Die Automobilindustrie bleibt eine der leistungsstärksten Branchen Deutschlands und konnte im vergangenen Jahr einen Umsatzanstieg von 9,8% verzeichnen. Damit trägt sie maßgeblich zum Wirtschaftswachstum in Deutschland bei. Doch neue Herausforderungen zeichnen sich ab, denn nicht nur der heimische europäische Markt schrumpft, auch das Wachstum in China und anderen wichtigen Absatzmärkten in den Schwellenländern verlangsamt sich.
Von Lisa Frammelsberger, Redaktion ExportManager, F.A.Z.-Institut
2011 bescherte das Exportgeschäft Deutschland einen Außenhandelsüberschuss von 158,2 Mrd EUR. Die Ausfuhren in Länder außerhalb der EU stiegen um 15,4%, wohingegen sich das Wachstum bei Ausfuhren innerhalb der EU-Länder weiterhin verlangsamte und 2011 lediglich mit einem Zuwachs von 4,6% in der deutschen Außenhandelsbilanz zu Buche schlug.
Der deutschen Automobilbranche bescherte das Jahr 2011 eine der höchsten Stückzahlen mit einem Zuwachs um 6% auf 244.500 abgesetzte Einheiten. Porsche verzeichnete mit einer Absatzsteigerung von 21% Rekordumsätze, ebenso wie BMW mit einem Umsatzwachstum von 13,8% oder VW, das seine Marktanteile weltweit auf 12% steigern konnte. Doch der europäische Markt ist seit 2007 insgesamt um 14% geschrumpft, und die Hersteller sehen sich hohen Überkapazitäten gegenüber. Das lässt unter anderem die Forderung nach einem gesamteuropäischen Ansatz für die Automobilbranche lauter werden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen zum einen Überkapazitäten nach einem grenzübergreifenden Konzept in Europa abgebaut werden. Bisher scheiterten diese Forderungen nach mehr Effizienz jedoch am gewerkschaftlichen und politischen Widerstand, denn Werkschließungen und Arbeitsplatzabbau würden damit einhergehen. Zum anderen müssten die von der EU abgeschlossenen Freihandelsabkommen zum Vorteil europäischer Produzenten gereichen.
Zusätzlich verlagern deutsche Automobilhersteller beständig ihre Wachstumsschwerpunkte in die Schwellenländer wie etwa nach China. Denn Unternehmen, die international aufgestellt sind, haben einen breiteren Markt- und Kundenzugang und sind vom Heimatmarkt weniger abhängig. Dies bestätigten kürzlich die Ergebnisse des Mittelstandsbarometers 2012 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.
Doch Protektionismus durch hohe Importzölle und andere Handels- und Markteintrittsbarrieren erschweren den Ausbau des Exportgeschäfts mit den BRIC-Staaten. Indien erhebt unter anderem Einfuhrzölle von mindestens 60%, was die Absatzpreise enorm erhöht. Kfz könnten dagegen aus Indien mit einem Einfuhrzollsatz in Höhe von 6,5% nach Deutschland exportiert werden. In der Folge verlagern deutsche Hersteller fast die gesamte Wertschöpfungskette nach Indien. So eröffnete Daimler am 1. April 2012 eine Lkw-Produktion in Chennai.
Doch nicht nur die Endfertigung wird aus Kosten- und Logistikgründen verlegt, auch Zulieferer befinden sich bereits vor Ort, und einheimische Arbeitskräfte können direkt im Unternehmen ausgebildet werden. Durch diesen Schritt können nicht nur Kosten eingespart werden, sondern auch die Möglichkeiten, für die individuellen Kundenbedürfnisse im Land zu produzieren, die zwischen Kulturen und Regionen variieren, werden stark erleichtert.
China ist der Markt mit dem größten Potential, vor allem im Luxussegment, welches 2011 um 15% wuchs. Deutsche Hersteller können hier von einem klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber einheimischen Automobilproduzenten profitieren. Der chinesische Markt belegt in der Sparte Luxusautos Platz 2 hinter den USA. Allein Porsche setzte hier 28% seiner Produktion ab, und BMW, Audi und Mercedes erging es in diesem Produktbereich ähnlich. Um die daraus resultierenden Abhängigkeiten vom chinesischen Markt zu reduzieren, versuchen Autohersteller, Produktion und Absatz in anderen Märkten wie Indien, Russland und Brasilien weiter auszubauen. Hier herrscht bei der stetig wachsenden Bevölkerung ein riesiger Nachholbedarf, denn der Sättigungsgrad in diesen Märkten ist noch niedrig.
