Die AuO ist wichtig für die unternehmensindividuelle Gestaltung und für die haftungsrechtliche Absicherung der Geschäftsführung. Für die operative Compliance im Tagesgeschäft ist die AuO jedoch überbewertet.

Bei der Frage nach den Inhalten eines effizienten Trade-Compliance-Management-Systems (TCMS’) stößt man unweigerlich auf die Arbeits- und Organisationsanweisung (AuO). Es entsteht der Eindruck, ein Unternehmen könne ohne eine AuO unmöglich gesetzeskonform am Außenhandel teilnehmen. Ist da so?

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Die AuO wird geradezu mantraartig als der vermeintlich wichtigste Baustein eines TCMS’ kommuniziert, sei es von Behörden, Beratern oder in der Complianceliteratur. Wann und für wen ist eine AuO wirklich hilfreich, und wo liegt ihre große Stärke? Und weshalb ist sie gleichzeitig frappierend überbewertet?

Frage nach AuO kommt stets von außen, nicht aus dem Unternehmen

Es sind stets Externe, die sich dafür interessieren, ob ein Unternehmen eine AuO hat. Für behördliche Verfahrenserleichterungen in der Exportkontrolle und im Zollrecht ist eine AuO häufig Bewilligungsvoraussetzung. Innerhalb der globalen Supply-Chain fragen teilweise Lieferanten, Dienstleister oder Kunden, ob eine AuO vorhanden ist, bevor das Unternehmen als Businesspartner akzeptiert wird. Im Rahmen von Zoll- oder Außenwirtschaftsprüfungen möchten die Prüfer in der Regel die AuO einsehen. Und im „Worst Case“ fragen HZA, Zollfahndung oder Staatsanwaltschaft nach dem Vorhandensein einer AuO im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens.

In der Regel fragt jedoch keine unternehmensinterne (operative) Abteilung danach, ob in dem Unternehmen eine AuO vorhanden ist. Die AuO hat somit offensichtlich für Externe einen wesentlich höheren Stellenwert als für Interne.

AuO ist wichtig für die Vermeidung einer persönlichen Haftung

Die wichtigste Bedeutung der AuO liegt in der Vermeidung einer persönlichen Haftung der Geschäftsführung und der oberen Trade-Compliance-Führungsebenen wegen eines Organisationsverschuldens. Im Falle eines (erheblichen) Verstoßes gegen das Außenwirtschafts- oder Zollrecht kann es dazu kommen, dass die Ermittlungsbehörden ein Ermittlungsverfahren unmittelbar gegen die Geschäftsführung einleiten wegen unzureichender Organisation und Aufsicht der Abläufe im Außenhandel. In so einem Fall wirkt die AuO – zusammen mit weiteren Compliancemaßnahmen – wie eine Art „persönliche Haftpflichtversicherung“ für die Geschäftsführung. Mittels der AuO kann die Geschäftsführung häufig den Nachweis führen, dass sie für eine ausreichende Organisation gesorgt hat. Die wichtigste Funktion der AuO liegt damit in der persönlichen Haftungsvermeidung der Geschäftsführung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Organisationsverschuldens.

AuO ist wichtig für unternehmens­individuelle Gestaltung

Die AuO entfaltet eine weitere große Stärke bei der abteilungsübergreifenden, unternehmensindividuellen Gestaltung und Verteilung der Rollen und Verantwortlichkeiten für Trade-Compliance. In der Praxis sieht man teilweise AuOs, die mehr oder weniger lediglich die Gesetzeslage wiedergeben, ohne auf die unternehmensindividuellen Abläufe, Rollen und Verantwortlichkeiten einzugehen. In einem solchen Fall ist die AuO nahezu wertlos, weil sie lediglich das Gesetz wiederholt (wenn auch etwas verständlicher), jedoch nicht organisiert. Der Großteil der AuO sollte darin bestehen, allen für die Trade-Compliance relevanten Abteilungen maßgeschneiderte und abgestimmte Rollen und Verantwortlichkeiten zu übertragen. Relevante Abteilungen sind typischerweise mindestens Einkauf, SCM-Teams, Technology, Forschung & Entwicklung, IT und Sales. Eine weitere wichtige Funktion der AuO liegt damit in der eher generischen Gestaltung von Rollen und Verantwortlichkeiten.

Die AuO ist überbewertet für das, was wirklich zählt

Die AuO ist im Ergebnis wichtig für die unternehmensindividuelle Gestaltung und für die haftungsrechtliche Absicherung der Geschäftsführung. Für die operative Compliance im Tagesgeschäft – also für das, was wirklich zählt – ist die AuO jedoch frappierend überbewertet. Ziel von Trade-Compliance ist die Vermeidung von (erheblichen) Verstößen gegen Außenwirtschaftsrecht, Zollrecht und Exportkontrolle im Tagesgeschäft.

Bei (großen) Unternehmen mit Global Sourcing, mehreren Produktionsstätten EU- oder weltweit, zahlreichen Intra-Company-Bewegungen und nahezu weltweiten Sales-Aktivitäten gibt es täglich mehrere Hundert, wenn nicht sogar mehrere Tausend Trade-Compliance-relevante Geschäftsvorfälle/Transaktionen. Gleichzeitig wissen konzernweit in der Regel nur wenige Mitarbeiter, (a) dass es eine AuO gibt, (b) wo sie zu finden ist und (c) was in der AuO steht.

Transaktionen für Bestellungen, Supply-Chain, Produktion und Sales werden heute meistens IT-gestützt und vollautomatisiert in den ERP-Systemen der Unternehmen abgewickelt. Eine manuelle Kontrolle der elektronischen Abläufe ist kaum noch möglich. Eine selbst nach modernsten Compliancestandards verfasste und die aktuelle Gesetzeslage wiedergebende AuO besteht am Ende aus nicht mehr als ca. 15–30 Seiten analogem Papier, deren Inhalt konzernweit kaum jemand kennt. Die AuO hat (unmittelbar) keinen Einfluss auf die digitalen, vollautomatisierten Abläufe in einem Konzern.

Große, international agierende Unternehmen können heute meistens nur noch über digitale Trade-Compliance-Management-Systeme ausreichend gesetzeskonform justiert werden. Stichworte sind hier die Definition, die Kontrolle und die Steuerung von Trade-Compliance-relevanten Stammdaten(feldern) der Kreditoren, Materialien und Debitoren. Ein Unternehmen kann auf diese Weise hocheffizient compliant justiert werden, ohne dass dafür auch nur eine einzige, analoge Seite einer AuO erforderlich ist. Umgekehrt kann ein Unternehmen über eine nach modernsten Compliancestandards verfasste AuO verfügen und trotzdem permanent und systematisch gegen Außenhandelsvorschriften verstoßen. Es ist daher geradezu fahrlässig, aus dem Vorhandensein einer AuO abzuleiten, ein Unternehmen agiere im Tagesgeschäft compliant im Außenhandel.

Resümee

Trade-Compliance-Abteilungen sollten sich in Zukunft auf digitale TCMS’ konzentrieren, weniger auf die Erstellung von AuOs. Es ist Zeit, den Schritt weg von analoger Papiercompliance hin zu digitalen, stammdatengesteuerten TCMS’ zu gehen. In diesem Zusammenhang rückt die IT-Abteilung als die zunehmend wichtigste Complianceabteilung immer mehr in den Fokus. Gehen Sie häufiger mit Ihren Kollegen von der IT-Abteilung essen, und beginnen Sie, Compliance digital zu denken, nicht mehr analog. Es lohnt sich!

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