Die Premiere des „Deutschen Exporttages“ am 28. November 2016 in der IHK Frankfurt am Main stieß auf reges Interesse – nicht nur bei den gut 200 Teilnehmern, sondern auch in der britischen Regierung. Handelsminister Liam Fox warb in seinem Grußwort an die Exportmanager für freien Handel und eine enge Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Deutschland. Auch die Unternehmer Stefan Messer und Martin Herrenknecht ließen sich von den jüngsten politischen Entwicklungen nicht aus der Ruhe bringen.
Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA
Brexit gemeinsam stemmen
„Großbritannien und Deutschland sind zwei der weltweit größten Befürworter des freien Handels“, sagte der britische Handelsminister Liam Fox in seinem Grußwort. Zugleich warnte er vor dem beunruhigenden Absinken der weltweiten Handelszuwächse und der Zunahme nichttariffärer Handelszuwächse. Er wies auf die Versuchung hin, in diesen Zeiten „die Zugbrücke hochzuziehen“, und appelierte an die Staatengemeinschaft, den protektionistischen Tendenzen zu widerstehen. Auch in der aktuellen Umfrage der deutschen Auslandshandelskammern beklagten deutsche Unternehmen die zunehmenden Handelshemmnisse im Ausland.
Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit der britischen Regierung machte Stefan Messer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messer Group und Vizepräsident der IHK Frankfurt am Main, in seinem Grußwort deutlich, dass ein harter Brexit eine Torheit und ein großer Fehler wäre. Man müsse eine für beide Seiten gute Lösung finden.
Sowohl die Messer Group als auch die Herrenknecht AG hätten einen hohen Auslandsanteil an den Umsätzen. Doch in den Rohstoffländern fehle das Geld, China baue seine Wirtschaft um, und die USA richteten ihre Wirtschaftspolitik neu aus. Daher sei es nun entscheidend, den europäischen Binnenmarkt weiterzuentwickeln. Insbesondere im Bereich der Dienstleistungen sei der Austausch noch ausbaufähig.
USA nicht abschreiben
Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender der Herrenknecht AG, berichtete von zahlreichen anspruchsvollen Tunnelprojekte des Herstellers von Tunnelvortriebsmaschinen, wie der Untertunnelung des Gotthards in der Schweiz oder der des Bosporus in der Türkei. Dabei mache das Auslandsgeschäft mehr als 95% des Umsatzes aus.
Unter den wichtigsten Märkten stellte er die USA in den Fokus. Donald Trump wolle Tunnel bauen, das mache ihn sehr sympathisch. Auch Frankreich investiere mit Blick auf die Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Russland leide dagegen unter dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Rubel und den eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten im westlichen Ausland. Das Land leide unter den Sanktionen. Putin sei enttäuscht von Europa. Im Nahen Osten gehe den reichen Ölförderländern wegen des niedrigen Ölpreises ebenfalls das Geld aus. Die Nachfrage in Brasilien sei vor allem aus politischen Gründen sehr schwach.
Ohne Vorzeigeprojekte in Deutschland wie den Elbtunnel könne er im Ausland nicht verkaufen, meinte Herrenknecht. Daher brauche man auch hierzulande einen Aufbruch. Die Widerstände gegen Stuttgart 21 könne er nicht verstehen. Nur wer eine moderne Infrastruktur habe, könne langfristig überleben.
Exportwachstum bleibt schwach
Prof. Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, erläuterte in seinem Impulsvortrag den langfristigen Abwärtstrend der deutschen Exporte. Vor der Wahl in den USA seien die Erwartungen für das kommende Jahr noch recht positiv gewesen, da sich einige Absatzmärkte in Europa erholt hätten. Nun seien Zweifel an dem Marktzugang in den USA entstanden.
Er rechne allerdings eher mit positiven Effekten der Wirtschaftspolitik, da es für die angekündigten expansiven Maßnahmen eher politische Mehrheiten gebe als für Handelsbeschränkungen. Die Staatsverschuldung könne weiterhin monetisiert werden. Es bestehe aber langfristig die Gefahr, dass die expansive Geldpolitik in den USA und im Euro-Raum zu Inflation führe.
Auch Dr. Peter Mrosik, Geschäftsführender Gesellschafter von profine, rechnet mit konjunkturellen Impulsen in den USA. Der Absatz in Großbritannien würde durch den Brexit Schaden nehmen, da das Britische Pfund deutlich an Wert verlöre. Das für den Hersteller von Tür- und Fensterrahmen bedeutende Russland-Ge-schäft werde sich dagegen erst im zweiten Halbjahr 2017 beleben. Man blicke mit Interesse nach Asien, insbesondere nach China. In Lateinamerika seien eher die Pazifikanrainer interessant, weniger dagegen der schwierige Markt Brasilien.
