Die EU-Kommission schwärmte nach dem Abschluss des Handelsabkommens mit dem Mercosur von den Vorteilen, die sich für 780 Millionen Menschen in der EU und in den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ergeben könnten. Allein 4 Mrd Euro an Zöllen würden eingespart und die Preise für die gehandelten Güter senken.

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen haben die EU und die Staaten des Mercosur die Türen für eine Zunahme des transatlantischen Handels weit geöffnet. Auf dem „ExportManager-Forum Brasilien“ diskutieren wir am 4. September 2019, welche Marktchancen sich daraus ergeben. Am 22. Oktober 2019 findet zum gleichen Thema ein Workshop auf dem „Tag der Exportweltmeister“ statt.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Deutsche Unternehmen, die nach Brasilien exportieren, müssen derzeit noch recht hohe Zölle kalkulieren und treffen zum Teil auf weitere Handelshemmnisse. Durch den Abbau der Zölle und einen besseren Marktzugang rückt Südamerika in den Fokus der Exporteure. Darin unterscheidet sich die Region wohltuend von anderen Absatzmärkten, in denen die deutschen Unternehmen laut DIHK eine Zunahme der Handelsbarrieren fürchten: Südkorea, Indonesien, Saudi-Arabien und Russland. Aus den USA kommen neue Zolldrohungen, und auch der Export nach Großbritannien dürfte durch den Brexit nicht einfacher werden.

Zollsenkung verbessert Warenangebot

Die EU-Kommission schwärmte nach dem Abschluss des Abkommens von den Vorteilen, die sich für die 780 Millionen Menschen in der EU und in den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ergeben könnten. Allein 4 Mrd Euro an Zöllen würden eingespart und die Preise für die gehandelten Güter senken. Derzeit betragen die Zollsätze im Mercosur für Pkw 35% und für Maschinen 14% bis 20%. In der EU gelten dagegen Kontingente für landwirtschaftliche Produkte aus dem Mercosur. Diese Hürden werden deutlich verringert. Dazu muss das Abkommen jedoch noch in den Mitgliedstaaten der EU und des Mercosur sowie im EU-Parlament ratifiziert werden.

Brasiliens Konjunktur wartet auf Impulse

Die Aufbruchstimmung der Unternehmen in Brasilien, die sich von der Wahl Jair Bolsonaros zum Präsidenten Entlastungen und Reformen erhofft hatten, ist wieder abgeflaut. Die Konjunktur zeigte sich im ersten Halbjahr 2019 deutlich eingetrübt. Der private Verbrauch schwächte sich ab, und die Investitionen stagnierten. Insgesamt ging die Wirtschaftsleistung vermutlich sogar leicht zurück. Allerdings hat sich die brasilianische Währung stabilisiert und durch eine leichte Aufwertung im Juni sogar den ersten monatlichen Kursgewinn zum Vorjahr seit zwei Jahren erzielt.

Konsumenten schöpfen Vertrauen

Während sich die Unternehmen im Juni 2019 erneut pessimistischer zeigten, gewann der Vertrauensindex der Verbraucher Boden. Die Haushalte erwarten eine zukünftige Verbesserung ihrer Situation. Immerhin konnten die Zulassungszahlen für leichte Fahrzeuge in den ersten fünf Monaten 2019 um 11% zulegen. Im Vorjahr hatte allerdings der Streik der Lastwagenfahrer die Auslieferungen gebremst.

Der brasilianische Konsumgütermarkt profitiert vor allem von der recht jungen Bevölkerung und dem hohen Verbreitungsgrad an digitalen Endgeräten. Der Vertrieb über das Internet ist daher weit entwickelt. Allerdings hat die Rezession deutliche Spuren in der Kaufkraft hinterlassen, und die hohe Verschuldung vieler Haushalte begrenzt die Konsummöglichkeiten. Wachstumsbereiche sind unter anderem Kraftfahrzeuge, Informations- und Kommunikationstechnik, Pharmazeutika und hochwertige Bekleidung. Die Markenbindung hat sich gelockert.

Markenartikler sieht Umsatzpotential

Uwe Sontag, Exportmanager beim Haushaltsgerätehersteller Leifheit AG, schätzt die Aussichten verhalten positiv ein: „Wir sind als mittelständischer Markenartikler nicht unbedingt auf Südamerika fokussiert, sehen aber insbesondere in Brasilien Möglichkeiten, unseren Umsatz zu steigern. Die Entwicklung war 2018 bis zum Sommer hin überaus positiv, was uns insgesamt ein gutes Jahr gebracht hat. Nach dem Sommer ist der Umsatz regelrecht eingebrochen und auch dieses Jahr negativ. Sicherlich ist das der Währungssituation geschuldet und jetzt den Enttäuschungen über die politische Situation. Wir haben gegenüber der lokalen Konkurrenz erhebliche Kostennachteile durch die hohen Zollkosten. Wieweit sich das Abkommen wirklich auf unsere Preise auswirkt, bleibt abzuwarten, stimmt uns aber mit Blick auf die zukünftigen Möglichkeiten positiv.“ Die Nassauer Leifheit-Gruppe liefert ihre Markenprodukte aus Deutschland und einigen europäischen Standorten in mehr als 80 Länder.

Industrieausrüster profitiert von breiter Aufstellung

Der Automatisierungsspezialist ifm electronic GmbH ist in 85 Ländern vertreten. Andreas Fobbe verantwortet dort das Ländergruppenmanagement North & South America. Im Interview kommentierte er die aktuelle Lage in Brasilien.

Herr Fobbe, wie entwickelt sich Ihr Geschäft in Brasilien?

Unser Geschäft entwickelt sich zufriedenstellend und wie geplant. Dadurch, dass wir verschiedene Branchen und Industrien mit unseren Produkten bedienen, können wir Abschwünge, wie in der Automobilbranche, kompensieren. Auch haben wir in Brasilien einen breiten Kundenstamm – vom Kleinkunden bis hin zu Konzernkunden. Das ermöglicht ebenfalls ein kontinuierliches Wachstum auch in schwankenden Märkten wie Brasilien.

Spielen die vereinbarten Handelserleichterungen für Ihr Geschäft in Brasilien eine Rolle?

Das könnte uns bei Importen unserer Waren helfen. Aber die Auswirkungen müssen wir uns bei Eintritt des Abkommens genau anschauen. Indirekt kann es uns helfen im Bereich Ersatzteilgeschäft bei importierten Anlagen und Maschinen. Werden aufgrund des neuen Abkommens mehr Importe generiert, wird uns das mittel- und langfristig helfen.

Spüren Sie die die geringe Dynamik der brasilianischen Wirtschaft?

Ja, der erhoffte große Schwung nach den Wahlen ist nicht eingetreten. Die Wirtschaft hat zwar genügend Projekte, aber alles ist immer noch im Wartemodus. Projekte werden verkleinert, verschoben oder gestoppt.

Die brasilianische Währung hat sich 2019 stabiler entwickelt als im Vorjahr. Macht dies den brasilianischen Markt für deutsche Unternehmen wieder attraktiver?

Für uns auf alle Fälle, da wir zu einem besseren Wechselkurs die erwirtschafteten Umsätze zur Muttergesellschaft transferieren können. Zudem haben wir damit für 2019 eine bessere finanzielle Planungssicherheit.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

www.frankfurt-bm.com

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