Einschätzungen und Empfehlungen zur Exportfinanzierung in den kommenden Jahren standen im Mittelpunkt des Abschlusspanels des jüngsten Kongresses Länderrisiken von Coface Deutschland am 26. April 2012 in Mainz. Engpässe oder starke Kostensteigerungen durch die Regelungen von Basel III sind nach Ansicht der meisten Diskussionsteilnehmer nicht zu erwarten. Der Trend geht jedoch hin zu stärkerer Spezialisierung und Kooperation, die Hausbankbeziehung wird dagegen an Bedeutung verlieren.
Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut
Für die Unternehmen der Realwirtschaft war die Finanzkrise ein schmerzhafter Bruch des Vertrauensverhältnisses zu den Banken. Statt die Finanzierung der täglichen Güterproduktion und des weltweiten Handels sicherzustellen, hatten sich einige Institute bei der Suche nach lukrativen Geschäften in eine gefährliche Schieflage begeben. So wurde die Fristigkeit von Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Gleichgewicht gebracht. Die von dem Wertverlust der notleidenden Aktiva betroffenen Volumen überstiegen das Eigenkapital einiger Institute deutlich.
Nach der Finanzkrise waren sich alle Beteiligten einig, dass das Bankensystem sicherer gemacht werden müsse, führte Lothar Meenen, Leiter Trade Finance Deutschland Süd der Deutschen Bank, zu Beginn des Panels in das Thema Basel III ein. Man habe die Quote des harten Kernkapitals auf 7% erhöht, Liquiditätsvorschriften verschärft, die Fristentransformation eingeschränkt und ein Leverage-Ratio zur Begrenzung der Bilanzsumme in Relation zum Eigenkapital eingeführt.
An die Finanzierungsbedürfnisse des Mittelstandes erinnerte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, die anwesenden Bankenvertreter. Zwar seien derzeit 80% der Unternehmen mit ihrer Finanzierung zufrieden, doch gebe es die Befürchtung, dass Kredite in Zukunft knapper und teurer würden, wenn z.B. Exportfinanzierungen angesichts begrenzter Bilanzsummen in Konkurrenz zu margenstärkeren Geschäften der Banken stünden. Es sei nicht fair, dass risikoarme Mittelstandskredite eine höhere Risikogewichtung als Staatsanleihen bekämen, obwohl sich die Staatsverschuldung als zunehmendes Risiko erweise.
Markus Wohlgeschaffen, Head of Global Trade Finance & Services der UniCredit Bank, bemängelte die Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung für Akkreditive, obwohl es sich bei ihnen um Eventualverbindlichkeiten mit geringer Ausfallquote handele. Insgesamt würde die Summe der risikogewichteten Assets durch Basel III erhöht und übermäßig gesichert.
Markus Scheer, Mitglied der Geschäftsführung der KfW IPEX-Bank, resümierte, dass jede Bank überlegen werde, welche Produkte sie anbieten solle. Basel III sei in einem idealen Finanzsystem kein Problem, im globalen Wettbewerb entstünden jedoch Wettbewerbsnachteile für die Banken , die sich an Basel III hielten. In den USA und China würden die Regeln nämlich voraussichtlich nicht angewandt.
Manfred Haag, CFO von Coface Deutschland, verglich die Regeln von Basel III – trotz guter Absicht der Regulatoren – mit dem Einsatz einer Schrotflinte. Man könne versuchen, noch an einigen Stellschrauben zu drehen. Wichtiger seien jedoch längerfristige Kundenbeziehungen mit relativ stabilen Konditionen, die die Volatilität der Märkte überdauerten.
Mario Ohoven berichtete von den Aktivitäten seines Verbandes in Brüssel, der auf die Einführung von Mittelstandsklauseln in die Empfehlungen von Basel III dränge. Die Mittelständler bezweifelten, dass das Finanzsystem durch Basel III tatsächlich sicherer würde. Schattenbanken könnten sich den Regeln entziehen. Es sei an der Zeit, umzudenken und sich statt auf mathematische Formeln wieder auf den gesunden Menschenverstand zu verlassen. Allerdings würden die Anforderungen an die Besicherung von Krediten wohl steigen und die Laufzeiten zunehmend kürzer werden.
Nach Einschätzung von Lothar Meenen lässt sich an den vereinbarten Regeln kaum noch etwas ändern. Die Auswirkungen seien aber nicht dramatisch, auch wenn das Net-Stable-Funding-Ratio langfristige Finanzierungen erschwere und das Leverage-Ratio Ausleihungen mit niedrigem Risiko begrenze. Ohnehin könnten sich gute Unternehmen derzeit am Kapitalmarkt günstiger refinanzieren als Banken. Die Branche stehe unter Konsolidierungsdruck, und man müsse überlegen, mit welchen Banken man langfristig zusammenarbeiten könne. Die Unternehmen seien gut beraten, ihre Finanzkommunikation zu verbessern und ihre Finanzierungsquellen zu diversifizieren.
