rund 30% der äthiopischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Vor allem Menschen auf dem Land verfügen über nur geringe Einkommen. Eine Privatwirtschaft existiert in Äthiopien nur begrenzt.

Um die Armut im Land zu bekämpfen und das Wirtschaftswachstum weiter zu fördern, hatte die äthiopische Regierung 2010 einen zunächst auf fünf Jahre angelegten Wachstums- und Transformationsplan entwickelt. In einer zweiten Phase, die bis 2020 andauern wird, sollen nun weiterhin mittels Regierungsinvestitionen der Wirtschaft neue Impulse gegeben werden. Insbesondere in den Bereichen Energie, Bildung und Infrastruktur stehen große Investitionen an. So sollen der Bau von Wasserkraftwerken und die damit verbundene Erweiterung der Kapazitäten zur Stromerzeugung und des Stromexports in die Nachbarländer für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen.

Auch in der Landwirtschaft, in der verarbeitenden Industrie, im Handel und im Tourismus setzt Äthiopien auf Wachstum und hat Investoren aus China, Indien und Saudi-Arabien gewonnen. Die Landwirtschaft befindet sich in einer Phase der Kommerzialisierung und Industrialisierung. Die Hauptstadt Addis Abeba entwickelt sich zunehmend zu einem modernen Zentrum für Handel, Tourismus und zu einem wichtigen Tagungsort. Der Flughafen ist Knotenpunkt für regionale und internationale Flüge.

Übergeordnetes Ziel des Wachstums- und Transformationsplans ist es, Äthiopien bis 2025 zu einem „middle-income country“ zu machen. Unterstützung erhält Äthiopien von mehreren Geberländern und internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, die dem Land seit mehreren Jahren Finanzhilfe, vor allem zum Aufbau der Infrastruktur, gewähren.

Äthiopien beginnt mit ­internationaler Ausrichtung

Der Internationale Währungsfonds arbeitet eng mit der äthiopischen Regierung zusammen, um das Land bis 2017/2018 für einen Beitritt zur World Trade Orga­nization vorzubereiten. So soll die äthiopische Regierung die freie Marktwirtschaft einführen, staatliche Betriebe ­privatisieren und den Handel weiter liberalisieren. Internationale Investoren erhalten Lizenzen zum Einstieg in den äthiopischen Markt. Insbesondere chinesische Firmen errichten zunehmend Produktionsstandorte in Äthiopien – aufgrund von Steuererleichterungen vor allem in eigens dafür vorgesehenen „Industrial Zones“. Darüber hinaus soll sich der äthiopische Bankensektor für internationale Banken öffnen.

Äthiopiens Bemühungen fanden bereits Anerkennung. So haben alle drei großen Ratingagenturen das Land im Mai 2014 erstmals mit B– bzw. B1, Ausblick stabil, bewertet. Positiv hervorgehoben wurden das starke Wirtschaftswachstum, die moderate Finanzstärke und die relativ geringe Schuldenlast. Negativ gesehen wird das nach wie vor geringe BIP pro Kopf. Mit der Ausgabe von eigenen Staatsanleihen in Höhe von 1 Mrd USD bei zehn Jahren Laufzeit war Äthiopien 2014 zum ersten Mal an den internationalen Finanzmärkten präsent. Die Ratings verschaffen der äthiopischen Regierung nun auch die Voraussetzung, einen Eurobond zu emittieren. Auch die Einordnung Äthiopiens im „Doing Business Index“ der Weltbank auf Platz 148, im Vergleich zu Platz 189 im Vorjahr, honoriert die Maßnahmen des Landes zur wirtschaftlichen Entwicklung.

Geschäftschancen für deutsche Unternehmen

In der von den klimatischen Verhältnissen und den volatilen Weltmarktpreisen für Lebensmittel abhängigen Landwirtschaft sind 85% der äthiopischen Bevölkerung beschäftigt. Die wichtigsten Produkte sind Kaffee, Schnittblumen und Zuckerrohr. Neben dem Agrarsektor werden in Äthiopien Bergbau, Tourismus und der Energiesektor gefördert und ausgebaut.

Dabei hat der Bau von Wasserkraftwerken Priorität, um zum einen den zunehmenden Energiebedarf des Landes zu decken und zum anderen Strom in die Nachbarländer exportieren zu können. Äthiopien führt bereits Strom nach Dschibuti, in den Jemen und in den Sudan aus und plant, zeitnah zum wichtigsten Stromexporteur in der Region aufzusteigen.

Weitere Exportgüter Äthiopiens sind Textilien, Ölsamen, Hülsenfrüchte, Lederprodukte und Gold. Die wichtigsten Exportdestinationen sind China, Saudi-Arabien und die USA. Deutschland liegt bei den Abnehmern äthiopischer Produkte auf Platz 5.

Im Gegenzug ist Äthiopien stark auf Importe technologischer Produkte wie Maschinen, Chemikalien und Kraftfahrzeuge angewiesen. Hier zählen China, Saudi-Arabien und Indien zu den größten Lieferanten. Aber auch zu Deutschland bestehen traditionell gute Beziehungen, nicht zuletzt aufgrund der Zusammenarbeit der Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen im humanitären Bereich.

Insbesondere für den deutschen Mittelstand bestehen somit gute Chancen, von der Wirtschaftsentwicklung Äthiopiens zu profitieren, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Transport, verarbeitendes Gewerbe und Infrastruktur. Zudem birgt das Land mit 92 Millionen Einwohnern und einer stärker werdenden Mittelschicht vielfältige Geschäftsmöglichkeiten im Konsumsektor. Interessierte deutsche Unternehmer sollten das Land im Auge behalten und Chancen gezielt nutzen. Wichtig ist es, einen kompetenten Bankpartner zu haben, der wertvolle Kontakte zu lokalen Unternehmen oder auch den staatlichen Banken knüpfen kann. Die BHF-BANK verfügt in diesem Bereich über langjährige positive Geschäftserfahrung.

Fazit

Mit relativer politischer Stabilität ist Äthiopien seit einigen Jahren auf Wachstumskurs. Die stabilen Wachstumsraten von 7% sind auf den Exportsektor und auf die Verbesserung der Infrastruktur und der Bildung zurückzuführen. Steigende Auslandsinvestitionen und geplante staatliche Investitionen im Landwirtschafts- und Energiesektor werden die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiterhin positiv beeinflussen und zum makroökonomischen Gleichgewicht beitragen.

Äthiopien entwickelt sich mehr und mehr zu einem lohnenswerten Ziel für ausländische Investoren. Nicht zuletzt machen der geplante WTO-Beitritt und die enge Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds das afrikanische Land zu einem interessanten Ziel für deutsche Unternehmer.

Kontakt: sia.h.mehr@bhf-bank.com

 

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