Das chinesische Exportkontrollrecht wird erheblich verschärft. Die Auswirkungen werden vor allem Unternehmen mit Fertigung in China treffen; deren Compliancesysteme bilden derzeit regelmäßig nur die europäischen und US-amerikanischen Exportkontrollvorschriften ab.

Die chinesische Regierung plant ein Exportkontrollgesetz, mit dem das bisher in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelte Exportkontrollrecht zusammengefasst und an internationale Standards angeglichen werden soll. Deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu China sollten sich frühzeitig darauf vorbereiten.

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Seit das chinesische Wirtschaftsministerium (MOFCOM) im Jahr 2017 einen ersten Entwurf veröffentlicht hat, wird das neue Exportkontrollgesetz Chinas (Export Control Law, nachfolgend: ECL) mit Spannung erwartet. Vieles ist noch ungewiss. Es zeichnet sich jedoch schon jetzt ab, dass das ECL eine wesentliche Verschärfung des chinesischen Exportkontrollrechts bedeuten wird. So sieht der aktuelle Entwurf des ECL neben einer listenbasierten Ausfuhrkontrolle bestimmter körperlicher Güter, Technologie und Dienstleistungen (nachfolgend: Güter) unter anderem eine Genehmigungspflicht auch für Wiederausfuhren und einen umfassenden Sanktionskatalog vor. Bleibt es bei den Regelungen des aktuellen Entwurfs, werden nicht nur Ausführer und Wiederausführer chinesischer Güter, sondern auch Banken, Logistikunternehmen und andere Dienstleister von dem neuen chinesischen Exportkontrollrecht betroffen sein. Unternehmen mit Fertigungsstätten in China müssen besonders achtsam sein.

Das Exportkontrollgesetz im Einzelnen

Kontrollierte Güter

Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Ausfuhr chinesischer Güter soll sich nach dem Entwurf des ECL internationalen Standards anhand von Güterlisten und einer Catch-All-Klausel entsprechend bestimmen. Hierfür sieht der Entwurf jeweils eigene Listen für Dual-Use-, Rüstungs- und Nukleargüter sowie für andere Güter, deren Kontrolle zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen oder zum Schutz nationaler Sicherheitsinteressen erforderlich ist, vor. Bislang wurden die Listen nicht veröffentlicht. Es ist jedoch zu erwarten, dass sie den europäischen und US-amerikanischen Listen weitgehend entsprechen.

Mit der Catch-All-Klausel sollen daneben auch nichtgelistete Güter von der Exportkontrolle erfasst werden, wenn der Ausführer wusste, hätte wissen müssen oder durch die zuständige Behörde darüber informiert wurde, dass die Güter (1.) nationale Sicherheitsinteressen berühren, (2.) verwendet werden, um Massenvernichtungswaffen oder entsprechende Trägertechnologie zu entwickeln, herzustellen oder zu verwenden, oder (3.) für Zwecke des Terrorismus mit nuklearen, biologischen oder chemischen Stoffen verwendet werden.

Daneben ermächtigt der ECL-Entwurf die Exportkontrollbehörden dazu, weitere Beschränkungen zu erlassen, um internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden oder nationale Sicherheitsinteressen zu schützen. Diese Maßnahmen können darauf gerichtet sein, die Ausfuhr gewisser Güter generell zu untersagen, die Lieferung gelisteter Güter an bestimmte Personen und Organisationen zu beschränken oder Embargoländer und ­regionen zu bestimmen. Diese Maßnahmen sollen nur vorübergehend gelten und spätestens nach zwei Jahren auslaufen.

Insbesondere durch die Catch-All-Klausel und die Ermächtigung, vorübergehende Maßnahmen zu erlassen, besteht ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. Um diese Rechtsunsicherheit auszuräumen, sollen Ausführer zukünftig eine Prüfung der Exportkontrollbehörden beantragen können, ob ein Gut der Exportkontrolle unterliegt.

Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings gibt der Entwurf keinen Entscheidungszeitraum vor, sondern überlässt es den Behörden, den Antrag „zeitnah“ zu bearbeiten. Es wird sich in der Praxis zeigen müssen, wie die Behörden damit umgehen und ob eine solche Anfrage auch in zeitkritischen Fällen geeignet ist, Rechtssicherheit zu schaffen.

