Als die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) 2016 ihr 45-jähriges Bestehen feierten, lag der für den Erfolg des Landes so wichtige Ölpreis wieder auf dem Niveau von 2006. Die Emirate stehen weiterhin vor der Herausforderung, ihre Volkswirtschaft darauf auszulegen, dass der Ölpreis deutlich unter 100 USD pro Barrel verbleibt. Die Regierung hat die Weichen für ein Wirtschaftswachstum außerhalb des Ölsektors gestellt.
Von Sebastian Fenk, Büroleiter Abu Dhabi, KfW IPEX-Bank
Durststrecke nach goldenen Jahren
Das Wachstum der Wirtschaftsleistung in den VAE ist 2016 mit ca. 2,1% erneut deutlich geringer ausgefallen als in den Jahren von 2010 bis 2014. Damals wuchs die Volkswirtschaft aufgrund sprudelnder Öleinnahmen im Durchschnitt um jährlich ca. 5%. Seit 2015 ist der Haushalt der VAE nicht mehr ausgeglichen und muss teilweise durch die Aufnahme von Staatsschulden und Assetverkäufen des staatlichen Investitionsfonds finanziert werden. Auch wenn sich die OPEC und die Ölproduzenten außerhalb der OPEC Ende 2016 auf signifikante Produktionskürzungen einigen konnten, lassen diese mittelfristig lediglich eine Stabilisierung bzw. einen leichten Anstieg vom aktuellen Niveau erwarten. Eines scheint somit festzustehen: Die Zeiten traumhafter Haushaltsüberschüsse, massiver Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat und riesiger Investitionen in ambitionierte Leuchtturmprojekte scheinen vorüber.
Vermeidung der Rohstofffalle
Aber ist der aktuelle Ölpreisschock nun der Anfang vom Ende des Booms, und werden die VAE das Schicksal der Insel Nauru im Pazifik teilen? Nauru, das im Jahr 1968 die Unabhängigkeit erhielt und seitdem als die kleinste Republik der Erde gilt, saß damals auf einem der weltweit größten Phosphatvorkommen. Die Insel mit 4.000 Einwohnern war zwischenzeitlich das reichste Land der Erde, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen. Man hatte aber die Endlichkeit der Rohstoffvorkommen unterschätzt. Durch maßlose Verschwendung und eine vollkommen fehlgeleitete Investitionspolitik wurde Nauru inzwischen wieder eins der ärmsten Länder der Welt.
Im Gegensatz zu den Regierenden in Nauru hat schon Sheikh Zayed, unter dem sich die Emirate zu einem gemeinsamen Staat zusammengeschlossen haben, die Endlichkeit der Bodenschätze lange vor der aktuellen Krise erkannt. Auch unter der aktuellen Herrschergeneration wurde die Diversifikation der Volkswirtschaft weiter forciert. Als Erfolgsgeschichte ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Emirat Dubai zu nennen, das in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich seine Abhängigkeit von Öleinnahmen reduzieren konnte.
Diversifikationsanstrengungen werden aber auch in Abu Dhabi und auf föderaler Ebene umgesetzt. Die florierenden Öleinnahmen in den Jahren zwischen 2010 und 2014 haben den Aufbau eines beachtlichen Staatsvermögens ermöglicht. Insgesamt agieren die VAE somit aus einer Position der Stärke heraus. Dennoch hat man mit Subventionskürzungen, reduzierten staatlichen Investitionsprogrammen und der Reorganisation von staatsnahen Unternehmen konsequent und zügig auf die veränderte Situation reagiert. Selbst beim aktuellen Ölpreis weisen die VAE aktuell ein nur relativ geringes Haushaltdefizit aus, und die Weltbank prognostiziert ab 2018 wieder einen marginalen Haushaltsüberschuss.
