Innerhalb des Basel-III-Regelwerks könnte insbesondere die Einführung einer Verschuldungsgrenze für Banken (Leverage Ratio) dafür sorgen, dass margenarme und mit wenig Risiko behaftete Außenhandelsinstrumente gegenüber anderen Bankprodukten benachteiligt würden. Lothar Meenen, Leiter Cash Management Corporates/Trade Finance Deutschland Süd, Deutsche Bank, erklärt, warum das so ist.

Interview mit Lothar Meenen, Leiter Cash Management Corporates/Trade Finance Deutschland Süd, Deutsche Bank AG

Herr Meenen, die Basel-III-Pläne sehen eine weitere Verschärfung der bereits bestehenden Eigenkapitalregeln für Finanzinstitute vor. Wie schätzen Sie die Folgen für die Außenhandelsfinanzierung ein?

Aus der Perspektive der Banken ist es wichtig, die Folgen von Basel III auf das Bankgeschäft in seiner Gesamtheit anzuschauen. Betrachtet man die Auswirkungen auf nur einzelne Produktgruppen, z.B. auf Trade Finance, entspricht das einer verkürzten Sichtweise. Durch die neuen Regeln von Basel III wird es sicherlich zu einer Verschiebung zwischen den einzelnen Produktgruppen einer Bank kommen, und das wird Folgen für die unterschiedlichen Kundengruppen und die Bankpolitik haben. Diese Verschiebungen heute genau zu beschreiben entspricht jedoch einem Blick in die Glaskugel. Das Ergebnis wird erst 2020 in der Ex-post-Betrachtung erkennbar sein.

Was sind die wichtigsten Bestandteile des Basel-III-Regelwerks, bzw. welche sind besonders relevant für Trade Finance?

Zentraler Bestandteil von Basel III sind die verschärften Eigenkapitalbestimmungen. Das harte Kernkapital muss bis 2019 mindestens 7% (bisher waren es 2%) aller risikogewichteten Aktiva betragen. Das ist ein riesengroßer Schritt nach vorne. Positiv ist, dass die Umsetzung erst 2013 beginnt und dann stufenweise erfolgt. Für systemisch relevante Banken kommen noch zusätzliche Anforderungen hinzu, was allerdings noch nicht abschließend geklärt ist. Was der Markt am Ende erwartet, könnte bei einer noch höheren Quote liegen. Die Deutsche Bank hatte per Ende 2010 eine Kernkapitalquote von 8.7% und beabsichtigt, die Vorgaben nach Basel III vorzeitig zu erfüllen.

Zu den Kernkapitalbestimmungen kommen drei weitere neue Regeln hinzu: die Leverage Ratio, die Liquidity Coverage Ratio und die Net Stable Funding Ratio. Von großer Bedeutung für Trade Finance (mit Folgen im kurzfristigen sowie im langfristigen Bereich) ist die Leverage Ratio. Hierbei handelt es sich um eine Verschuldungsgrenze, die gezogen wird, unabhängig davon, wie risikobehaftet die Assets sind. Die Summe aller Aktiva einer Bank (Cash, Wertpapiere, Kredite etc.) einschließlich der Off-Balance-Positionen (u.a. Avale, Garantien, Akkreditive) darf ab dem Jahr 2013 (ab 2015 Veröffentlichung der Zahl und ab 2017 Verpflichtung zur verbindlichen Einhaltung) das 33fache des Eigenkapitals nicht übersteigen. Während unter Basel II die Aktiva je nach Ausfallrisiko mit Eigenkapital unterlegt werden mussten, werden unter Basel III hinsichtlich der Verschuldungsgrenze alle Aktiva der Bilanz gleich (also mit 100%) bewertet.

Die Liquidity Coverage Ratio soll dafür sorgen, dass die Banken genügend Liquidität bereithalten. Sie spielt für die Außenhandelsfinanzierung keine bedeutende Rolle. Anders verhält es sich bei der Net Stable Funding Ratio: Diese Regel greift in die Kernaufgabe einer Bank ein, indem sie die Fristentransformation einschränkt. Ab 2018 müssen die Banken darlegen, dass sie alle Ausleihungen über einem Jahr fristenkongruent finanzieren. Diese Regel hat weitreichende Folgen für das langfristige Finanzierungsgeschäft einer Bank (also auch für die langfristige Exportfinanzierung) und stellt eine sehr große Herausforderung für Banken dar.

Wie werden sich die Basel-III-Regeln auf das langfristige Exportfinanzierungsgeschäft der Banken auswirken?