Kontrollierte Handlungen: Deemed Exports und Reexportkontrolle

Mit dem aktuellen Entwurf des ECL wird der Anwendungsbereich des chinesischen Exportkontrollrechts ähnlich dem US-amerikanischen Recht über die Ausfuhr eines kontrollierten Guts hinaus um weitere genehmigungsbedürftige Handlungen erweitert. So soll ähnlich der US-amerikanischen Kontrolle von sogenannten Deemed Exports auch die Überlassung gelisteter Güter durch eine chinesische Person an eine ausländische Person genehmigungsbedürftig sein. Dem aktuellen Entwurf nach soll dies unabhängig davon gelten, ob sich die Personen innerhalb oder außerhalb Chinas befinden.

Darüber hinaus sollen auch der Versand, die Durchfuhr, der Transport sowie (ähnlich der US-amerikanischen Reexportkontrolle) die Wiederausfuhr kontrollierter Güter von der Exportkontrolle umfasst sein. Die für deutsche Unternehmen besonders relevante Wiederausfuhrkontrolle betrifft Fälle, in denen Güter zunächst aus China nach Deutschland ausgeführt werden und aus Deutschland wiederum in ein anderes Land, beispielsweise die USA, (wieder-)ausgeführt werden. Bei der Ausfuhr aus Deutschland in die USA ist dann neben dem deutschen auch das chinesische Exportkontrollrecht zu berücksichtigen. Während im ersten Entwurf des ECL aus dem Jahr 2017 für die Wiederausfuhrkontrolle noch eine De-minimis-Schwelle für den Anteil chinesischer Güter eines Endprodukts vorgesehen war, enthält der aktuelle Entwurf eine solche Schwelle nicht mehr. Von dieser De-minimis-Schwelle hängt ab, ob in Deutschland endmontierte Güter, in denen nur zu einem gewissen Anteil chinesische Komponenten verbaut sind, ebenfalls der chinesischen Exportkontrolle unterfallen. Bleibt es bei der Streichung der De-minimis-Schwelle, könnte dies entweder bedeuten, dass das chinesische Exportkontrollrecht stets anzuwenden ist, so-bald in einem Endprodukt auch nur ein geringer Anteil chinesischer Güter verbaut ist, oder aber im Gegenteil, dass verbaute chinesische Komponenten grundsätzlich von der Wiederausfuhrkontrolle ausgenommen sein sollen – beides lässt sich argumentieren. Für abschließende Gewissheit müssen die finale Fassung des ECL und seine Durchführungsrechtsakte abgewartet werden.

Nicht genehmigungsbedürftig, aber Gegenstand von Sanktionen sollen schließlich Dienstleistungen sein, die wissentlich im Zusammenhang mit einer ungenehmigten Ausfuhr, Wiederausfuhr oder einer anderen genehmigungsbedürftigen Handlung erbracht werden. Hiervon umfasst sind beispielsweise Finanz- oder Logistikdienstleistungen. Den jeweiligen Unternehmen drohen die Einziehung des mit dem Geschäft erzielten Umsatzes und ein Bußgeld in Höhe von 100.000 CNY (etwa 12.500 EUR) bis zum Fünffachen dieses Umsatzes.

Das Genehmigungsverfahren

Bisher war die Zuständigkeit für die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung auf eine Vielzahl von Behörden aufgeteilt. Nach dem aktuellen Entwurf des ECL sollen die Zuständigkeiten zukünftig bei Abteilungen des chinesischen Staatsrats und der zentralen Militärkommission gebündelt werden. Dies sollte das Genehmigungsverfahren für Ausführer wesentlich erleichtern. Die genaue Aufteilung der Zuständigkeiten bleibt indes weiterhin unklar, so dass für eine abschließende Beurteilung auch hier auf die finale Fassung des ECL und seine Durchführungsrechtsakte zu warten ist.

Zu begrüßen ist jedenfalls, dass über einen Antrag auf Ausfuhrgenehmigung für Dual-Use-Güter nach dem aktuellen Entwurf innerhalb von 45 Arbeitstagen ab Antragstellung entschieden werden soll, mit der Möglichkeit, die Bearbeitungszeit im Einzelfall und einmalig um 15 Arbeitstage zu verlängern. Die Entscheidung soll von den folgenden Parametern abhängen (keine offizielle Übersetzung): 1. internationale Verpflichtungen und Zusagen; 2. nationale Sicherheit; 3. Art der Ausfuhr; 4. Sensibilität der Güter; 5. Bestimmungsland oder -region; 6. Endverbleib des Gutes; 7. Sozialpunkterating des Ausführers; 8. andere durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften festgelegte Faktoren.

