Seit dem EU-Aktionsplan für Proliferationspolitik geraten Dienstleister immer mehr in den Fokus der Behörden. Export- bzw. Zollverstöße werden nicht nur bei Exporteuren strafrechtlich verfolgt, sondern zunehmend auch bei ihren Dienstleistern wie ­Spediteuren, Frachtführern und Logistikern. Müssen also Spediteure in den USA und in der EU das Export- und Zollrecht beachten, um nicht selber strafbar zu werden? Ist das überhaupt möglich angesichts eines Massengeschäfts?

Von Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann & Partner Rechtsanwälte

Die deutsche Spedition S übernimmt sowohl für die deutsche Firma D als auch für die amerikanische Firma A den Auftrag, Güter in den Iran zu liefern. S sieht sofort, dass D und A relativ unerfahren im Exportgeschäft sind. Macht S sich strafbar, wenn sie ohne Prüfung der exportrechtlichen Zulässigkeit die Iran-Lieferung durchführt? Wenn ja: Welche Prüfungen muss S auf jeden Fall durchführen?

Sehr viel detaillierter als im EG-Exportrecht ist diese Prüfpflicht im US-Exportrecht geregelt durch die „Freight For­warder Guidance“ des Bureau of Industry & Security (BIS), welche inzwischen z.T. auch den Wortlaut der Export Administration Regulations (EAR) beeinflusst hat. Danach sind Spediteure „parties to the transaction“ und übernehmen die volle strafrechtliche Verantwortung für die Export- und Zollabwicklung unter zwei Voraussetzungen:

  • Erstens: Der ausländische Kunde hat dem US-Verkäufer schriftlich mitgeteilt, dass er (und nicht der US-Verkäufer) für die Einhaltung des Exportrechts verantwortlich ist.
  • Zweitens: Der ausländische Kunde hat den US-Spediteur umfassend bevollmächtigt, diese Export- und Zollabwicklung zu übernehmen (sog. „routed transaction“).

In diesem Fall wird der bevollmächtigte US-Spediteur als „Exporteur“ angesehen (§ 758.3 EAR). Sollte es an diesen zwei Voraussetzungen fehlen, bleibt es bei der Verantwortlichkeit des US-Verkäufers als „Exporteur“ (sog. „non-routed transac-tion“). Sofern der US-Verkäufer für die Export- und Zollabwicklung aber einen Spediteur einsetzt, sind US-Verkäufer und Spediteur gleichermaßen strafrechtlich verantwortlich für die Einhaltung des Zoll- und Exportrechts. Der Wortlaut des § 758.3 EAR stellt explizit klar, dass die Einschaltung eines Agenten/Spediteurs den anderen nicht von seiner bestehen bleibenden Verantwortung entbindet.

Im EG-Exportrecht fehlen hierzu explizite Regelungen. Die Prüfpflicht des Spediteurs ergibt sich stattdessen im Wege der Auslegung z.B. aus Verschulden bei Vertragsschluss, etwa für Fälle, in denen der Spediteur erkennt, dass der Ausführer (offensichtlich) unerfahren ist oder dass die Exportdokumente (offensichtlich) unrichtig sind. Zusätzlich ergibt sich diese Prüfpflicht aus umfassender Bevollmächtigung zur Zoll- und Exportabwicklung bzw. daraus, dass der Spediteur die Tatherrschaft über den Ausfuhrvorgang besitzt.

Nach US-Exportrecht drohen bei Missachtung der Prüfpflicht des Spediteurs sehr hohe Sanktionen; maximal möglich sind bei Missachtung des US-Iran-Embargos Freiheitsstrafen von bis zu 20 Jahren oder Geldstrafen von bis zu 1 Mio US$ je Verstoß oder – bei fahrlässiger Begehung – Geldbußen von bis zu 250.000 US$ je Verstoß. Dass diese Sanktionen konkrete Realität sind, zeigt das Settlement Agreement, das BIS/OFAC mit DHL Express USA im August 2009 geschlossen haben, in dem sich DHL zur Zahlung einer Geldbuße von 9,44 Mio US$ für eine Vielzahl von Verstößen gegen Embargos (Sudan und Iran) und Aufbewahrungspflichten von Exportunterlagen verpflichtete. Auch in Deutschland kann die Missachtung der Prüfpflicht hart sanktioniert werden. Bei bedingtem Vorsatz drohen für einen Embargoverstoß Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten, bei Fahrlässigkeit hohe Geldstrafen.