Auf die steigenden politischen Risiken wies anschließend Frank Liebold, Country Director des Kreditversicherers Atradius, hin. 2016 hätten nicht nur der Brexit, sondern auch die Entwicklung in der Türkei die wirtschaftlichen Aussichten getrübt. Dort seien über die deutschen Exporte hinaus auch Investitionen von 6.500 deutschen Unternehmen betroffen. Die Verhaftung von Beamten habe beispielsweise dazu geführt, dass Ansprechpartner in der Zollverwaltung nicht mehr zur Verfügung stünden.
Martin Herrenknecht wies noch einmal auf den potentiellen Schaden für Großbritannien durch den Brexit hin. Insbesondere eine Abspaltung Schottlands mit anschließendem Verbleib in der EU hätte für den Rest des Vereinigten Königreichs schwere Konsequenzen. Es sei aber noch nichts entschieden.
Mit Blick auf die schwache Entwicklung in Brasilien prognostizierte er, dass das Land in fünf Jahren kräftig aufholen werde. Auch China bleibe durch die jetzt angestoßenen Projekte der neuen Seidenstraße langfristig spannend. Diese Projekte würden dort viel schneller umgesetzt, als das hierzulande der Fall sei. Auch die Philippinen und Indonesien hätten Potential. Man müsse allerdings die Finanzierung mitbringen, so wie es die Chinesen tun. Daher sei es sinnvoll, auch in Deutschland von staatlicher Seite zu unterstützen.
Asiatische Konkurrenz holt auf
Nach der Plenumsdiskussion am Vormittag und den Themenforen zu einzelnen Märkten und Praxisbeispielen, widmete sich das Abschlussplenum den Erfolgsfaktoren des deutschen Exports: Innovation, Qualität und Konkurrenzfähigkeit.
Prof. Dr. Ingrid Ott, Professorin für Wirtschaftspolitik am Karlsruher Institut für Technologie, betonte die Bedeutung qualifizierter Arbeitskräfte sowie von Rechtssicherheit und Wertschöpfungsketten für das deutsche Wachstum. Die technologische Entwicklung werde weiteres Wachstum bringen.
Markus Maurer, Vertriebsleiter Industrie bei der VITRONIC Dr.-Ing. Stein Bildverarbeitungssysteme GmbH, ergänzte für sein Unternehmen die Technologieführerschaft als wichtigen Erfolgsfaktor. In der Robotik sei die Konkurrenz aus Japan und Südkorea stark, China liege noch zurück und biete eher Masse als Qualität. Maschinen könne man kopieren, bei Software sei das nicht so einfach. Man müsse einfach immer besser sein als die Konkurrenz.
Prof. Ott bescheinigte Japan und Südkorea eine klare Strategie in der Robotik, die Deutschland fehle. Vor allem im Bereich der Serviceroboter müssten Programme aufgelegt werden.
Jost Wübekke, Leiter des Programms Wirtschaft und Technologie beim Mercator Institute for China Studies (merics), erklärte das chinesische Wirtschaftswachstum vor allem mit niedrigen Kosten und hohen staatlichen Subventionen. Allerdings führten die Subventionen zu starken Mitnahmeeffekten und Scheinergebnissen wie einer hohen Zahl angemeldeter Patente.
Die chinesische Regierung setze auf neue Technologien wie E-Mobility und E-Commerce, auch Robotik stehe im Fokus. Dabei sei man an einer Zusammenarbeit mit Deutschland sehr interessiert. Auch im Bereich LED, Kerntechnik und Telekommunikation hole China auf. Plattformen wie Alibaba, Beidu und WeChat zeigten die Innovationskraft privater Start-ups. Man müsse China im Auge behalten und sich auf Überraschungen vorbereiten.
Markus Maurer empfahl den Exporteuren, sich hinsichtlich der Märkte und Produkte breit aufzustellen. Er sehe eine starke Konkurrenz in Südkorea, wo man die Entwicklung auf einzelnen Märkten wie der Photovoltaik lange beobachte, die Produktion optimiere und dann die anderen Anbieter verdränge.
Impressionen vom „1. Deutschen Exporttag“ können Sie HIER einsehen.
gunther.schilling@frankfurt-bm.com