Mazedonien, Äthiopien und Bangladesch sind Länder, an die man nicht zuerst denkt, wenn es um deutsche Exportgeschäfte geht. Bei Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn sieht das anders aus, sind diese Länder doch unter den Top 20 der wichtigsten Märkte für deutsche Exporteure (siehe Link). Aber die Länder haben eine Gemeinsamkeit: Mit weiteren über 60 Ländern liegen sie im Zielgebiet des BRI-Projekts, auch bekannt unter den Bezeichnungen „Neue Seidenstraße“ oder „One Belt, One Road“ (OBOR).
Deutschland noch zurückhaltend
Wie viele andere Aktivitäten Chinas wird auch dieses 900 Mrd USD schwere Investitionsprogramm von Politik und Industrie kontrovers diskutiert. Dabei geht es um generelle Sorgen hinsichtlich der zunehmenden internationalen Einflussnahme Chinas, um Fairness bei Ausschreibungen und viele weitere Aspekte. Betrachtet man aber die Fakten, lässt sich schnell erkennen, welch große Chance sich deutschen Unternehmen mit diesem Programm eröffnen.
Voraussetzungen sind günstig
Im Wettbewerb um Aufträge unter dem Schirm der BRI, insbesondere mit chinesischen Konkurrenten, ist die deutsche Industrie noch unterrepräsentiert. Dabei haben gerade deutsche Mittelständler und Konzerne die besten Voraussetzungen für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Einige Unternehmen haben dies bereits erkannt und Vertriebsmannschaften speziell für die BRI abgestellt. Aus Gesprächen mit Mittelständlern und Konzernen hören wir immer wieder drei wesentliche Argumente, die für die deutsche Industrie sprechen und zeigen, warum man auch hierzulande von dem gigantischen Investitionsprogramm profitieren kann:
- Produkte und Know-how: Die offensichtlichen Wettbewerbsvorteile deutscher Unternehmen sind Qualität und Erfahrung. Diese sind zwar aufgrund der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen in einigen Bereichen keine Selbstläufer, da vor allem auch die Kosten in den meisten Entwicklungsländern eine entscheidende Rolle spielen. Dennoch ist gerade bei Großprojekten mit hohem technischem Anteil das Label „made in Germany“ nach wie vor hochangesehen.
- Netzwerk: Viele der deutschen Unternehmen sind bereits über Jahre/Jahrzehnte in einigen der wichtigsten BRI-Ländern vertreten und dort bestens vernetzt. Ein Vorteil, den sich chinesische Unternehmen, die im Ausland noch nicht auf einen vergleichbaren Erfahrungsschatz zurückgreifen können, erst noch erarbeiten müssen. Hier können deutsche Unternehmen da-von profitieren, dass sie sehr frühzeitig von anstehenden Projekten erfahren oder dass ihre Beteiligung vom lokalen Auftraggeber gewünscht wird.
- Engagement in China: Durch ihr Investitionsengagement in China, wo zahlreiche deutsche Unternehmen in Form von Tochterunternehmen oder als Joint-Venture-Partner seit vielen Jahren bestens lokal etabliert sind, hat die deutsche Industrie direkten Zugang zu chinesischen Exportgeschäften und den großen chinesischen Generalunternehmern (Engineering, Procurement and Construction, kurz EPC).
Finanzierungskompetenz von Vorteil
Eine kürzlich veröffentlichte Studie (siehe Link) sieht noch weitere Argumente, die für einen Vorteil von international gut aufgestellten Unternehmen sprechen. Dies sind die Managementerfahrungen, insbesondere bei Großprojekten, sowie der Zugang zu und die Erfahrung mit verschiedenen Finanzierungsquellen. Bei vielen Großprojekten in Entwicklungsländern stellt die Finanzierung eine besondere Herausforderung dar und erfordert häufig Alternativen zur klassischen Bankfinanzierung. Denkbar sind laut dieser Studie neben den üblichen EPC-Strukturen beispielsweise Beteiligungen, Akquisitionen, Public Private Partnerships (PPP) o.Ä. Hier können westliche Unternehmen und Banken mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen einen Mehrwert einbringen.
Für Exporteure in Deutschland, die bei solchen Projekten mit ihren Produkten/ihrer Expertise meistens ganz bestimmte Teilbereiche (Planung/Konzeption, spezifische Komponenten, Werkzeuge o.Ä.) abdecken, spielen die obengenannten Finanzierungsformen eine eher untergeordnete Rolle. Jedoch kann ein Finanzierungsbaustein für die exportierten Leistungen oder Güter einen wichtigen Wettbewerbsvorteil oder sogar eine Zugangsvoraussetzung darstellen.
Eine übliche Form der Finanzierung stellt hier der Zahlungsaufschub (Deferred Payment) dar, welchen der Exporteur dem Importeur gewährt. Die daraus entstehenden Risiken kann der Exporteur über verschiedene Instrumente reduzieren (Exportkreditversicherer, Bankbestätigung etc.). Durch einen Verkauf seiner Forderung (Forfaitierung) erhält der Exporteur darüber hinaus die Liquidität sofort auf sein Konto. Anders als bei der klassischen Bankfinanzierung wird diese Finanzierung im Wesentlichen auf das Projekt, die Lieferfähigkeit des Exporteurs sowie die Bank/das Land des Importeurs abgestellt.
Bei solchen Finanzierungen kann die Deutsche Bank für ihre Kunden auf eine bilaterale Vereinbarung mit der China Development Bank (CDB) zurückgreifen, die eine günstige zusätzliche Refinanzierungsquelle darstellt. Die beiden Finanzinstitute hatten bereits vor einem Jahr ihre Absicht erklärt (siehe Link), bis 2022 insgesamt Gelder in Höhe von 3 Mrd USD zur Verfügung zu stellen, um Projekte in den BRI-Ländern zu finanzieren.
Wie bei anderen Refinanzierungsquellen gibt es auch hier Kriterien, die für eine Nutzung der Gelder erfüllt werden müssen, beispielsweise Vorgaben hinsichtlich Höhe, Laufzeit oder Verwendung der Gelder. Allerdings steht für die CDB die Förderung der „Belt and Road Initiative“ so deutlich im Fokus, dass neben der Exportfinanzierung sogar Gelder für Investitionsvorhaben in BRI-Ländern abgerufen werden können.