Da die Zolltarifnummern (ZTN) über das Harmonisierte System (HS) weitgehend übereinstimmen, müsste eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) in Deutschland zum weitgehend gleichen Ergebnis wie in den USA kommen, zumindest bezüglich der ersten sechs Ziffern. Was passiert, wenn für die USA eine ZTN benutzt wird, die von der europäischen abweicht? Oder wenn trotz einer verbindlichen US-Anordnung die deutsche ZTN für die USA genommen wird? Macht sich dann der deutsche Exporteur strafbar?
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Ausgangsfall
D stellt elektromechanische Schnappschalter her, die auch in den USA vertrieben werden. Für diese erhielt D in Deutschland eine vZTA, dass sie in die ZTN 8536 5080 einzureihen seien (Zollsatz 0,6%). Kurz drauf erhielt D für dasselbe Produkt einen verbindlichen US-Bescheid, dass die Produkte in den USA unter 8543 7099 einzureihen seien (Zollsatz 2,6%). Kürzlich stellte D fest, dass diese Waren in den USA nicht mit der von den USA vorgegebenen ZTN, sondern mit der an die deutsche vZTA angelehnten ZTN 8536 5070 zollfrei eingeführt wurden. Hat sich D nach deutschem oder US-Recht strafbar gemacht? Und was sollte D machen?
Frage 1: Strafbarkeit in Deutschland wegen Steuergefährdung?
In Betracht kommt eine Strafbarkeit nach § 379 AO wegen Steuergefährdung. Diese ist nach ihrem Wortlaut auch im Ausland zu beachten, wenn die Abgaben in einem anderen Staat verkürzt werden können. Es stellt sich aber die Frage, ob Belege ausgestellt wurden, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind. Dieser Beleg könnte die vZTA sein, deren ZTN von D übernommen wurde. Unrichtig ist der Beleg, wenn er von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht oder einen anderen als den wirklichen Sachverhalt bekundet. D hatte in Deutschland die vZTA erhalten, dass ihre Güter in 8536 5080 einzureihen seien. In den USA gibt es genau diese Nummer nicht. Da nach dem HS nur die ersten sechs Ziffern der ZTN identisch sind, dürfte die Einreihung in den USA in 8536 5070 nach deutschem Recht richtig sein. Daher liegt keine Strafbarkeit nach deutschem Recht vor.
Frage 2: Strafbarkeit nach US-Recht?
Es könnte eine strafbare Steuerhinterziehung nach US-Recht vorliegen. Die Voraussetzungen hierfür sind: Es liegt ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Import von Waren in die USA vor unter Verwendung eines Dokuments oder von Informationen, die in zollrelevanter Hinsicht unrichtig sind und sich auf die Einfuhrabgaben auswirken können. Dies gilt zumindest dann, wenn keine Verwaltungsfehler und keine Irrtümer über die Fakten vorliegen.
Dies dürfte hier nach US-Recht vorliegen: Eine vom verbindlichen Bescheid der US-Behörden abweichende Einreihung der Waren in die ZTN, die der deutschen ZTN aus der vZTA am nächsten kommt, dürfte nach US-Recht eine unrichtige Information sein. Es ist daher im Zweifel von einer Strafbarkeit nach US-Recht auszugehen. Die möglichen Folgen sind bei einfacher Fahrlässigkeit, wie sie hier im Zweifel vorliegen: Als Sanktionen drohen maximal der Wert der Waren oder der zweifache Wert der vorenthaltenen Abgaben sowie die Nachforderung des vorenthaltenen Abgabenwertes.
Frage 3: Welche Reaktionsmöglichkeiten hat D?
D könnte eine freiwillige Selbstanzeige zur Verminderung der Geldbuße einlegen. Und/oder: D könnte eine Post-Summary-Correction zur Korrektur und Auslösung der richtigen Abgabenhöhe einreichen. Oder D könnte einen neuen verbindlichen Einreihungsbescheid für die USA beantragen.
Resümee
Das Problem dieses Falls besteht darin, dass D keinen Rechtsbehelf gegen diesen US-Bescheid eingelegt hat. Wenn die ersten sechs Ziffern der ZTN sowohl in den USA als auch in Deutschland identisch sein müssen, hätte D erkennen können und sollen, dass dieser US-Bescheid unrichtig sein musste. Wenn D dagegen keinen Rechtsbehelf einlegt, können sich schwerwiegende Auswirkungen für D ergeben: Hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu strafrechtlichen Ermittlungen der US-Behörden kommt. Diese Fälle passieren immer wieder in der Praxis, und dann ist wichtig, dass die Betroffenen sofort Rechtsmittel gegen einen solchen US-Bescheid einlegen. Nur dann kann die Harmonie der zollrechtlichen Behandlung identischer Güter nach EU- und US-Zollrecht gewahrt werden.
Diese Harmonie war hier gestört, weil die US-Behörden verbindlich eine ZTN vorgeschrieben haben, die deutlich – schon ab der dritten Ziffer der ZTN – von der verbindlich vorgeschriebenen ZTN für Deutschland abwich. In der Praxis kommt es öfter vor, dass die Bescheide für eine verbindliche ZTN in Deutschland und den USA voneinander abweichen. Hier wäre das Einlegen eines Rechtsmittels durch D wichtig, um diese weltweite Harmonie der ersten sechs Ziffern der ZTN wieder herzustellen.
In einem beratenen Fall hat die Mandantin einen neuen zollrechtlichen Bescheid für ihre Produkte in den USA beantragt. Da dieser in Anlehnung an den deutschen Bescheid erfolgte und den vorigen US-Bescheid aufhob, war das zollrechtliche Problem gelöst. Ansonsten muss über eine freiwillige Selbstanzeige und/oder eine Abgabenberichtigung nachgedacht werden.
Wegen aktueller Hinweise zum US-Exportrecht vgl. http://hohmann-rechtsanwaelte.de/us-exportrecht.html
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