Die Länder der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) haben sich auf ein neues Abkommen, das „United States-Mexico-Canada Agreement“ (USMCA), geeinigt. Auch das Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und Mexiko wurde neu gefasst und bietet der deutschen Industrie zusätzliche Exportchancen. Für die Automobil- und Zulieferindustrie halten die neuen Abkommen allerdings auch einige Fallstricke bereit.

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Mexiko zählt zu den wichtigsten Volkswirtschaften Lateinamerikas und gilt als bedeutendste Exportnation dieser Region. Aufgrund hoher Auslandsschulden, einer aufgeblähten, ineffizienten Bürokratie, beträchtlicher Korruption und hoher Kriminalität kann das Schwellenland sein wirtschaftliches Potential jedoch nicht voll ausschöpfen. 2017 war es mit einem Ausstoß von insgesamt 4 Mio Pkw der siebtgrößte Automobilproduzent weltweit – mit berechtigter Hoffnung, im Ranking bald weiter nach oben zu klettern. Allerdings könnte der neue Handelsvertrag mit den USA diese Entwicklung bremsen.

Die deutsche Industrie hat in den vergangenen Dekaden stark in Mexiko investiert. Automobilhersteller und -zulieferer haben allein seit Ende der 90er Jahre rund 430 Werke in Mexiko gebaut, um von den niedrigen Löhnen und dem Lohngefälle gegenüber den USA und Kanada, aber auch gegenüber Westeuropa zu profitieren.

Die wichtigsten Güter, die Deutschland nach Mexiko liefert und aus Mexiko importiert, sind Kraftfahrzeuge und -teile, elektrische Ausrüstungen sowie elektrische und optische Erzeugnisse. Mexiko ist darüber hinaus ein wichtiger Absatzmarkt für den Maschinenbau.

Modernisiertes Präferenzabkommen EU-Mexiko

Am 21. April 2018 haben die Europäische Union und Mexiko eine Grundsatzeinigung über ein neues Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Dieses ersetzt das bisherige Freihandelsabkommen aus dem Jahr 2000. Die endgültige Vertragsfassung soll bis Ende 2018 vorliegen.

Mit dem neuen Abkommen

  • können fast 99% aller Waren zollfrei zwischen Mexiko und der EU gehandelt werden,
  • werden die bestehenden hohen Zölle Mexikos für landwirtschaftliche Produkte abgebaut,
  • werden die hohen, von Mexiko auf europäische Nahrungsmittel- und Getränkeeinfuhren erhobenen Zölle abgeschafft,
  • entfällt der Zoll auf mexikanische Lebensmittelexporte in die EU,
  • können Unternehmen aus der EU in Mexiko mehr Dienstleistungen in den Bereichen Finanz, Transport, E-Commerce und Telekommunikation anbieten,
  • werden höhere Arbeits-, Sicherheits- und Verbraucherschutz- sowie Umweltstandards in Mexiko zugesichert.

Das neue Präferenzabkommen bietet deutschen Firmen so bessere Exportchancen zum Beispiel für hochwertige Lebensmittel und Getränke, vor allem Geflügel, Schweinefleisch, Milcherzeugnisse, Schokoladen- und Teigwaren.

Durch das modernisierte Abkommen werden 340 geographische Angaben von regionaltypischen europäischen Nahrungsmitteln und Getränkeerzeugnissen auf dem mexikanischen Markt sowie verschiedene geographische Angaben von mexikanischen Waren in der EU geschützt. Es wurde außerdem eine Vereinfachung der Zollverfahren und Warenkontrollen in Mexiko vereinbart.

Entsprechend dem Handelsabkommen der EU mit Japan, enthält der Vertrag mit Mexiko ein klares Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzübereinkommen. Es ist außerdem das erste EU-Handelsabkommen mit Bestimmungen zur Bekämpfung von Korruption, Bestechung und Geldwäsche. Wie die Handelsabkommen der EU mit Kanada, Singapur und Vietnam enthält der Vertrag Investitionsschutzbestimmungen und Regeln für ein Investitionsgerichtshofsystem.

Neuer Handelsvertrag USA-Mexiko-Kanada

Das im August von den Staatsoberhäuptern der USA und Mexikos unterzeichnete Präferenzabkommen wurde mit viel Erleichterung in Deutschland quittiert. Ende September haben die USA auch mit Kanada einen ähnlichen Vertrag unterzeichnet. Das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) ersetzt das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) und tritt voraussichtlich Ende November 2018 in Kraft. Die Vereinbarung soll 16 Jahre gelten und alle sechs Jahre überprüft werden.

Das Abkommen hat zwar einen Handelskrieg verhindert, bremst jedoch den Globalisierungstrend in der US-amerikanischen Wirtschaft, zumindest in Teilbereichen.

Die wichtigsten Punkte des USA-Mexiko-Handelsvertrags sind:

  • ein Verzicht auf gegenseitige Zölle bei Agrarprodukten,
  • Eckpunkte für die Anwendung von Biotechnologie in der Landwirtschaft – vor allem Gentechnik,
  • Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums,
  • Liberalisierung der Märkte für Finanzdienstleistungen,
  • neue Bestimmungen für die grenzüberschreitende Produktion von Kraftfahrzeugen.

