Bei der Beratung zu China-Exporten zeigt sich, dass das Waffenembargo gegen China immer wieder zu erheblichen Exportbeschränkungen führen kann. Grund ist die weite Auslegung des Embargos durch die deutschen Behörden. Im folgenden Praxisfall wird berichtet, wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Stornierung einer genehmigungsfreien Ausfuhr wegen außenpolitischer Bedenken verfügte und es fast zu einem Einzeleingriff kam. Was kann ein Exporteur in solch einem Fall tun?
Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte
Ausgangsfall
Die Firma D in Deutschland möchte nicht gelistete hydraulische Pressen zur Herstel-lung von Teilen für Thermalbatterien an den nicht gelisteten C in China liefern. Der Vertrag wurde im April 2013 geschlossen. Auf seinen Voranfrageantrag äußerte sich das BAFA im Dezember 2014 wie folgt: „Diese genehmigungsfreie Ausfuhr ist rechtlich zulässig. Allerdings bestehen derzeit außenpolitische Bedenken, da davon auszugehen ist, dass derartige Thermalbatterien für militärische Zwecke in China eingesetzt werden sollen“. Deswegen bat es um Stornierung des Auftrags! D bestand auf der Durchführung des Auftrages, da er keine exportrechtlichen Risiken sah und es um einen höheren Auftragswert und den Erhalt von mehreren Arbeitsplätzen ging. Daraufhin drohte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Einzeleingriff an, falls D doch ausführt. Wie ist die Rechtslage?
Voraussetzungen für einen Einzeleingriff
Für einen Einzeleingriff (§ 6 AWG) bestehen drei Voraussetzungen: (1) Es besteht eine konkrete Gefahr für die Rechtsgüter des § 4 Abs. 1 AWG (erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen, Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker etc.). (2) Es ist eine Ultima-Ratio-Maßnahme: Es muss eine erhebliche Gefahr und eine sehr hohe Eilbedürftigkeit bestehen, so dass der Erlass einer Rechtsverordnung nicht abgewartet werden kann. (3) Die Verhältnismäßigkeit ist zu beachten; demnach dürfen abgeschlossene Verträge nur dann berührt werden, wenn der Zweck nach § 4 Abs. 1 AWG „erheblich gefährdet wird“.
Lösung des Ausgangsfalls
Diese drei Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Zur ersten Voraussetzung: Es muss eine Gefahr vorliegen, die konkret ist. Zunächst zur Gefahr: Es drohten keine erheblichen Störungen der auswärtigen Beziehungen, weil nicht das Risiko bestand, dass ein Botschafter abberufen wurde o. Ä. Es lagen auch keine Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker vor: Dies kann nur dann angenommen werden, wenn es um die Verletzung von Embargos geht, die vom UN-Sicherheitsrat angeordnet wurden, oder wenn es um die Bekämpfung völkerrechtswidriger Maßnahmen nach UN-Abstimmung geht. Diese Voraussetzungen liegen beim China-Waffenembargo nicht vor, weil es um eine unilaterale Maßnahme des Europäischen Rates geht. Es fehlte auch eine konkrete Gefahr für eines dieser Rechtsgüter: Verboten ist allein der Handel mit Waffen/Rüstungsgütern; hier ging es aber um Dual-Use-Güter, die noch nicht einmal gelistet sind. Auch die Verhältnismäßigkeit sprach gegen die Annahme einer konkreten Gefahr: Es konnten mit diesen Gütern lediglich Teile für Thermalbatterien hergestellt werden. Recherchen ergaben, dass noch Lieferungen von ca. zehn weiteren Unternehmen erforderlich waren und dass der Wert der konkreten Lieferung von D allenfalls 10% Wertanteil für die späteren Thermalbatterien darstellte. Angesichts eines solch „mittelbar-mittelbaren“ Beitrages für den Erwerb von Rüstungsgütern lag allein eine abstrakte Gefahr vor: Eintritt und Ausmaß von drohenden Schäden waren noch völlig unklar, so dass allenfalls eine Verordnung zulässig gewesen wäre.
Zu Voraussetzungen 2 und 3: Eine erhebliche Gefahr schied mangels Eingriffen in Leben/Gesundheit bzw. Abwehr von Massenvernichtungswaffen (vgl. Proliferation Security Initiative – PSI) aus. Denn es ging nur um die Abwehr möglicher Rüstungsgüter, die nach China geliefert werden sollten. Aus den bereits genannten Gründen war schließlich auch die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt: Erstens handelte es sich nur um einen allenfalls „mittelbar-mittelbaren“ Beitrag zum Handel mit Rüstungsgütern, und zweitens griff ein solcher Einzeleingriff in einen bestehenden Altvertrag ein (mangels einer Übergangsregelung). Es lag somit weder eine konkrete Gefahr für die Rechtsgüter des § 4 Abs. 1 AWG vor, noch war diese Gefahr erheblich, und der Eingriff war auch nicht verhältnismäßig. Daher würde ein solcher rechtswidriger Eingriff zur entsprechenden Entschädigung verpflichten.
Zusätzliche Maßnahmen zur Risikominimierung
Bei einer Besprechung im BMWi wurde deutlich, dass die deutschen Behörden hier zwei zusätzliche Risiken sahen, vor allem die Gefahr eines Reexports von Pressen/Thermalbatterien in den Iran sowie die Gefahr ihrer Nutzung zur Herstellung von ABC-Waffen/Raketen in China. Um diese zwei zusätzlichen Risiken zu minimieren, ergriff D u.a. die folgenden Maßnahmen: D ergänzte das EUC um ein Nutzungsverbot für ABC-Waffen/Raketen, was C unterzeichnete. Zusätzlich gab D eine schriftliche Verpflichtung ab, dass er jährlich prüfen würde, ob die Anlage noch vorhanden sei; bei einem Verstoß würde D sofort dem BAFA Bericht erstatten. Diese und andere Maßnahmen zur Risikominimierung hatten den gewünschten Erfolg. Im Juni 2015 erhielt D den Nullbescheid für seine China-Lieferung – nach zwei Jahren!
Resümee
Das China-Waffenembargo kann von den deutschen Behörden u.U. sehr weit ausgelegt werden (gleichwohl wird China nicht als Waffenembargoland im Sinne der Catch-all-Klausel des Art. 4 Abs. 2 Dual-Use-VO behandelt). Während die britische Ausfuhrbehörde BIS (Department for Business, Innovation and Skills) dieses nur sehr restriktiv auslegt – es sei vor allem auf tödliche Waffen zu reduzieren –, gehen die deutschen Behörden weit darüber hinaus, wie dieser Fall zeigt. Der Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts würde aber eine restriktive Auslegung erfordern. Einzeleingriffe wegen dieses China-Waffenembargos dürften bereits deswegen rechtswidrig sein, weil hier mangels einer UN-Rechtfertigung nicht das friedliche Zusammenleben der Völker gefährdet war. Hier fehlte es auch an einer konkreten und erheblichen Gefahr, so dass der Einzeleingriff rechtswidrig gewesen wäre. Eine außergerichtliche Lösung konnte hier aber nur deswegen erreicht werden, weil D bereit war, durch zusätzliche vertragliche Verpflichtungen die weiteren Risiken, welche deutsche Behörden sahen, abzumildern.
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