Deutsche Sturmgewehre in Mexiko, deutsche Panzer in Syrien – die deutschen Rüstungsexporte stehen in der Kritik. So beschäftigte sich der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie am 26. September 2018 in einer öffentlichen Anhörung mit Anträgen der Fraktion Die Linke sowie von Bündnis 90/Die Grünen, die Exportverbote bzw. eine schärfere Exportkontrolle fordern. Doch angesichts komplexer internationaler Beziehungen werden Rüstungsexporte auch als Grundlage für die Verteidigungsfähigkeit gesehen.

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Die Bundesregierung wandert beim Thema Rüstungsexporte auf einem schmalen Grat. CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, „Rüstungsexporte an Drittländer weiter einzuschränken“, und insbesondere „keine Ausfuhren an Länder zu genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Trotzdem wurden unlängst Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien genehmigt – Länder, die im Jemen-Konflikt als Beteiligte gelten. Die Bundesregierung hat diese Genehmigungen laut „Der Spiegel“ unter anderem damit begründet, dass es sich um Komponenten von Rüstungsgütern internationaler Konsortien handele.

Sicherheit nicht im Alleingang

Der ehemalige Verteidigungsminister Prof. Dr. Rupert Scholz erinnerte in der Anhörung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie zum Thema Rüstungsgüter an die Vorgabe zur Aufstellung von Streitkräften in Artikel 87a des Grundgesetzes. Um die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik zu gewährleisten, seien Bündnisse notwendig, die auch Rüstungsexporte beinhalteten. Zudem dürfe die privatwirtschaftliche Betätigung der Unternehmen nicht ohne guten Grund eingeschränkt werden.

Auch Prof. Dr. Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel sieht die Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten als Teil der kollektiven Sicherheit. Es sei nicht möglich, alle Waffen selbst zu entwickeln. Daher müsse man auch Rüstungsexporte akzeptieren.

Sylvia Kainz-Huber, die in der Europäischen Kommission unter anderem für die Verteidigungsindustrie zuständig ist, wies auf den Europäischen Verteidigungsfonds hin, der die verteidigungspolitische Zusammenarbeit in Europa stärken soll. Die dafür notwendige Erleichterung der Verbringung von Rüstungsgütern innerhalb der EU erfordere vor allem von Deutschland ein Entgegenkommen.

Auch Alexander Reinhardt, Vorstandsbeauftragter für Politik und Regierungsangelegenheiten bei Airbus, berichtete von Einschränkungen bei Kooperationsprojekten durch die restriktive deutsche Exportkontrolle. So würden französische und spanische Partner zunehmend von einer Beteiligung deutscher Unternehmen zurückschrecken, nachdem in einzelnen Fällen Komponenten aus deutscher Produktion vor dem Export einzelner Fluggeräte ausgebaut werden mussten, da die deutsche Exportgenehmigung versagt worden war.

Zielsetzung prüfen

Dr. Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. empfahl, die Genehmigung von Rüstungsexporten nicht an dem zur Ausfuhr angemeldeten Rüstungsgut festzumachen, sondern an dem sicherheitspolitischen Ziel der Lieferung. Man müsse auch beim Rüstungsexport eine Risikoabwägung treffen, bei der Vor- und Nachteile gegenübergestellt werden müssten. Im Fall der Lieferung von Panzerabwehrwaffen an die Kurden im Irak sei der militärische Nutzen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ höher bewertet worden als das Risiko einer unerwünschten Weiterverbreitung.

Mölling empfahl, die Wirkung von Rüstungsexporten genauer zu untersuchen. Dabei seien auch die Wertschöpfungsketten bei der Produktion von Rüstungsgütern zu beachten. Wenn die Rüstungsproduktion durch rein lokale Aufträge im Land gehalten werden solle, würde dies die Beschaffung deutlich verteuern.

Europäische Zusammenarbeit

Erforderlich sei eine europäische Strategie für die Rüstungsindustrie, meinte Mölling. Man müsse bereits bei den derzeit beginnenden Rüstungsprojekten mit den Partnern klären, wohin die Rüstungsgüter exportiert werden dürften.

Krause empfahl die Übernahme europäischer Regelungen und eine Harmonisierung der Exportkontrolle mit der Genehmigungspraxis Frankreichs und Großbritanniens. Die Entscheidung über den Export eines Rüstungsgutes solle im  Land der Endmontage erfolgen. Drittstaaten dürften nicht aufgrund politischer Grundsätze der Bundesregierung diskriminiert werden. Das sei völkerrechtswidrig.

Kritik an der Genehmigungspraxis

Doch gerade die Kriterien der politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern und den gemeinsamen Standpunkt des Rats sehen die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen durch die Genehmigungspraxis der Bundesregierung verletzt. Schließlich sei auch die Friedenspflicht nach Artikel 26 des Grundgesetzes bindend. Daher fordert ihr Antrag die gesetzliche Verankerung dieser Kriterien im Außenwirtschafts- und im Kriegswaffenkontrollgesetz sowie eine Genehmigungspflicht für die Auslandsproduktion von Rüstungsgütern deutscher Unternehmen. Ausfuhrgenehmigungen sollen auf ein Jahr begrenzt werden.

Eine gesetzesbasierte Normierung der Rüstungskontrolle empfahl auch der ehemalige Präsident des BAFA, Dr. jur. Arnold Wallraff, als Vertreter der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung. Hinsichtlich der Verwendung von Rüstungsgütern wies er darauf hin, dass eine wirksame Endverbleibskontrolle zusätzliches Personal erfordere. Die Schweiz zeige, dass dies funktionieren könne.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

 

 

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