Für die deutsche Exportwirtschaft ist Asien der Motor des jüngsten Aufschwungs. Um ein Drittel stiegen die Ausfuhren dorthin in den vier Monaten 2010 und erreichten einen Anteil von 15% am gesamten deutschen Export. Noch stärker nimmt der regionale Handel innerhalb Asiens zu. Die Absatzchancen Deutschlands hängen vor allem vom technologischen und qualitativen Vorsprung gegenüber der asiatischen Konkurrenz ab. Das dortige Marktpotential ist noch längst nicht ausgeschöpft.
Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut
Der globale Nachfrageeinbruch des vergangenen Jahres ist überwunden. Gegenüber dem Tiefpunkt im 1. Quartal 2009 stiegen die weltweiten Warenexporte in den ersten drei Monaten 2010 nominal um 27%. Am stärksten konnten die Ölländer zulegen, da der Ölpreis gestiegen war. Unterdurchschnittlich entwickelte sich der europäische Export. Auf der Importseite waren insbesondere China und Indien Wachstumstreiber, während sich Europa, Afrika und der Nahe Osten zurückhielten.
In Asien entwickelt sich ein reger regionaler Handel, der vor allem von der starken Nachfrage aus China angetrieben wird. Japan, Taiwan und Südkorea sowie einige südostasiatische Staaten profitieren davon. Aber auch Indien und Australien konnten ihre Exporte deutlich steigern. Während Japan und die Tigerstaaten vor allem industrielle Komponenten und Erzeugnisse liefern, kommen aus Indien und Australien hauptsächlich Rohstoffe.
Japan lieferte beispielsweise im ersten Jahresdrittel 2010 (Januar bis April) mehr als die Hälfte (55,6%) seiner Exporte nach Asien. China erreichte einen Exportanteil von rund 19%. In die ASEAN-Staaten gingen 14,6% der japanischen Exporte. Korea und Taiwan kamen zusammen auf rund 15%, den gleichen Anteil erreichten die USA. Nach Europa gingen nur noch 12% der japanischen Exporte. Dabei konnten die japanischen Exporte in die asiatischen Länder (+60,1%) deutlich stärker zulegen als die nach Europa (+24,1%) und Nordamerika (38,9%).
Indien konnte seine Exporte nach China im 1. Quartal 2010 um 75% steigern, allerdings lag der Ausfuhrwert noch unter dem Vergleichswert des Jahres 2008. Vor allem Textilien, Edelsteine und -metalle erreichten hohe Zuwächse, aber auch Kunststoffe wurden stärker nachgefragt. Gegenüber dem schwachen Vorjahresniveau zogen die Exporte im 1. Halbjahr 2010 auch in Südkorea (um 35%) und Taiwan (um 49%) deutlich an. In diesen Ländern trug die Nachfrage aus China ebenfalls überdurchschnittlich zum Ausfuhrerfolg bei. Gefragt waren vor allem Halbleiter und Bildschirme für die Elektronikindustrie, aber auch Kraftfahrzeuge.
Erleichtert wird der regionale Handel insbesondere von den zunehmenden Freihandelsabkommen zwischen den asiatischen Staaten. So haben die ASEAN-Staaten zu Jahresbeginn ihre Freihandelszone AFTA auf China ausgedehnt. Auch mit Taiwan hat China jüngst ein Freihandelsabkommen abgeschlossen, Südkorea und Japan sollen folgen.
Der Aufbau der asiatischen Wirtschaft geht in großen Schritten voran. Während die Welt 2009 eine leichte Rezession durchlief, wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt der asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländer noch um 6,6%. Für 2010 erwartet der Internationale Währungsfonds eine reale Wachstumsrate von 9,2%. China liegt dabei mit einem Plus von 10,5% an der Spitze, gefolgt von Indien mit 9,4%. Die Gefahr eines konjunkturellen Rückschlags in China, die mit Blick auf die starke Verteuerung von Immobilien und Aktien in den vergangenen Jahren gesehen wird, dürfte sich durch die behutsame Begrenzung der Kreditvergabe vermeiden lassen.
China und andere exportorientierte Länder Asiens verfügen durch mehrjährige Exportüberschüsse über reichlich Kapital, um ihre Volkswirtschaften umfassend zu modernisieren. Allerdings stößt die immer noch stark staatlich beeinflusste chinesische Wirtschaft dabei an politische, administrative und strukturelle Grenzen. Insbesondere das Finanzsystem ist nicht in der Lage, das Kapital effizient zu verteilen. Vor allem kleinere, private Unternehmen kommen dabei zu kurz. Sie sind auf eigene Ersparnisse angewiesen.
Das Finanzsystem ist die Achillesferse der chinesischen Wirtschaft. Um ihre Kapitalbasis nach der Ausweitung der Kredite zu stärken, müssen die Geschäftsbanken ihr Eigenkapital kräftig erhöhen. Rund 50 Mrd US$ sollen auf dem inländischen Kapitalmarkt und in Hongkong 2010 aufgenommen werden.
Allerdings fließt derzeit noch reichlich Kapital nach China. Nicht nur die Leistungsbilanz mit ihrem Überschuss von 297 Mrd US$, sondern auch die Kapitalbilanz mit einem Plus von 145 Mrd US$ trug 2009 zum weiteren Anstieg der Währungsreserven bei.
Mit Blick auf die aktuelle Währungspolitik der chinesischen Zentralbank richten sich starke Hoffnungen insbesondere in den USA auf eine Aufwertung des Renminbi Yuan. Da der Euro 2010 stark an Wert verloren hat, ist die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Europäer in den USA, aber auch in China gestiegen. Der Abbau des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits ist dadurch ins Stocken geraten. Seit Jahresbeginn 2010 steigt das Defizit der Handelsbilanz der USA wieder an.
Die chinesische Zentralbank hat nun zumindest die Anbindung an den US-Dollar gelockert und lässt eine geringe Schwankung des Kurses gegenüber einem Währungskorb zu. Stärker ins Gewicht fallen jedoch die starken Lohnanhebungen vor allem in Unternehmen mit ausländischer Beteiligung. Sie verschlechtern die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft insbesondere an den Standorten der exportorientierten Produktion zugunsten ausländischer Wettbewerber und der chinesischen Binnenprovinzen. Zudem lässt die wachsende Kaufkraft die Importnachfrage steigen.
Unabhängig von der Lohn- und Wechselkursentwicklung in China profitieren die deutschen Exporteure derzeit vom Nachholbedarf in den asiatischen Ländern. Die Abwertung gegenüber dem US-Dollar um 12% seit Jahresbeginn 2010 wirkt sich mit einiger Verzögerung zusätzlich auf die Nachfrage aus. Sie hilft dabei, die Nachfragezuwächse im weiteren Jahresverlauf zu stabilisieren. Hinzu kommen die unterschiedlichen Inflationsraten in Deutschland und Asien, die den Preisspielraum deutscher Anbieter – auch auf Drittmärkten – zusätzlich erhöhen.
Hinsichtlich des Nachfragevolumens könnte im zweiten Halbjahr jedoch eine gewisse Sättigung – insbesondere bei Automobilen – erreicht werden, die die Exportzuwächse verringern. Umso wichtiger sind die Präsenz vor Ort und die konsequente Einbindung in die asiatische Wertschöpfungskette, um rechtzeitig auf Markttrends reagieren zu können.
Als Schlüssel für eine positive Geschäftsentwicklung gilt die Innovationskraft der deutschen Unternehmen, die zunehmend auch in enger Anbindung an Asien entfaltet werden muss. Diesen Prozess gehen deutsche Exporteure sehr ernsthaft an.
Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de
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