Aktuell wirbt Indien um Investitionen deutscher und europäischer Unternehmen. Die Regierung arbeitet nach den Wahlen 2014 mit Hochdruck an Reformen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln sowie das Land zu einem attraktiven Investitionsstandort zu entwickeln. Als Schwellenland präsentiert sich Indien perspektivisch als einer der vielversprechendsten Märkte für die deutsche Exportwirtschaft.

Von Luis-Miguel Gutierrez, Büroleiter Mumbai, KfW IPEX-Bank

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Nach dem Machtwechsel durch die Parlamentswahlen im Mai 2014 herrscht nach anfänglicher Euphorie mittlerweile eine realistischere, aber weiterhin optimistische Wirtschaftsstimmung in Indien. Der Erwartungsdruck auf die Regierung ist unverändert hoch. Schlagartige Verbesserungen sind allerdings nicht in Sicht. Der historische Sieg des Reformpolitikers Narendra Modi und seiner BJP zeigte deutlich, dass sich die Mehrheit der Wähler gegen Korruption und Subventionen entschieden hat. Mit der Entscheidung für den früheren Chief Minister des wirtschaftlich erfolgreichen Bundesstaats Gujarat verbindet sich die Hoffnung, dass sich nun ganz Indien nach dem Vorbild Gujarats entwickelt.

Gujarat war in Indien bislang ein Outperformer. Mit lediglich 6% der Landmasse und 5% der Bevölkerung Indiens entfielen auf den Bundesstaat in der Vergangenheit 7,6% des BIP und 10% der erwerbstätigen Bevölkerung Indiens. Ermöglicht wurde dies letztlich durch den „Macher“ Modi. Und Gujarat ist mittlerweile zu einem attraktiven Fertigungsstandort herangewachsen: Die nötige Infrastruktur existiert, und die politischen und bürokratischen Rahmenbedingungen waren in den vergangenen Jahren unternehmerfreundlich. Tata Motors hat den Produktions­standort für den Nano von West-Bengalen nach Gujarat verlegt. Ebenso haben Ford und Apollo Tyre dort Fertigungslinien errichtet. Weitere Unternehmen planen derzeit, in diesem boomenden Bundesstaat Fabriken aufzubauen.

Um Wachstumsimpulse für das ganze Land zu setzen, hat die Regierung Modi im vergangenen Jahr eine Reihe kleinerer Reformvorhaben auf den Weg gebracht sowie einstweilige Verordnungen erlassen. Darunter auch die Verordnung über den Landerwerb, die für die Entwicklung der Infrastrukturvorhaben zentral ist. Neben der Überarbeitung des Gesetzes zum Landerwerb gilt als wichtigstes Projekt die Einführung der einheitlichen General Service Tax. Sie soll ab April 2016 gelten und stellt die Grundlage für den in Indien bislang nicht existierenden einheitlichen Binnenmarkt dar. Dieses Ziel erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt ambitioniert. Dauerhafte legislative Änderungen in diesem Bereich bedürfen der Zustimmung der Bundesstaaten. Hier zeichnen sich jetzt bereits Kompromisslösungen ab.

Um die Gunst der Bundesstaaten im Oberhaus zu gewinnen (dort dominiert die konfrontative Kongress-Partei), hat die Regierung taktisch geschickt begonnen, den Bundesstaaten mehr Haushaltsmittel sowie Einnahmen aus der Auktion der Schürfrechte an Kohleminen zukommen zu lassen. Außerdem fördert sie offen eine Kultur des „Competive and Co-operative Federalism“ in der Hoffnung, dass dezentral adäquate Reformen durchgesetzt werden, die den jeweiligen bundesstaatlichen komparativen Vorteilen genügen. Die Bundesstaaten sollen im Wettbewerb zueinander stehen.

Visionen wie „Digital India“, „Skill India“, „100 Smart Cities“ oder „Make in India“ sind formuliert. Indien soll zu einem attraktiven Produktionsstandort werden, um die mehr als 10 Millionen neuen Arbeitskräfte pro Jahr aufnehmen zu können. Zur Umsetzung dieser Visionen ist Indien auf ausländische Partner und Investoren angewiesen. Nicht umsonst ist Indien dieses Jahr Partnerland auf der Hannover Messe, um mit dem Technologieland Deutschland die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen.

In Hannover werden sich in unterschiedlichen Pavillons die indischen Bundesstaaten präsentieren. In separaten Foren sollen sich Unternehmer über Geschäftsmöglichkeiten austauschen. Mit Blick auf die deutsche Exportwirtschaft dürfte die „Make in India“-Kampagne von Interesse sein. Denn unter diesem Motto will Indien den eigenen Industriesektor deutlich ausbauen. Kurzfristig sollen Produkte für den Binnenmarkt bevorzugt in Indien hergestellt werden, langfristig will Indien durch die Lokalisierung zum Export-Hub für den Weltmarkt heranwachsen. Dies bietet der deutschen Exportwirtschaft zahlreiche Chancen, ihre Produkte in einem der bedeutendsten aufstrebenden Märkte abzusetzen oder vor Ort zu investieren.

