Seit dem Amtsantritt von Präsident Al-Sisi vor zwei Jahren hat sich die politische Ordnung im Land stabilisiert. Die Wirtschaft konnte hiervon allerdings nicht profitieren. Vielmehr haben Unterdrückung, Terroranschläge und die schlechte makroökonomische Politik dramatische Auswirkungen auf den Tourismus, der eine der wichtigsten Deviseneinnahmequellen darstellt. Auch in Bezug auf Währungsreserven, Leistungsbilanz, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit hat sich die Lage erheblich verschlechtert.

Von Christoph Witte, Country Manager, Credendo

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Politik wie gehabt

Seit Al-Sisis Amtsantritt vor zwei Jahren ist das Land von größerer politischer Sicherheit geprägt, auch wenn es erneut von einem autoritären Militärregime be-herrscht wird. So üben die Streit- und Sicherheitskräfte umfassenden Einfluss auf die Politik aus und kontrollieren gleichzeitig Schlüsselbereiche der Wirtschaft. Infolgedessen kommt es nun seltener zu offenen Demonstrationen gegen die Regierung. Gleichzeitig ist die Zahl der Terroranschläge deutlich gestiegen. Dies hat verheerende Folgen für den Tourismus. So ließ sich nach dem Abschuss eines russischen Flugzeugs im November 2015 durch eine dem Islamischen Staat nahestehende lokale Gruppierung ein drastischer Rückgang der Tourismuseinnahmen verzeichnen.

Hinzu kommt, dass die Unterstützung für den populären Al-Sisi nachlässt, da er außerstande scheint, eine adäquate Antwort auf die fortdauernde wirtschaftliche Krise zu finden. Diese äußert sich insbesondere in anhaltender Arbeitslosigkeit und hoher Inflation, aber auch in einer Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen, zunehmender Polizeigewalt, allgegenwärtiger Korruption sowie Energie-, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit. Unruhen halten sich bisher in Grenzen, doch die wirtschaftliche Erholung dürfte eine entscheidende Voraussetzung für die politische Stabilität der kommenden Jahre darstellen.

Schwierige Freundschaften

Ägypten ist in der arabischen Welt seit jeher ein unverzichtbarer Bündnispartner, da ihm bei der Wahrung der regionalen Stabilität eine Schlüsselrolle zukommt und der Suezkanal eine wichtige Wasserstraße für den Welthandel bildet. Seit der Absetzung Präsident Mursis profitiert das Land von einer erheblichen Verbesserung der Beziehungen zu den Golfstaaten, insbesondere zu Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait. Dies ist auf die Abneigung gegen die Muslimbrüder zurückzuführen, die speziell vom Regime in Riad als ideologische Kontrahenten gesehen werden.

Die Golfstaaten stellten außerdem Hilfsgelder zur Verfügung, doch die Zahlungen sind inzwischen zurückgegangen und erfolgen seit 2016 nur noch in Form von zinsgünstigen Krediten. Gründe hierfür sind der anhaltend niedrige Ölpreis, Uneinigkeit bezüglich regionalpolitischer Fragen (z.B. Syrien) sowie Frustration aufgrund der ausbleibenden Erholung der ägyptischen Wirtschaft. Besonders die Beziehungen zu Saudi-Arabien sind angespannt, was sich im Lieferstopp von monatlich 700.000 t Erdölerzeugnissen zu großzügigen Kreditbedingungen äußert. Dennoch scheinen Saudi-Arabien und andere Golfstaaten an ihren Unterstützungsbemühungen für Ägypten festzuhalten, wie kürzlich durch die Bereitstellung von Finanzhilfen in Höhe von 3 Mrd USD demonstriert.

Auch die Beziehungen zum IWF haben sich verbessert, bleiben jedoch kompliziert. Im Januar 2015 veröffentlichte der IWF seinen ersten Artikel IV in fünf Jahren, und im Sommer traf Ägypten eine vorläufige Übereinkunft über ein IWF-Kreditprogramm in Höhe von 12 Mrd USD, die in den kommenden drei Jahren ausgezahlt werden. Die Bewilligung des Kredits durch das IWF-Exekutivdirektorium hat einige Monate in Anspruch genommen. Eine erste Bedingung war, dass Ägypten im ersten Jahr bilaterale Hilfsgelder in Höhe von 5–6 Mrd USD anwerben kann. Auch der Abbau von Kraftstoffsubventionen und eine weitere Währungsabwertung waren Grundvoraussetzungen für die Bewilligung, doch die Freigabe des Ägyptischen Pfund und die Kürzung der genannten Subventionen dauerten bis Anfang November an. Damit hat die Sicherstellung des Kredits zwar einige Zeit in Anspruch genommen, doch ist dies das erste Mal, dass Ägypten eine Einigung erzielen konnte: In den vergangenen fünf Jahren scheiterten bereits zwei Vereinbarungen mit dem IWF an mangelndem Reformwillen und der Angst vor sozialen Spannungen.

