Die Finanzmarktkrise 2007/2008 hat verdeutlicht, dass Risikomanagement und -transparenz in vielen Bereichen des Finanzsektors zuvor nur unzureichend beachtet wurden. Die dadurch verursachte wirtschaftlich und finanziell angespannte ­Situation in der Realwirtschaft hat die Nachfrage nach Zahlungssicherungsinstrumenten, wie Garantien und Bürgschaften,
erhöht.

Von Manfred Palt, Trade Finance Advisory – ­Global Guarantee Facility Management, Siemens Financial Services GmbH

Im aktuellen Marktumfeld stehen exportorientierte Unternehmen ebenso wie Banken vor der Herausforderung, ihre Risiken zu managen und transparenter zu gestalten. Trotz ausreichend verfügbarer Avallinien während der Finanzmarktkrise nahm sich auch Siemens der steigenden Risiken aus dem internationalen Handel an und entwickelte ein aktives Avalrisikomanagement.

Die Trade-Finance-Advisory-Einheit ist innerhalb von Siemens Financial Services (SFS) das Kompetenzzentrum für Garantien und Akkreditive und übernimmt dabei die weltweite fachliche Führungsverantwortung innerhalb des Siemens-Konzerns. Eine zielgerichtete Aufbauorganisation ermöglicht es, das Garantiegeschäft sowohl in Deutschland als auch in weiteren 80 Guarantee-Departments weltweit abzuwickeln. Die Nähe zu den entsprechenden Finanzpartnern und Kunden sowie länderspezifische Kenntnisse sind ein großer Vorteil dieser dezentralen Aufteilung.

Eine global genutzte webbasierte Software ermöglicht es, im gesamten Konzern einen einheitlichen Prozess für die Beantragung, Abwicklung und Dokumentation von Garantien sicherzustellen. Zusätzlich bietet sie auch die Möglichkeit, Angaben über alle von Banken oder Versicherungsunternehmen gewährten Avalkreditlinien zu erfassen. Neben den Konditionen und der Linienhöhe liefert das System auch Informationen über die Ausnutzung und Verfügbarkeit von Linien. Diese weltweite Transparenz ist ein wichtiger Bestandteil des Avalrisikomanagements von Siemens. So können verfügbare Ressourcen und eingegangene Risiken sichtbar gemacht sowie die Auslastung der Linien kontrolliert werden.

Neben der Allokation verfügbarer Linien nimmt aber auch die Bewertung der Finanzpartner eine bedeutende Rolle im Avalrisikomanagement bei Siemens ein. Vor allem da seit der Finanzkrise die ­Banken selbst eine Art „Lieferantenrisiko“ darstellen. Dieses wird daher überwacht und analysiert, wobei die folgenden drei Indikatoren zur Einschätzung der Banken dienen:

  • das externe Rating des Kreditinstitutes,
  • die Tier-1-Ratio als Indikator für Stabilität und Risikotragfähigkeit,
  • die Credit-Default-Swaps (CDS). CDS verarbeiten neue Marktinformationen schnell und haben deshalb einen gewissen Vorlaufcharakter gegenüber dem Rating eines Kreditinstitutes. Andererseits sind Credit-Default-Swaps auch spekulationsanfällig.

Vergleicht man mehrere Banken nach den genannten Kriterien miteinander, ergibt sich beispielsweise die auf Seite 16 abgebildete Risikomatrix.

Isoliert betrachtet, rechtfertigt diese Zeitpunktaufnahme jedoch noch keine Risikoeinstufung der einzelnen Kreditinstitute. Verfolgt man sie aber über einen längeren Zeitraum, kann die Entwicklung des Portfolios oder einer einzelnen Bank unter Risikogesichtspunkten nachvollzogen und eingeschätzt werden.

Die Bewertung der Kreditinstitute anhand dieser drei externen Indikatoren stellt allerdings nur einen Aspekt der Bankenbewertung bei Siemens dar. Darüber hinaus werden alle Finanzpartner verglichen, indem zusätzlich intern erhobene Daten in qualitativer und quantitativer Hinsicht analysiert werden.