Aus Sicht einer Bank ist in der Basel-II-Welt z.B. eine staatlich gesicherte Exportfinanzierung (ECA-gedeckte Kredite) mit einem Triple-A-Rating im Falle Deutschlands ein interessantes Geschäft, weil es aufgrund des niedrigen Risikos nur mit relativ wenig Eigenkapital hinterlegt werden muss. In der Basel-III-Welt ändert sich das. Hinsichtlich der Leverage Ratio geht der staatlich gesicherte Kredit ähnlich wie ein Kredit mit hohem Risiko zu 100% in die Summe der Aktiva ein. Wenn die Bank knapp ist mit der Leverage Ratio, wird sie sich überlegen müssen, wie sie ihr Eigenkapital auf die verschiedenen Assetklassen verteilt. Dabei muss sie eine gute Eigenkapitalrendite erzielen, um die Investoren bzw. Kapitaleigentümer interessiert zu halten. Eine Folge von Basel III könnte somit sein, dass die Banken die Konditionen der Assets mit weniger Risiko (z.B. der ECA-gedeckten Kredite) werden erhöhen müssen, damit das Geschäft für sie noch lohnenswert ist.

Was sind die Folgen für die Unternehmen?

Deutsche Unternehmen befürchten allgemein, dass sie durch Basel III benachteiligt werden, weil ihre Abhängigkeit von den Banken mit einer Finanzierungsquote von 70% bis 80% sehr ausgeprägt ist. In den USA, wo sich die Unternehmen stärker über den Kapitalmarkt finanzieren, liegt diese Quote bei 30%.
Auch bezogen auf die Außenhandelsfinanzierung, ist Basel III ein großes Thema für deutsche Unternehmen, weil diese besonders stark im Export engagiert sind. Mit der Einführung der Leverage Ratio werden Außenhandelsfinanzierungen im langfristigen sowie im kurzfristigen Bereich (Akkreditive), die bislang mit geringem Risiko und niedriger Marge ausgestattet waren, gleich behandelt wie zum Beispiel ein risikoreiches Asset. Es spricht vieles dafür, dass die höheren Kosten für die Eigenkapitalunterlegung in Form höherer Kosten an die Kreditnehmer übergewälzt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit im Export hängt jedoch auch von der Finanzierung ab, die ein Unternehmen seinen Abnehmern zur Verfügung stellen kann.

Wird die Exportförderungspolitik der Bundesregierung, die staatlich gesicherte Finanzierungen über Hermes zur Verfügung stellt, durch Basel III konterkariert?

Zunächst gilt es festzustellen, dass die Exportförderungspolitik der Bundesregierung sich nicht nur auf Finanzierungselemente bezieht. Die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen hängt im übrigen nicht nur von der Finanzierung ab. Es gibt darüber hinaus durchaus Absatzmärkte, z.B. den aktuell interessanten Vertriebsmarkt China, wo von den Abnehmern selten Exportfinanzierungen nachgefragt werden. Zudem macht der Anteil der ECA-gedeckten Finanzierungen nur 2% des gesamten deutschen Außenhandels aus.
Doch die Attraktivität der ECA-gedeckten Finanzierungen könnte bei unveränderten Konditionen für Banken spürbar sinken. Nicht auszuschließen ist, dass sich einige Finanzinstitute sogar aus diesem Geschäft verabschieden werden. Dennoch sollte der Effekt von Basel III auf die Konditionen der ECA-gedeckten Finanzierungen nicht überbewertet werden. Während der Krise war die Kreditmarge auf teilweise über 100 Basispunkte gestiegen, weil staatlich gedeckte Exportkredite das einzige Finanzierungsinstrument waren, das noch zur Verfügung stand. Derzeit sind die Margen wieder erheblich gesunken. Im Zuge der anstehenden regulatorischen Veränderungen dürfte einem adäquaten Ertrag auf das eingesetzte regulatorische Eigenkapital eine größere Bedeutung zukommen.

Herbert Broens, Head of Export Department der Bayer AG, plädiert in seinem Beitrag (siehe Seite 14) dafür, dass die Basel-III-Regeln, die das Außenhandelsgeschäft „diskriminieren“, noch überarbeitet bzw. abgemildert werden sollten. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ziel der Leverage Ratio ist es nicht, das Risiko eines Geschäfts zu hinterfragen, sondern eine Verschuldungsgrenze für das gesamte Bankgeschäft einzuführen. Dieser Logik folgend werden alle Assets gleichbehandelt. Grundsätzlich begrüßt die Deutsche Bank das Basel-III-Regelwerk, da es für ein stabileres Finanzsystem sorgen wird. Im Übrigen lassen die Implementierungsvorschriften den Banken genügend Zeit, sich darauf einzustellen. Es ist uns allerdings wichtig, auf die möglichen Folgen gerade für die deutsche Exportwirtschaft hinzuweisen, die unzweifelhaft mit Basel III verbunden sind, wenn sich an den derzeitigen Ausgestaltungen nichts ändert. Es sollten gleiche Rahmenbedingungen für alle Banken auf internationalem Niveau gelten; es muss ein Level-Playing-Field geben.

Kontakt: lothar.meenen[at]db.com

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