Verpflichtung zur Einführung eines Internal-Compliance-Programms (ICPs)

Nach dem aktuellen Entwurf des ECL sind sämtliche Ausführer dazu verpflichtet, ein internes Exportkontrollsystem (ICP) zu implementieren. Wird das ICP für ausreichend erachtet, können die Ausführer Verfahrenserleichterungen erhalten. Wie auch zu anderen Aspekten des ECL ist zu erwarten, dass die chinesischen Exportkontrollbehörden betroffenen Unternehmen auch hierzu Leitlinien an die Hand geben werden, um dieser Verpflichtung nachzukommen.

Endverbleibserklärung

In Übereinstimmung mit internationalen Standards sieht der aktuelle Entwurf des ECL weiterhin vor, dass Ausführer ihrem Genehmigungsantrag eine Erklärung über den Endverwender und die Endverwendung beifügen müssen. Die Erklärung ist entweder von dem Endverwender oder der Regierung des jeweiligen Staates der Angehörigkeit bzw. Ansässigkeit auszustellen. In dieser Erklärung sollen sich Endverwender dazu verpflichten, das kontrollierte Gut ohne die Erlaubnis der chinesischen Behörden keiner anderen als der erklärten Endverwendung zuzuführen und keinem anderen Endverwender zu überlassen.

„Unreliable Entity List“

Verstößt ein Einführer oder Endverwender gegen diese Verpflichtung und holt keine Genehmigung der chinesischen Exportkontrollbehörden ein, gefährdet er nationale Sicherheitsinteressen oder setzt er die kontrollierten Güter zu terroristischen Zwecken ein, kann er auf eine „Unreliable Entity List“ gesetzt werden. Derart gelistete Personen sollen vom Handel mit kontrollierten Gütern ausgeschlossen werden.

Umfassender Sanktionskatalog

Der Entwurf des ECL enthält schließlich einen umfassenden Sanktionskatalog, der seinem Umfang nach etwa ein Viertel des gesamten Gesetzentwurfs ausmacht. Für jeden Verstoß ist darin die Verhängung eines Bußgelds bis zum Fünf- oder gar Zehnfachen des mit dem Geschäft erzielten Umsatzes, maximal jedoch bis zu 5 Mio CNY (etwa 630.000 EUR) vorgesehen. Den Unternehmen drohen darüber hinaus die Versagung von Ausfuhrgenehmigungen für bis zu fünf Jahre nach dem Verstoß und ein Eintrag auf der „National Credit Information Sharing Platform“ und somit ein erheblicher Ansehensverlust.

Der aktuelle Entwurf lässt im Unterschied zum Entwurf aus dem Jahr 2017 keine Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige zu. Sollte es bei dieser Regelung bleiben, würde dies zu einem erheblichen Compliancerisiko für Unternehmen führen, die mit und in China Handel treiben.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Es ist zu begrüßen, dass China sein Exportkontrollrecht an internationale Standards anpassen und in einem einheitlichen Rechtsakt zusammenfassen will. Vieles ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ungewiss. So wurden bisher weder Güterlisten oder ein Formular zur Endverbleibserklärung veröffentlicht, noch wurden die Zuständigkeiten der jeweiligen Exportkontrollbehörden klar abgegrenzt oder Leitlinien für ein internes Exportkontrollsystem formuliert. Auch bleibt abzuwarten, ob letztlich auf die Festsetzung einer De-minimis-Schwelle für die Kontrolle der Wiederausfuhr chinesischer Güter und auf eine Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige verzichtet wird.

Schon jetzt zeichnet sich jedoch eine erhebliche Verschärfung des chinesischen Exportkontrollrechts ab. Die Auswirkungen werden vor allem Unternehmen mit Fertigung in China treffen; deren Compliancesysteme bilden derzeit regelmäßig nur die europäischen und US-amerikanischen Exportkontrollvorschriften ab. Eine Anpassung der internen Compliancesysteme an die neue Exportkontroll­realität muss vorbereitet werden. Aber auch Logistikunternehmen, Banken und andere Dienstleister müssen die Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit frühzeitig prüfen, um Compliancerisiken zu vermeiden.

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