Die KfW Bankengruppe steht mit unterschiedlichsten Finanzierungsmitteln der indischen Wirtschaft zur Seite. Dies umfasst neben der klassischen finanziellen Zusammenarbeit der KfW Entwicklungsbank auch die Förderung aussichtsreicher unternehmerischer Initiativen im Land durch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sowie die Finanzierung deutscher und europäischer Technologieexporte nach Indien sowie von Direktinvestitionen in Indien durch die KfW IPEX-Bank.

Die Rahmenbedingungen für den Absatz deutscher und europäischer Investitionsgüter in Indien sind gut. Nach einer Phase selektiver Investitionsvorhaben im vergangenen Jahr ist 2015 eine gesteigerte Marktdynamik spürbar. Jüngst stiegen die Nichtölimporte über alle Subsegmente (Rohstoffe, Agrarprodukte, Investitions- und Konsumgüter) hinweg, was auf eine langsame Belebung der Wirtschaftsaktivität hindeutet.

Positiv dürfte sich mit Blick auf die deutsche und europäische Exportwirtschaft auch die Wertentwicklung des Euro gegenüber der Indischen Rupie auswirken. Die Rupie hat gegenüber dem Euro in den vergangenen Monaten kontinuierlich an Wert gewonnen. Dies macht aus indischer Sicht Importe aus Europa attraktiv.

Bei Investitionsfinanzierungen fragen indische Besteller liefergebundene Finanzierungen nach, die von einer Exportkreditversicherung (ECA) gedeckt werden. Mit gutem Grund: Je nach Fall kann sich eine derartige Finanzierungsstruktur als sehr vorteilhaft erweisen. Dies begründet sich dadurch, dass durch die Risikoabsicherung der ECA geringere Risikoaufschläge von den finanzierenden Banken eingefordert werden. Zudem kann die Versicherungsprämie mit Zustimmung der ECA üblicherweise unter dem Darlehen finanziert werden, was für die indischen Besteller generell von Interesse ist. Besonders attraktiv ist diese Form von Darlehen für indische Besteller mit einem natürlichen Hedge. Der risikolose Mindestzinssatz indischer Banken für Lokalwährungsdarlehen liegt derzeit bei um die 10% p.a. Selbst unter Berücksichtigung einer kalkulatorisch annualisierten ECA-Versicherungsprämie kann ein ECA-gedecktes Darlehen daher im Vergleich zu einer Lokalwährungsfinanzierung für den Besteller auf Gesamtkostenbasis günstiger sein.

Des Weiteren besteht in Indien auch ein starkes Interesse an Finanzierungsstrukturen, denen neben einer Deckung durch einen staatlichen Exportkreditversicherer auch eine staatliche Förderung in Bezug auf das Zinsregime zugrunde liegt. Der OECD-Konsensus, das internationale Übereinkommen für öffentlich unterstützte Exportkredite, regelt den Mindestzinssatz (Commercial Interest Reference Rate; CIRR), von dem ein ECA-Kredit profitieren kann. Diese sogenannten CIRR-Kredite sind Kredite mit einem Festzinssatz. Die Kreditnehmer tragen daher kein Zinsrisiko während der Gesamtlaufzeit.

Der Exporteur hat die Chance, sein kommerzielles Angebot mittels einer liefergebundenen Finanzierung zu untermauern. Die KfW IPEX-Bank begleitet Exporteure und Besteller bereits seit Jahrzehnten bei dieser Art von Finanzierungen in Indien. Sie unterstützte Geschäfte im Bereich Petrochemie, Metallverarbeitung und Energie sowie Finanzierungen zum Ausbau der Hafen- und Schieneninfrastruktur, der maritimen Industrie sowie des produzierendes Gewerbe wie der Automobil- und Verpackungsindustrie. Von Vorteil war dabei in der Vergangenheit – neben einer tiefen Produktexpertise – immer ein ausgeprägtes Branchen- und Markt-Knowhow. Durch ihre lokalen Fachkräfte vor Ort in Indien sowie ihre Branchenspezialisten in der Zentrale in Frankfurt ist die seit über 60 Jahren international agierende KfW IPEX-Bank bestens aufgestellt, um Finanzierungen entlang der deutsch-indischen bzw. europäisch-indischen Wertschöpfungskette zu begleiten. Es lassen sich klassische Handelsfinanzierungen und ECA-gedeckte Bestellerkredite bis hin zu maßgeschneiderten komplexen Multi-Sourcing-Strukturen oder Shopping-Lines strukturieren, arrangieren und finanzieren. Ungedeckte Strukturen sind im Einzelfall auch möglich. Indien, die „größte Demokratie der Welt“, verspricht interessante Wachstums- und Absatzperspektiven – mit unternehmerischem Mut sowie erfahrenen, kompetenten Finanzpartnern können deutsche und europäische Exporteure jeder Größenordnung hier gutes Geld verdienen und ein aufstrebendes Land und seine hoffnungsvolle Bevölkerung bedeutende Schritte nach vorn bringen.

Kontakt: luis-miguel.gutierrez[at]kfw.de

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