Subventionskürzungen und Austerität
Strom- und Wassertarife wurden insbesondere für die Expat-Community deutlich erhöht. Der Benzinpreis wurde angehoben und ist zukünftig an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt. Zudem wird in Abu Dhabi seit Anfang dieses Jahres für Expats eine Steuer in Höhe von 3% der jährlichen Miete erhoben — in Dubai sogar in Höhe von 5%. Anfang 2018 ist zudem die Einführung einer Umsatzsteuer geplant.
Die Haushaltsbudgets in Abu Dhabi und auf föderaler Ebene wurden deutlich gekürzt, so dass die Investitionsaktivität generell zurückging. Dubai hat seine Infrastrukturausgaben im Hinblick auf die EXPO 2020 auch in den vergangenen Jahren jedoch weiter vorangetrieben. Insgesamt werden Potentiale somit eher durch die Reduzierung von Subventionen als durch massive Austeritätsprogramme gehoben.
Kostensenkung & Konsolidierung
Deutlich gravierendere Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und damit auf den nachgelagerten Konsum haben die Konsolidierungsaktivitäten und Kosteneinsparungsprogramme der staatsnahen Unternehmen. Insbesondere im Öl- und Gasbereich wurden bestehende Verträge mit internationalen Partnern neu verhandelt oder neue Verträge mit deutlich niedrigeren Preisen abgeschlossen. Diese waren dadurch gezwungen, Mitarbeiter freizusetzen. Der Umfang ist für Außenstehende nicht leicht quantifizierbar, da keine offiziellen Daten erhoben werden. Die Auswirkungen lassen sich aber im täglichen Leben an weichen Faktoren wie offensichtlichem Leerstand in den großen Immobilienentwicklungen, einem deutlich reduzierten Verkehrsaufkommen oder leeren Stühlen in Schulklassen, vor allem in Abu Dhabi, festmachen.
Zusätzlich werden die Fusionen von Banken (NBAD und FGB), staatlichen Investmentgesellschaften (IPIC und Mubadala) sowie Tochtergesellschaften der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC (Offshoreeinheiten ZADCO und ADMA) den Druck auf die Binnenwirtschaft erhöhen, wenn es zu Entlassungen kommt und die freigestellten Expats die VAE verlassen. Zudem haben viele Unternehmen in den vergangenen Monaten die Nebenleistungspakte wie z.B. Zuschüsse zu Schulgeld, Miete oder den Umfang der Krankenversicherung deutlich reduziert. Da insbesondere Miet- und Schulkosten in den VAE relativ hoch sind, bedeuten diese Maßnahmen drastische Einschnitte in das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer. Die Auswirkungen lassen sich bereits am Immobilienmarkt ablesen, der erstmals seit Ende der Finanzkrise wieder fallende Mieten aufweist.
Ausbau der erneuerbaren Energien
Die VAE haben auf die veränderte Situation aber nicht nur mit dem auch in Europa gut bekannten Mittel der Sparprogramme reagiert, sondern auch mit gezielten Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur, in erneuerbare Energien sowie Energieeffizienzmaßnahmen. Mit Nachdruck verfolgt man das Ziel, bis 2021 ca. 27% der Energie durch erneuerbare Technologie, hierzu zählt man in den Emiraten auch die Atomenergie, zu erzeugen. Diese Anstrengungen haben insbesondere durch die letzten beiden Ausschreibungen von Photovoltaikprojekten in Dubai und Abu Dhabi ein zusätzliches Momentum erhalten. Die gebotenen Tarife von 0,299 USD/kWh bzw. 0,242 USD/kWh sind die weltweit mit Abstand niedrigsten Tarife, die bis dato für PV-Projekte angeboten wurden. Ähnliche Potentiale zur Einsparung von CO2 bietet der Bereich der Energieeffizienz. Diesem wurde in der Vergangenheit eher weniger Aufmerksamkeit geschenkt.