Doch parallel zum Wachstumsabschwung in den westlichen Industrieländern verlangsamt sich auch das Wachstum in den BRIC-Staaten. So verbuchte China im Februar 2012 ein Handelsdefizit – was jedoch auf das Neujahrsfest in diesem Monat zurückgeführt werden kann – und setzte sein Wachstumsziel für 2012 auf 7,5% herab. Dies entspricht dem niedrigsten Wert seit acht Jahren. Der chinesische Export spürt vor allem die Schwäche seines wichtigsten Absatzmarktes: Europa.
So plant die chinesische Regierung, das Wachstum wieder etwas anzukurbeln, indem sie eine Absenkung der Mindestreservevorschriften für Banken in Erwägung zieht, um die Kreditvergabesituation zu verbessern, und Steuererleichterungen für Exporteure anstrebt. Zudem benötigen chinesische Exporteure keine Lizenzierung mehr, um ihr Exportgeschäft in Renminbi abzuwickeln. Diese Internationalisierung der chinesischen Währung erleichtert es auch Exporteuren aus dem Ausland, ihre Geschäfte in Renminbi zu tätigen, und schafft damit Möglichkeiten, Nachlässe bei Steuern zu erhalten. Gleichzeitig versuchen chinesische Unternehmen, deutsche Zulieferer und deren innovative und modernste Technologie aufzukaufen. So erwarb der chinesische Autozulieferer Hebei Lingyun Industrial Group den Autozulieferer Kiekert AG.
Doch nicht nur die sinkende Nachfrage aus den EU-Ländern belastet die Wirtschaft der BRIC-Staaten. Auch steigende Lohn- und Rohstoffkosten wirken sich in China, Russland und Brasilien wachstumshemmend aus. Indien hat immer noch ein vergleichsweise niedriges Pro-Kopf-Einkommen, kämpft zudem mit hoher Inflation und defizitären Staatsfinanzen. Zur Inflationsbekämpfung erhöhte die Zentralbank den Leitzins mehrfach und bremst damit das Wachstum zunehmend ab. Auch eine Liberalisierung der Wirtschaft scheitert am Widerstand der Regierung und der Bevölkerung.
Präsident Putin wird Russland politisch wahrscheinlich stabilisieren, doch besteht die Gefahr, dass die Regierung das Land eher in eine Stagnationsphase denn in eine Wachstumsphase lenkt. Die große Abhängigkeit von Rohstoffexporten, eine alternde Bevölkerung, ein intransparentes und korruptes Justizwesen und der große Einfluss des Staates stehen zusätzlichem Wachstum im Wege. Das erschwert auch die Möglichkeit für deutsche Automobilhersteller, ihre Produktion kostengünstiger nach Russland zu verlagern. Dennoch konnten diese ihren Marktanteil am russischen Automobilmarkt im Februar 2012 von 15% auf über 20% erhöhen.
Auch Brasilien kämpft mit wachsenden Lohnkosten, schlechter Infrastruktur, schwerfälliger Bürokratie und hohen Steuern. Um die einheimische Produktion vor Wettbewerb aus dem Ausland zu schützen, erhöhte das Land seine Importsteuer für Pkws kürzlich um 30 Prozentpunkte und plant weitere Steuererhöhungen. Von diesen Protektionsmaßnahmen sind unter anderem deutsche Automobilhersteller betroffen, deren Markanteil bei einem Fünftel des brasilianischen Marktes liegt. Zudem müssen in Brasilien abgesetzte Automobile mindestens zu 40% lokal produziert worden sein.
Stärkster Konkurrent Brasiliens innerhalb Lateinamerikas ist Mexiko, welches lediglich eine Importsteuer von durchschnittlich 5,56% erhebt, im Gegensatz zu durchschnittlich 10,47% in Brasilien. Dies ist einer der Gründe, warum deutsche Automobilhersteller ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf Mexiko richten. So hat Volkswagen seine gesamte Produktion des „VW Beetle“ und des „VW Jetta“ nach Mexiko verlagert.
Neben den BRIC-Staaten definierte der Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Jim O’Neill, die sogenannten „Next Eleven“ als weitere Wachstumsmärkte: Indonesien, Vietnam, die Philippinen, Pakistan, Bangladesch, Mexiko, Südkorea, Ägypten, Iran, Nigeria und die Türkei.
Der Begriff beschreibt Märkte, die ähnliches Potential wie die BRIC-Staaten aufweisen. So werden Mexiko, Südkorea und die Türkei von immer mehr Unternehmen als Standorte für Investitionen und als Absatzmärkte mit hohem Wachstumspotential in Erwägung gezogen.
Kontakt: redaktion[at]exportmanager-online.de
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