So muss der regionale Wertschöpfungsanteil bei Pkw bis spätestens Ende 2020 bei mindestens 75% liegen, damit diese zollfrei zwischen den USA und Mexiko gehandelt werden können. Das sind 12,5% mehr als bisher.

Außerdem müssen rund 40% der Fahrzeuge von Arbeitern gefertigt werden, die mindestens 16,00 USD/Stunde verdienen. Der durchschnittliche Stundenlohn in der mexikanischen Automobilindustrie liegt derzeit bei 2,70 USD. Selbst wenn auch Angestellte in die Berechnungen einbezogen werden, kommt auf die Automobilindustrie ein signifikanter Lohnkostenschub zu. Dieser könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Mexiko gefährden. In der Folge werden wohl auch die Preise für Pkw in den USA steigen, gleichzeitig werden sie im Export weniger konkurrenzfähig werden.

Prozesse abstimmen und kontrollieren

Obwohl viele Details – wie der Mindestlohn in der Automobilproduktion – im neuen Handelsvertrag noch unklar sind, sollten alle betroffenen Unternehmen schnellstmöglich mit den Vorbereitungen auf die anstehenden gesetzlichen Änderungen starten. KMUs können mit Hilfe ausgefeilter Softwarelösungen auch komplexe Ursprungsregeln und allfällige Risiken der neuen Präferenzabkommen in den Griff bekommen. Falsche oder nicht gerechtfertigte Ursprungsangaben auf präferenziellen Ursprungsnachweisen können dagegen zu wirtschaftlichen Einbußen und strafrechtlichen Zollverfahren gegen den Exporteur und den Empfänger führen.

Ausgangspunkt für eine effektive und risikofreie Nutzung der Präferenzabkommen ist eine sorgfältige Evaluierung von Supply-Chains und Wertschöpfungsprozessen. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  • Welche Vorgaben betreffen mein Unternehmen? Wie sehen die Vorschriften konkret aus?
  • Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen? Dazu gehören die Abklärung der Ursprungseigenschaft von Herstellungserzeugnissen, eine korrekte Produktklassifizierung aller Vorprodukte und des Exportprodukts, die Zuordnung der Exportkontroll- und Zolltarifnummern, eine korrekte Pflege der Stammdaten und nachvollziehbare Präferenzkalkulationen unter Berücksichtigung der Exportkalkulationen sowie der Bedingungen der jeweiligen Freihandelsabkommen.
  • Welche Software kann mich beim Sammeln und Weiterleiten der notwendigen Daten und Dokumente unterstützen (Produktklassifizierung, Zuordnung der Exportkontroll- und Zolltarifnummern, Einholen/Erneuern/Validieren/Archivieren der Lieferantenerklärungen, Kalkulation des Ursprungs, Management der Präferenzursprungszeugnisse, Dokumentierung der Lohnkosten)? Welche Probleme sind zu vermeiden?
  • Wer kontrolliert wann wo wie die korrekte Ausführung im Unternehmen? Hierfür ist es unerlässlich, dass sich die am Prozess beteiligten Unternehmensbereiche von der Beschaffung über die Produktion und den Vertrieb bis hin zur Logistik und IT abstimmen und effektive Kontrollprozesse installieren.
  • Wie wird die Umsetzung dokumentiert?
  • Wer überwacht Veränderungen im Welthandel (Gesetze, Währungskurse usw.) und im eigenen Unternehmen, die Einfluss auf Lieferketten und Präferenzkalkulationen haben könnten (Monitoring)?
  • Wer veranlasst welche Maßnahmen bei Gesetzes-, Zolltarif- (bei stufenweisem Abbau) und Quotenänderungen, Produktionsänderungen, Lieferantenwechseln etc.? Wer kontrolliert die Umsetzung der Korrekturen? Welche Softwarelösung kann bei Kontrollen und Korrekturen helfen?

Fazit

Die Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mexiko ist ein klares Zeichen gegen Protektionismus und wird dem bilateralen Handel zusätzlichen Schub geben. Unter dem neuen Vertrag sparen EU-Firmen Zollabgaben in Millionenhöhe. Als Folge des neuen Präferenzabkommens zwischen den USA und Mexiko steigen für die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie mit Produktionsstandorten in Mexiko allerdings der bürokratische Aufwand und die Complianceanforderungen. Mit sorgfältiger Vorbereitung, einer kontinuierlichen IT-gestützten Pflege der Stammdaten und nachvollziehbaren Präferenzkalkulationen lassen sich die Vorteile der beiden Handelsabkommen jedoch auch durch KMUs kosteneffizient ausschöpfen.

Arne Mielken, BA (Hons) MA MIEx (Grad) CCLS™ Global Knowledge® Product Content Manager for Europe, Middle East, Africa & Russia/CIS, Amber Road

arnemielken@amberroad.com

 

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