Angeschlagene Wirtschaft

Die ägyptische Wirtschaft leidet unter jahrelangen politischen Turbulenzen, sinkenden Einnahmen aus dem Tourismus (einer Schlüsselbranche und unentbehrlichen Deviseneinnahmequelle), Investitionsrückgängen und Devisenbeschränkungen. Des Weiteren wird das Wachstum vom schwierigen Geschäftsumfeld beeinträchtigt (Ägypten belegt im „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank für 2017 Platz 122 von 190). Das niedrige Wachstum hat außerdem hohe Arbeitslosigkeit zur Folge, die 2015/2016 bei 14,5% lag. Die Jugendarbeitslosigkeit wird auf das Dreifache geschätzt.

Die langfristigen Aussichten sind jedoch positiver. Ende 2015 wurde ein riesiges Gasfeld entdeckt, das die Reserven Omans laut EIA-Schätzungen übertrifft. Ägypten ist der größte Ölproduzent außerhalb der OPEC und der zweitgrößte Produzent von trockenem Erdgas in Afrika. Gleichzeitig ist das Land der größte Öl- und Gasverbraucher des Kontinents und seit 2012 Nettoimporteur von Brennstoffen. Wenn die Schätzungen des Energiekonzerns Eni zutreffen, wird das Feld Ägyptens Gasvorräte in Höhe von 65,2 Bill Kubikfuß um nahezu die Hälfte erhöhen. Mit diesem Gas kann Ägypten seinen eigenen Energiebedarf decken und den Export wiederaufnehmen. Auch die vom IWF geforderten Reformen dürften für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen und damit langfristig einen Positivtrend einläuten.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks auf den Wechselkurs gab die ägyptische Zentralbank Anfang November die Freigabe der Währung bekannt, woraufhin das Ägyptische Pfund um etwa 50% abstürzte. Dieser Schritt senkt den Druck auf die Währungsreserven. Gleichzeitig dürfte mit der Erhöhung der Importpreise die Inflation weiter ansteigen. Diese war im August 2016 aufgrund der Abwertung im März bereits auf 15,5% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, was dem höchsten Wert seit 2009 entspricht. Die Freigabe des Ägyptischen Pfund dürfte die Inflation weiter in die Höhe treiben, was die bisherige Zurückhaltung der Zentralbank bezüglich dieser Maßnahme erklärt. Auch die geplanten Subventionskürzungen und Steuererhöhungen werden bis auf Weiteres für eine unverändert hohe Inflation sorgen. Der IWF erwartet für Juli 2016/Juni 2017 eine Inflationsrate von 16,5%, doch dieser Wert könnte sich auch noch erhöhen.

Schocks zerrütten das Land

Obwohl Ägypten als Importland von den niedrigen Nahrungsmittel- und Ölpreisen der vergangenen Jahre hätte profitieren müssen, sind gleichzeitig die Exporteinnahmen zurückgegangen und die wichtigsten Deviseneinnahmequellen unter Druck geraten. Die Tourismuseinnahmen sanken 2016 auf den tiefsten Stand seit zehn Jahren. Auch die Überweisungen, die wichtigste Quelle für Leistungsbilanzeinnahmen, haben stak abgenommen. Grund hierfür ist das schwächere BIP-Wachstum in den Golfstaaten, die in hohem Maße von Öl abhängig sind. Hinzu kommt der Abwärtstrend offizieller Transfers – eine Folge der schwindenden Hilfsgelder aus den Golfstaaten. Zudem sind die Einnahmen aus dem kürzlich erweiterten Suezkanal gesunken, da der Welthandel infolge des globalen Abschwungs zurückgeht. Somit dürfte das Leistungsbilanzdefizit im Zeitraum Juli 2016/Juni 2017 über 50% der Leistungsbilanzeinnahmen erreichen.

