Auch Anfang 2011 sind die Auswirkungen der Wirtschaftskrise bei den Unternehmen in Europa immer noch spürbar. Der Anteil der überfälligen Rechnungen im Auslandsgeschäft liegt je nach Land zwischen 22 und 36%. Zu den neuesten Entwicklungen von Zahlungsverzug, Zahlungsausfall und Nutzung des Lieferantenkredits in neun Staaten Europas liegt das aktuelle Zahlungs-moralbarometer von Atradius vor. Wir fassen einige Ergebnisse, bezogen auf das Auslandsgeschäft, zusammen.

Von Sylvia Röhrig, Redakteurin ExportManager, F.A.Z.-Institut

In der aktuellen Frühjahrsuntersuchung wurden 1.847 Unternehmen zur Gewährung und Abwicklung von Lieferantenkrediten sowie zum Zahlungsverhalten ihrer in- und ausländischen Kunden befragt. Dass auch der internationale Handelsverkehr die Unternehmen immer noch vor erhebliche Herausforderungen stellt, zeigen drei verschiedene Ergebnisse: Im Auslandsgeschäft wird im europäischen Durchschnitt fast jede dritte Rechnung zu spät bezahlt. Der Anteil der Zahlungsausfälle bei Auslandskunden beträgt 10%. Und die durchschnittliche Forderungslaufzeit in Tagen (DSO) ist weiter leicht gestiegen.

Bezogen auf das Auslandsgeschäft geben 35% der befragten Firmen fehlende Geldmittel ihrer Kunden als Hauptgrund für die verzögerte Begleichung der Forderungen an. Es werden aber noch weitere Gründe dafür genannt: 30% der befragten Unternehmen halten das komplizierte Zahlungsverfahren und 25% die Ineffizienz des Bankensystems für ursächlich.

Deutsche Exporteure sind im europäischen Vergleich mit 36% am stärksten vom Zahlungsverzug betroffen, obwohl sie bereits ihr durchschnittliches Zahlungsziel im Vergleich zum Sommer 2010 um fünf Tage auf 29 Tage verlängert haben. „Mit jedem Tag Zahlungsverzögerung erhöht sich die Gefahr eines Totalausfalls der Forderung“, gibt Dr. Thomas Langen, Deutschlandchef des Kreditversicherers Atradius in Köln, zu bedenken. „Wir raten den Unternehmen daher, sich vor Vertragsabschluss von der Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden zu überzeugen. Mit diesem Wissen kann ein längeres Zahlungsziel dann auch ein Wettbewerbsvorteil sein.“

Die Umfrageergebnisse bestätigen auch das unterschiedliche Zahlungsverhalten in Nord- und Südeuropa; Unternehmen aus Spanien und Italien lassen sich deutlich mehr Zeit bei der Begleichung ihrer Rechnungen als z.B. Unternehmen aus Frankreich und den Niederlanden, die die gewährte deutsche Zahlungsfrist im Durchschnitt um zehn bzw. acht Tage überziehen.

Lieferanten nutzen Zahlungsziele zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung. Dabei sind die Unternehmen in Europa bei der Gewährung des Lieferantenkredits im Ausland (44% der Unternehmen) etwas vorsichtiger als im Inland (46%). Insbesondere spanische Unternehmen (61%) machen starken Gebrauch vom Lieferantenkredit. In Deutschland sind 48% der befragten Unternehmen bereit, ihren Auslandskunden Zahlungen auf Ziel zu gewähren und damit auf Vorkasse oder Barzahlung zu verzichten.

Als Begründung für die Einräumung von Zahlungszielen geben die befragten Unternehmen neben der Kundenbindung (51%) die Steigerung des Umsatzes (30%) als vorrangige Ziele an. Damit legen die Deutschen im Vergleich zu den übrigen Studienteilnehmern den größten Wert auf Kundenbindung. Der Lieferantenkredit wird je nach Branche unterschiedlich stark eingesetzt: Im europäischen Vergleich räumt die Möbelindustrie (69%), dicht gefolgt von der Chemieindustrie (68%), am häufigsten Zahlungsziele ein. Der Lieferantenkredit ist für deutsche Unternehmen eine der wichtigsten Kreditformen überhaupt: Hierzulande leihen Lieferanten ihren Kunden auf diese Weise rund 300 Mrd Euro.

Kontakt: s.roehrig[at]faz-institut.de

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