Nachdem die vergangenen Jahre eher von Absichtserklärungen getrieben waren, ist nun ein nachhaltiges Committment der Entscheider sowohl für den Ausbau der erneuerbaren Energien als auch bei Energieeffizienz zu erkennen. Anfang 2017 wurde im Rahmen der IRENA-Tagung eine Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und den VAE begründet, wie sie Deutschland mit einigen anderen Ländern bereits abgeschlossen hat. Durch diese Kooperation erhoffen sich die VAE, von den Erfahrungen in Deutschland zu profitieren.
Für deutsche Exporteure und die KfW IPEX-Bank, die in diesem Bereich in den VAE und anderswo bereits einen bedeutenden Beitrag geleistet haben, ergeben sich hier zusätzliche Potentiale. Die GCC-Region war 2015 mit ca. 29 Mrd EUR bereits der drittwichtigste Absatzmarkt für deutsche Unternehmen außerhalb der EU, wobei Waren im Wert von ca. 15 Mrd EUR in die VAE exportiert wurden. Die KfW IPEX-Bank unterstützt die deutsche und europäische Exportwirtschaft seit vielen Jahren in der Region mit der Bereitstellung von langfristigen Finanzierungen und war auch während der Finanzkrise als verlässlicher Partner aktiv.
Ausblick
Die nachlassende Binnennachfrage und das sich verschlechternde Investitionsklima haben bereits eine vorsichtige Lockerung der Sparmaßnahmen zur Folge. So werden die Investitionen nicht nur in Dubai weiter ausgeweitet, son-dern auch das föderale Budget sieht nun eine moderate Ausgabenerhöhung um 2,5% vor. Abu Dhabi hat ebenfalls neue Investitionsprojekte bekanntgegeben, die ein behutsames Ende der ohnehin maßvollen Sparanstrengungen vermuten lassen.
Insgesamt befinden sich die VAE auf einem guten Weg der wirtschaftlichen Erholung. Aktuelle Prognosen sehen für 2017 einen Haushalt, der lediglich ein minimales Defizit ausweist, und eine Wirtschaft, die mit 2,8% voraussichtlich stärker wachsen wird als in den beiden vergangenen Jahren. Die Weltbank rechnet aktuell damit, dass 2018 sowohl Ölproduktion als auch der Nichtölsektor wieder stärker wachsen werden. Dabei wird die EXPO 2020 in den kommenden Jahren einer der wesentlichen Treiber der Investitionen in Dubai und dem Rest der VAE sein. Zudem wird die erwartete Erholung des Ölpreises die Haushaltssituation und damit auch das Investitionsklima weiter verbessern.
Innerhalb der Länder des Golf-Kooperationsrates scheint das Land mit Abstand am besten auf ein Zeitalter mit einem niedrigen Ölpreis vorbereitet zu sein. Die großen finanziellen Reserven stimmen zuversichtlich, dass das Land auch längere Phasen eines niedrigeren Ölpreises überstehen und die Diversifizierungsbemühungen weiter vorantreiben wird.
Die VAE werden aufgrund der politischen Stabilität und der guten Sicherheitslage im Land auch in der Zukunft als sicherer Hafen wahrgenommen werden und attraktive Investitionsmöglichkeiten für regionale und internationale Investoren bieten. Dieser Status hängt selbstverständlich sehr stark von regionalen und internationalen politischen Entwicklungen ab und kann nicht losgelöst vom geopolitischen Umfeld gesehen werden.
Um Sheikh Zayeds Vision von prosperierenden VAE mit immer geringerer Abhängigkeit von Rohstoffreserven Wirklichkeit werden zu lassen, müssen seine Nachfahren den von ihm vorgegebenen Weg konsequent weiterbeschreiten. Ihr schnelles Handeln als Reaktion auf den Ölpreisverfall bestärkt die Hoffnung, dass die VAE aus den Fehlern Naurus gelernt haben und dass das Jahr 2017 ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte der VAE sein wird.