Für die kommenden Jahre ist eine Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits zu erwarten, da die Freigabe des überbewerteten Ägyptischen Pfund die Wettbewerbsfähigkeit stärken und damit den Export beleben dürfte. Auch die Tourismuseinnahmen sollten bei Nachlassen der Terrorangst wieder steigen, sofern die politische Stabilität bestehen bleibt. Die Überweisungen aus dem Ausland dürften sich mit dem erwarteten leichten Anstieg des Ölpreises in den kommenden Jahren ebenfalls erholen, und da inzwischen das IWF-Programm bewilligt wurde, kann Ägypten sein Leistungsbilanzdefizit künftig leichter finanzieren.

Da die kurzfristige Auslandsverschuldung im vergangenen Jahr auf über 25% der Leistungsbilanzeinnahmen von 2015/16 angeschwollen ist, steht Ägypten nunmehr vor umfangreichen Tilgungszahlungen. Auch bei der Gesamtauslandsverschuldung ist insbesondere in den vergangenen zwei Jahren ein Anstieg aufgrund von bilateralen und multilateralen Krediten zu verzeichnen. In den kommenden Jahren dürfte die Verschuldung weiter zunehmen, da kürzlich ein IWF-Kredit gewährt wurde, während zusätzlich bilaterale Finanzierung sichergestellt werden konnte. Des Weiteren finalisiert Ägypten derzeit einen Verkauf von Eurobonds in Höhe von 3–5 Mrd USD. Das bedeutet, dass Ägyptens nominale Auslandsverschuldung in den Jahren 2016/17 um 32% auf über 180% der Leistungsbilanzeinnahmen anschwellen dürfte, bis sie 2018/19 bei unter 200% der Leistungsbilanzeinnahmen stagniert.

Schwache öffentliche Finanzlage

Ägyptens öffentliche Finanzlage ist ausgesprochen angespannt. Für das Haushaltsjahr Juli 2016/Juni 2017 wird ein hohes Defizit von 9,7% des BIP erwartet. Ein bedeutender Teil des Budgets fließt in die Aufrechterhaltung teurer Nahrungsmittelsubventionen und einen aufgeblähten Beamtenapparat. Gleichzeitig müssen sehr hohe Zinszahlungen geleistet werden, während die Steuereinnahmen niedrig sind. Außerdem investiert die Regierung in riesige Bauprojekte wie den neuen Suezkanal und eine neue Stadt nahe Kairo.

Die Freigabe des Ägyptischen Pfund dürfte die Haushaltsbilanz kurzfristig verschlechtern, da der Staat der Hauptimporteur von Nahrungsmitteln und Kraftstoff ist. Überdies wurde das Haushaltsdefizit mit der Anhäufung von Schulden finanziert, die für Juni 2016/Juli 2017 auf über 90% des BIP geschätzt werden. Bisher wurden Ägyptens Staatsschulden vorwiegend vom inländischen Finanzsystem getragen, dem damit Kapazitäten für die Finanzierung des Privatsektors fehlten. In jüngerer Zeit kamen außerdem Finanzspritzen aus den Golfstaaten hinzu. Doch bereits jetzt sind ägyptische Banken dem öffentlichen Sektor in hohem Maße ausgesetzt, und die Bereitschaft der Golfstaaten, weitere Unterstützung zu leisten, lässt nach. Folglich sind Reformen zur Senkung des Haushaltsdefizits unerlässlich. Ägypten hat bereits die Strompreise um 20–40% und die Benzinpreise um 47% erhöht, und beschloss, ab September 2016 einen Mehrwertsteuersatz von 13% anzuwenden. Dennoch sind weitere Reformen notwendig. Die Haushaltskonsolidierung dürfte schmerzliche Maßnahmen und weitere Subventionskürzungen mit sich bringen und damit die öffentliche Unzufriedenheit zusätzlich verschärfen.

Das kurzfristige politische Risiko Ägyptens stuft Credendo auf einer Skala von 1 (bester Wert) bis 7 (schlechtester Wert) in die Kategorie 5 ein, das langfristige Risiko liegt in Kategorie 6. Vor dem Hintergrund des schwierigen Geschäftsklimas (hoher Verwaltungsaufwand, knappes Kreditangebot, schlechte Infrastruktur, steigende Kreditzinsen, Währungsabwertung sowie eine Inflation im zweistelligen Bereich) bleibt das Geschäftsrisiko hoch. Folglich ordnet Credendo das Geschäftsrisiko in die unterste Kategorie C ein.

Weitere Länderberichte und aktuelle Risikobewertungen finden Sie auf der neuen Internetseite von Credendo, ehemals Credimundi, unter www.credendo.com.

c.witte@credendo.com

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