Indien boomt. Das Land am Ganges bleibt einer der vielversprechendsten Wachstumsmärkte Asiens und hochinteressant für den internationalen Handel. Exporteure sollten dennoch sorgfältig vorgehen. Ein schwacher heimischer Bankensektor und weiterhin hoher struktureller Aufholbedarf könnten für ausländische Unternehmen problematisch werden, die Geschäfte in dem Land planen.

Von Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung

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Solide Grundlagen und robuste Aussichten

Von den asiatischen Staaten weist Indien aktuell die höchsten Wachstumsraten auf: Nach einem BIP-Plus von 7,7% im Jahr 2015 und einem leichten Rückgang auf 7,0% im vergangenen Jahr ziehen die Prognosen wieder an: 7,2% Wachstum werden für 2017 erwartet; 7,4% für 2018.

Haupttreiber sind der private Konsum und die Staatsausgaben. Die Wirtschaft profitiert von niedrigen Ölpreisen, stabilen politischen Verhältnissen und mehreren Reforminitiativen des Kabinetts um Premierminister Modi. Unter anderem investiert die Regierung großflächig in die Strominfrastruktur – und geht damit eines der massivsten Wachstumshemmnisse der vergangenen Jahre an.

Das Haushaltsdefizit des Landes dürfte sich nach 2016 und 2017 nicht weiter verringern, unter anderem wegen der hohen Ausgaben zur Unterstützung von Staatsunternehmen und Subventionsprogrammen. Negative Effekte, die sich daraus für den Haushalt ergeben könnten, werden dank des guten Zugangs zu inländischen Krediten gemindert.

Banken und externe Verschuldung als Unsicherheitsfaktoren

Trotz der positiven makroökonomischen Daten weist Indiens Wirtschaft aktuell auch Schwachstellen auf. So hielten die privaten Investitionen zuletzt nicht mit dem Wirtschaftswachstum mit. Einer der Gründe dafür war eine restriktive Kreditvergabe durch inländische Banken. Diese sind – trotz einiger Verbesserungen im Kreditmanagement – im Vergleich zu Banken in anderen Schwellenländern durch notleidende Kredite weiterhin relativ hohen Risiken ausgesetzt. Gleichzeitig ist ihre Eigenkapitalausstattung nach wie vor gering.

Wegen des eingeschränkten Kapitalzugangs auf dem heimischen Markt haben sich viele indische Unternehmen bei ausländischen Banken niedrig verzinste Darlehen verschafft und sich damit zum Teil einer hohen Auslandsverschuldung ausgesetzt. Dies birgt Risiken. Zwar ist die Situation aktuell stabil, allerdings könnten Veränderungen im Kapitalfluss, eine globale Zinswende oder eine Abwertung der Indischen Rupie sowohl die Unternehmen mit hohen Fremdwährungsschulden in Bedrängnis bringen als auch die indischen Banken. In der Folge würde sich die Liquiditätslage vieler indischer Unternehmen verschlechtern.

Bereits jetzt melden die dortigen Firmen die längsten Zeitspannen bei der Begleichung offener Rechnungen in der gesamten Region: 48 Tage betrug zuletzt die durchschnittliche Forderungslaufzeit und war somit länger als in allen anderen asiatischen Märkten –  wie das jüngste Atradius Zahlungsmoralbarometer Asien-Pazifik zeigt. Mehr als 70% der indischen Unternehmen rechnen zudem damit, dass sich die durchschnittliche Laufzeit ihrer Forderungen in den kommenden Monaten erhöhen  und ihre finanzielle Situation dadurch belastet wird.

Strukturelle Defizite

Darüber hinaus schmälern noch nicht behobene strukturelle Mängel die Attraktivität für ausländische Partner und bremsen das Wachstum. Vor allem der unterentwickelte Agrarsektor, die schlechte Infrastruktur, unflexible Arbeitsgesetze, ausufernde Bürokratie und Fachkräftemangel infolge fehlender Bildung wirken sich negativ aus.

Bisher konzentrierten sich private Investoren auf die Telekommunikation. Das Sanitärwesen, die Stromerzeugung sowie die Straßen- und Eisenbahninfrastruktur hinken dagegen hinterher. Doch auch wenn verschiedene Faktoren den Ausblick trüben: Indien bietet große Potentiale und vielfältige Wachstumschancen. Gegen eventuelle Unwägbarkeiten sollte man sich aber auf jeden Fall entsprechend absichern.

Detaillierte Informationen finden Sie im Country Report India 2017 von Atradius.

thomas.langen@atradius.com

 

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