Die Prüfpflichten des Spediteurs müssen folgende Punkte betreffen:

  • Sanktionslisten: Sind Kunde oder Endverwender auf EG- oder US-Sanktionslisten gelistet?
  • Embargos: Bestehen aufgrund von EG- oder US-Embargos Verbote oder Genehmigungspflichten für die zu liefernden Güter? Oder bestehen deshalb personenbezogene Verbote?
  • Exportrechtliche Genehmigungspflichten: Gibt es offenkundige Anhaltspunkte einer exportrechtlichen Genehmigungspflicht wegen Güterlistung oder wegen sensitiver Verwendung der Güter?
  • Einfuhr- oder Transithindernisse: Gibt es Anhaltspunkte für Einfuhr- oder Transithindernisse ohne vorherige Einholung einer Genehmigung oder ohne vorherige Notifikation?
  • Spezielle Prüfpflichten als Spediteure/Frachtführer (z.B. nach Art. 8 CMR): Wurden bei der Übernahme des Gutes geprüft: die Richtigkeit der Angaben im Frachtbrief, die Anzahl der Frachtstücke, der äußere Zustand/die Verpackung? Wurden notwendige Informationen/Dokumente für zusätzliche Dienstleistungen (wie Versicherung, Verpackung, Kennzeichnung, Zollbehandlung) verlangt?

Während Prüfung 5 (die speziellen Prüfpflichten für Spediteure/Frachtführer) diese alleine betreffen, sind die ersten vier Prüfungen sowohl vom Exporteur als auch vom Spediteur vorzunehmen. Bei Prüfung 4 (Einfuhr- oder Transithindernisse) wird der Spediteur, sofern er genaue Kenntnis bzw. genügende Anhaltspunkte von der Gefährlichkeit des Gutes (Waffen, Drogen, gefährliche Chemikalien, Verwendbarkeit für ABC-Waffen/Terrorakte etc.) hat, im Zweifel auch zu einer sehr sorgfältigen Prüfung verpflichtet sein.

Bezüglich der exportrechtlichen Prüfungen 1 bis 3 dürfte Folgendes gelten: Nur bei umfassender Bevollmächtigung des Spediteurs zur Zoll-/Exportabwicklung oder bei Red Flags für Exportverstöße, z.B. für Unrichtigkeit/Unvollständigkeit der Export- und Zolldokumente, bzw. bei offensichtlichen Anhaltspunkten für Unerfahrenheit des Exporteurs muss der Spediteur sorgfältiger prüfen, ob Anhaltspunkte für Verstöße gegen Zoll- und Exportrecht vorliegen, weil er hier u.U. ­primär verantwortlich sein kann.

Nach US-Exportrecht entsteht eine solche gesteigerte Verantwortlichkeit zusätzlich auch dann, wenn Spediteur/Frachtführer „US Person“ ist, weil nur dann für sie Dienstleistungs- und Umgehungsverbote bzgl. der Embargoländer gelten (vgl. DHL-Fall: DHL Express USA war eine US-Person). Ansonsten dürften im Zweifel Stichproben des Spediteurs ausreichen, weil es um eine subsidiäre Prüfpflicht des Spediteurs geht. Allerdings dürfte die Berufung auf die subsidiäre Prüfpflicht nicht dazu führen, dass der Spediteur Prüfungen unterlässt, die ihm trotz Massengeschäfts ohne weiteres möglich sind.

Im Ausgangsfall hatte S die gesteigerte Verantwortlichkeit, weil er erkannte, dass seine Kunden D und A relativ unerfahren im Exportgeschäft waren. Der Wissensvorsprung des S muss dann dazu führen, dass S entweder selber die exportrechtlichen Prüfungen durchführt oder zumindest bei D und A nachfragt, ob und welche exportrechtlichen Maßnahmen der Risikominimierung angesichts eines Exportes in das Embargoland Iran durchgeführt worden sind. Zumindest hatte er gegenüber D und A eine Aufklärungs- und Hinweispflicht über Exportrisiken aufgrund Wissensvorsprungs.

Indem S diesen Pflichten nicht nachkam, droht das Risiko einer Strafverfolgung wegen Embargoverstoßes durch Unterlassen bzw. wegen Beihilfe zum Embargoverstoß. Zusätzlich zu einer Strafverfolgung in Deutschland (wegen des deutschen Kunden D) droht diese in den USA (wegen conspiracy oder aiding/abetting zum Embargoverstoß des A). Die USA verlangen deswegen inzwischen von Exporteuren und auch von Spediteuren ein Export Management & Compliance Program (EMCP), durch das vor allem neun Kernpflichten umgesetzt werden sollen. Langfristig wird auch die EG von internationalen Speditionen ein Internal Compliance Program (ICP) verlangen. Dies entspricht auch der AEO- Anforderung an die sichere internationale Lieferkette.

Textkasten: Gemeinsame Verantwortung

Im Zweifel sind der Exporteur und sein Spediteur gleichermaßen dafür verantwortlich, dass es nicht zu Export- und Zollverstößen kommt. Weder Exporteur noch ­Spediteur können sich strafrechtlich entlasten, wenn sie nicht ihren Prüfpflichten nachkommen.

Kontakt: harald.hohmann[at]hohmann-partner.com

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