Der deutsche Mittelstand setzt zunehmend auf dynamisch wachsende Auslandsmärkte. So gewinnen grenzüberschreitende Zahlungsströme an Bedeutung im Unternehmen. Hierdurch steigen die Risiken – insbesondere vor dem Hintergrund eines volatilen ­globalen Umfelds. Dr. Ulrich Schürenkrämer erläutert uns, wie sich durch die fortschreitende Internationalisierung mittelständischer Firmen die Anforderungen an das Risikomanagement ändern, und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.

Interview mit Dr. Ulrich Schürenkrämer, Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland und des Management Committee Deutschland, Deutsche Bank AG

Herr Dr. Schürenkrämer, die Wachstumsstrategie des deutschen Mittelstands ist zunehmend mit der Eroberung neuer Absatzmärkte verbunden. Was sind die Folgen für das Risikomanagement im Unternehmen?

In der Tat eröffnet die Dynamik der internationalen Märkte Unternehmen ein enormes Wachstumspotential und somit attraktive Geschäftsmöglichkeiten: Neue Absatzmärkte und günstige Einkaufsmöglichkeiten sowie Nischen, die von anderen Unternehmen noch nicht besetzt werden. Doch wer weltweit im- oder exportiert, trägt stets auch Risiken wie Bonitätsrisiken, politische Risiken, Kurs- oder Transferrisiken. Gleichzeitig steigt das Volumen der Transaktionen im Tagesgeschäft. Damit ergeben sich neue Anforderungen an die Finanzabteilungen in Richtung Risikomanagement und Prozesssteuerung.

Wie würden Sie die neuen Anforderungen an das Risikomanagement beschreiben?

Die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage wird zunehmend schwieriger. Prognosen sind noch unsicherer geworden. In vielen Branchen ist das grundsätzliche Vertrauen in die langfristige Berechenbarkeit der Geschäftspartner gesunken. Sicher ist nur, dass Unternehmen in allen Bereichen mit hohen Volatilitäten und Ausschlägen rechnen müssen. Das ist eine neue Normalität, mit der sie umzugehen haben. Die alte Planbarkeit der vergangenen Jahre und Jahrzehnte gibt es nicht mehr. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dauerhaft mehr auf Sicht zu fahren, mit einer insgesamt höheren Komplexität umzugehen und bei Bedarf schnell zu reagieren.

Wie gut ist der deutsche Mittelstand aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern?

Die zunehmend geforderte Flexibilität gehört zur Kernkompetenz des international aufgestellten deutschen Mittelstands, der in den vergangenen Jahren in der Geschäftsentwicklung und bei der Finanzierung Enormes geleistet hat. Die Unternehmen sind nah am Kunden und können sehr schnell reagieren. Der deutsche Mittelstand hat zudem sein Eigenkapital verstärkt, managt das Working Capital viel besser als früher und erzielt derzeit einen hervorragenden Cashflow. Gewinne werden von den Unternehmen erfreulicherweise immer häufiger thesauriert, und die Finanzierung wird langfristig aufgestellt. Sie sind also mehrheitlich auf dem richtigen Weg. Der deutsche Mittelstand steht insgesamt gut da, er ist in einer hervorragenden Startposition für die Zukunft. Gleichzeitig sehen wir bei einigen mittelständischen Unternehmen Nachholbedarf. Gerade international agierende Unternehmen haben es in einem volatilen Umfeld oft besonders schwer.

Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf bzw. Verbesserungsmöglichkeiten?

Marktpreisrisiken in Form von Zins-, Währungs- oder Rohstoffpreisschwankungen oder Ausfallrisiken werden leider häufig noch nicht beziehungsweise nicht ausreichend berücksichtigt. Da sehen wir Entwicklungspotential, denn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass starke Schwankungen bei Währungen und Rohstoffen selbst hochprofitable Geschäfte zu Bilanzrisiken machen können. Viele Unternehmen haben dies zwar erkannt, stehen bei der Umsetzung allerdings vermehrt vor neuen Herausforderungen, um den Komplexitäts- und Flexibilitätsanforderungen gerecht zu werden.

Wozu raten Sie?

Zum einen ist es wichtig, dass auch im Risikomanagement die operative Verarbeitung der Transaktionen möglichst effizient erfolgt, um genügend Freiräume für wichtige Entscheidungen zu haben. Zum anderen ist es gerade bei den komplexeren Themen notwendig, Entscheidungen auf Basis valider Daten und Analysen tätigen zu können. Um die wirklich wichtigen Themen und den Handlungsbedarf erkennen und aktiv managen zu können, muss der Überblick über die Position und die relevanten Zahlungsströme im Unternehmen gewährleistet sein. Positionen, die starken Schwankungen unterliegen, sollten streng überwacht werden. Das erfordert häufig externe Unterstützung.

Ist der Mittelstand mit dem Währungsmanagement überfordert?

Der Mittelstand hat viele Beziehungen zu Nichteuroländern, etwa in Form von Abnehmern, Zulieferern, Produktionsgesellschaften, Vertriebsgesellschaften, und damit viele Währungszahlungsströme: Zahlungseingänge aufgrund von Exporten, Zahlungsausgänge aufgrund von Importen, Kapitaltransaktionen mit Konzernunternehmen im Ausland, Währungskäufe und -verkäufe über Kontokorrentkonten und vieles mehr. Das Risiko, durch Währungsschwankungen die hart verdienten Margen aus dem Kerngeschäft zu verlieren, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Hierbei ist es entscheidend, die Währungsgeschäfte möglichst komfortabel, schnell und mit geringem Aufwand abzuwickeln. Denn gerade im aktuellen Umfeld gilt es, den Überblick zu bewahren und sich auf die wichtigen Themen zu konzentrieren. Das Währungsmanagement in den für deutsche Unternehmen wichtigen Währungen muss effizient organisiert sein.

Wie könnte das Währungsmanagement verbessert werden?

Die Deutsche Bank bietet in diesem Bereich Mittelständlern nicht nur eine gezielte Beratung, sondern auch elektronische Handels- und Treasury-Systeme, über die Auszahlungen und Absicherungsgeschäfte selbständig abgewickelt werden können. Darüber hinaus decken Spezialisten auch Aspekte wie Verarbeitung, Informationsbereitstellung und Controlling ab. Mit Hilfe dieser Instrumente können Firmen ihr Liquiditätsmanagement verbessern, die Transparenz erhöhen, ihre Risiken minimieren und auch Kosten bei internationalen Geschäften einsparen. Darauf aufbauend, lässt sich ein Risikomanagement für Währungen etablieren, das Unternehmen vor Schwankungen wirkungsvoll schützt. Damit sind die Unternehmen nicht willkürlich den Märkten ausgesetzt, sondern sie gestalten ihre Zukunft aktiv mit.

Kontakt: ulrich.schuerenkraemer[at]db.com

19 replies on “Dauerhaft auf Sicht fahren”

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