Die Linienhöhe und die jeweiligen Konditionen stellen dabei quantitative Indikatoren dar, Service- und Beratungsleistungen qualitative. Ziel dieser Auswertung ist es, zukünftige Geschäftszuweisungen zu begründen, einen Überblick über die eingegangenen Verpflichtungen zu erhalten und auf globaler Ebene einen einheit­lichen Bewertungsmaßstab anzuwenden. Des Weiteren kann dadurch auch die Reduzierung der Geschäftstätigkeit mit einem bestimmten Finanzpartner gerechtfertigt werden.

Die vielfältigen Informationen sowie die globale Aufstellung der Garantieabteilungen ermöglichen es, das Aval- und Bankenportfolio aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. So verschafft das Ergebnis einer Auswertung auf Konzernebene einen Überblick über den globalen Garantiebestand von Siemens sowie die damit eingegangenen Verpflichtungen und deren Laufzeiten.

Die Portfoliobetrachtung unterstützt zudem bei der Beratung sowohl der ­Siemens-Sektoren als auch der lokalen Garantieabteilungen bezüglich der Akquise neuer Finanzpartner und der Bewertung von Alternativen. Außerdem können Aussagen darüber getroffen werden, welche Finanzinstitute in dem jeweiligen Projektland aktiv und zufriedenstellend agieren und bei welchem Garanten Garantiebestände im Portfolio vorhanden sind. Die Auswertungen auf Regionen- oder Landesebene dienen den Regionalgesellschaften zur Einschätzung ihrer aktuellen Finanzpartner anhand der qualitativen und quantitativen Merkmale.

Ein weiterer Aspekt innerhalb des Risikomanagements bei Siemens ist die Ermittlung des zukünftigen Avalbedarfs. Auch hier dient die interne Garantieapplikation als Informationsquelle. So hat beispielweise eine Analyse des historischen Datenbestandes ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen Umsatzerlös und Avalbestand gibt.

Auf dieser Erkenntnis aufbauend, konnte ein Modell entwickelt werden, das auf Basis der geplanten Umsätze den zukünftigen Avalbedarf näherungsweise be-stimmt. Exogene Faktoren, wie volkswirtschaftliche Einflussgrößen, ergänzen die internen Daten, um den zukünftigen Garantiebedarf zu ermitteln. Außerdem können so verschiedene Szenarien hinsichtlich der Avallinienstruktur und der daraus resultierenden Kosten im Hinblick auf bestätigte und unbestätigte Linien simuliert werden.

Die Ermittlung des zukünftigen Garantiebedarfs dient dazu, ausreichende Linien bereitzustellen sowie unnötige Überhänge abzubauen. Siemens schafft somit für die Banken eine gleichmäßigere Ausnutzung der gewährten Avallinien und für sich eine Verringerung nicht genutzter Kapazitäten.

Bei der derzeitigen Finanzmarktsituation bleibt das aktive Management von Avallinien weiterhin von Bedeutung. Siemens hat bereits ein umfassendes Avalrisikomanagement implementiert und verdeutlicht so, wie wichtig eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Thema für exportorientierte Unternehmen ist.

Globale Transparenz sowie die Bewertung der Finanzpartner sichern Siemens dabei eine optimale Basis, um Risiken zu überwachen und zu reduzieren. Generell ist davon auszugehen, dass vor allem im Hinblick auf die Einführung von Basel III diesem Thema noch mehr Aufmerksamkeit zukommen wird.

Für exportorientierte Unternehmen wird das Avalrisikomanagement unerlässlich werden, sollten die Banken die erhöhten Eigenkapitalanforderungen über den Preis kompensieren.

Kontakt: manfred.palt[at]siemens.com

16 replies on “Avalrisikomanagement im Siemens- Konzern”

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