Auch Markus Wohlgeschaffen empfahl den Unternehmen, ihr Geschäft den Banken genauer zu erklären, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen. Eine Diversifizierung der Beschaffungs- und Absatzmärkte verringere die Risiken. Grundsätzlich gebe es eine Tendenz zu transaktionsspezifischer Finanzierung, bei der verschiedene Anbieter zusammenarbeiteten. Dazu gehörten Bestellerkredite, die mit staatlichen Exportkreditversicherungen abgedeckt würden. Weitere Akteure könnten hinzukommen. Handelsgeschäfte seien z.B. auch für Versicherungen interessant. Manfred Haag wies ergänzend auf die Alternative Forderungsverkauf hin.
Markus Scheer stellte grundsätzlich fest, dass Deutschland über einen leistungsfähigen Bankensektor für die Exportwirtschaft verfüge. Im Interesse der Unternehmen könne das Instrument der Ausfuhrgewährleistung (Hermesdeckung) verbessert werden. Der Mittelstand habe zudem die Möglichkeit, sich stärker auf den Kapitalmarkt auszurichten.
Mario Ohoven bestätigte die Diversifizierungsempfehlung der Bankenvertreter und den Bedeutungsverlust der Hausbank. Die Unternehmen müssten Transparenz herstellen und sich besser bei den Banken verkaufen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit hänge auch von günstigen Finanzierungen ab.
Eine weiterer Bericht zum Panel Basel III und ein Video mit Eindrücken vom Kongress Länderrisiken 2012 stehen auf der Website von Coface Deutschland unter www.coface-medien.de
Textkasten: Basel III: EU berät über strengere Kapitalstandards
Wesentlicher Tagesordnungspunkt der Sondersitzung des ECOFIN-Rates am 2. Mai 2012 in Brüssel war die Umsetzung der neuen Regelungen über das Eigenkapital der europäischen Kreditwirtschaft. Diese wegen der organisatorischen Anbindung des zuständigen Ausschusses bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich auch als „Basel III“ bezeichneten Vorschriften bilden nach einhelliger Meinung das Herzstück der europäischen Finanzmarktregulierung. Die im internationalen Rahmen der G20 beschlossenen neuen Eigenkapitalstandards sollen verhindern, dass es künftig nochmals zu staatlichen Rettungsaktionen für Banken kommen muss.
Von den in der G20 repräsentierten großen Wirtschaftsräumen ist die Europäische Union (EU) einer fristgerechten Einleitung der Umsetzung von Basel III zum 1. Januar 2013 am nächsten. Seine volle Wirkung wird der neue Eigenkapitalstandard erst zum Ende der Umsetzungsfrist im Jahre 2019 entfalten. Quintessenz des von der Europäischen Kommission im Juli 2011 vorgelegten regulatorischen Umsetzungspakets (Capital Requirements Directive – CRD IV) ist eine Erhöhung der Quote des sogenannten harten Kernkapitals der Institute, entsprechend den Basel-III-Standards. Außerdem sind zwei Befugnisse zur aufsichtlichen Anordnung darüber hinausgehender strikterer Anforderungen vorgesehen: Die Erhebung eines zusätzlichen Kapitalpuffers zum Schutz der Institute vor systemischen Risiken im Inland und gegebenenfalls im Ausland sowie strengere Anforderungen, um besonderen temporären Gefahren von makroprudentieller Bedeutung zielgerichtet zu begegnen.
In beiden Fällen gelten – im Einzelnen für die jeweilige Konstellation passend ausgerichtete, differenzierte – europäische Verfahrensregelungen für die Meldung, Abstimmung und Genehmigung der getroffenen Maßnahmen. Die Verfahren sind so ausgestaltet, dass einerseits die Handlungsfähigkeit der zuständigen nationalen Behörden zur prompten Reaktion auf besondere Gefahrenquellen im Bankensektor sichergestellt wird und andererseits die Einheitlichkeit des Finanzbinnenmarkts mit den gemeinsamen Regularien für die Banken gewahrt bleibt.
Zwar sah sich die dänische EU-Ratspräsidentschaft nach dem über 16-stündigen Verhandlungsmarathon in Brüssel außerstande, bereits jetzt eine sogenannte „Allgemeine Ausrichtung“ des ECOFIN-Rats festzustellen. Jedoch äußerte die Präsidentschaft die klare Erwartung, dass bei der nächsten regulären ECOFIN-Sitzung am 15. Mai 2012 eine breite politische Zustimmung der Minister festgestellt werde und die Präsidentschaft damit das Mandat erhalte, mit den weiteren Verhandlungen im sogenannten Trilogverfahren zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission zu beginnen. Auf diese Weise soll die Umsetzung von Basel III auf EU-Ebene rechtzeitig vor dem Starttermin am 1. Januar 2013 auf den Weg gebracht werden.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen unter www.bundesfinanzministerium.de.
Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de