Im Rahmen der Neufassung der Dual-Use-VO (DUV) gibt es Überlegungen, die Ausfuhr der Technologie allein auf die „Übertragung mittels elektronischer Medien“ zu begrenzen, aber das Bereitstellen von Technologie zu streichen. In einigen Ländern (z.B. Türkei, Saudi-Arabien) gibt es jetzt Überlegungen, das Know-how für den Aufbau von Rüstungsfabriken dadurch zu transferieren, dass Experten aus den Lieferländern in diese Länder entsendet werden, die das Know-how allein in ihren Köpfen transportieren.

Von PD Dr. Harald Hohmann Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

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Ausgangsfall 1

Auf dem in Deutschland befindlichen Server der D-GmbH, die zum internationalen Konzern K mit Sitz in der Schweiz gehört, sind technische Spezifikationen/Zeichnungen gespeichert, die überwiegend gelistete Technologie darstellen. Wegen einer Neustrukturierung soll einige Technologie vom Server in Deutschland auf den Server von K in der Schweiz transferiert und dort gespeichert werden, aber z.T. soll sie auch in Deutschland verbleiben. Auf diese Technologie auf den Servern in Deutschland und der Schweiz sollen weltweit Mitarbeiter von K Zugriff haben.

Ausgangsfall 2

D in Deutschland hat genug von den gegenwärtigen Ablehnungen von Rüstungstransfers in die Türkei. Um sich dem zu entziehen, möchte D eine Panzerfabrik in der Türkei errichten. Der für die Fabrikgründung erforderliche Know-how-Transfer ist nach Auffassung von D nicht genehmigungspflichtig, weil keinerlei Zeichnungen transferiert, sondern lediglich Experten in die Türkei reisen würden, welche das Know-how in ihren Köpfen mitführten.

Lösung Ausgangsfall 1

Jetzt und künftig (ca. 2018 mit Neufassung der DUV) ist und bleibt klar, dass der Transfer gelisteter Technologie von Deutschland in die Schweiz genehmigungspflichtig ist, sofern die Technologie für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung von gelisteten Gütern unverzichtbar und sie nicht allgemein zugänglich ist. Denn es liegt in jedem Fall eine „Übertragung von Technologie mittels elektronischer Medien“ in ein Land außerhalb der EU vor. Schwieriger wird es, wenn es um die Frage geht, ob auch das Einräumen der Zugriffsmöglichkeiten für die weltweiten K-Mitarbeiter durch D auf die Technologie auf dem Server in Deutschland oder der Schweiz eine „Ausfuhr“ darstellt. Denn hier wird sich künftig die neugefasste DUV in Schweigen hüllen: Nach der jetzigen Fassung ist die „Übertragung von Technologie mittels elektronischer Medien“ in ein Drittland dem „Bereitstellen solcher Software oder Technologie in elektronischer Form an Personen außerhalb der EU“ gleichgestellt (Art. 2 Abs. 2iii DUV). Künftig soll die zweite Alternative der „Ausfuhr“-Definition (das Bereitstellen für Personen in Drittländern) entfallen.

Diese Streichung der Bereitstellung in der „Ausfuhr“-Definition sollte unbedingt rückgängig gemacht werden. Denn es kann nicht sein, dass nur die Übertragung der Technologie in Drittländer genehmigungspflichtig ist, während das elektronische Bereitstellen der Technologie zum jederzeitigen Abruf durch Personen in Drittländern genehmigungsfrei möglich bleibt. Das wäre ein Wertungswiderspruch: Denn mit Ds Upload zum weltweiten Abruf kann D nicht mehr kontrollieren, ob es zu einem Download durch Personen in Drittländern kommt. Daher muss in der DUV-Änderung die „Ausfuhr“-Definition erweitert werden um das elektronische Bereitstellen der Technologie für Personen in Drittländern.

Bedauerlicherweise ist es sehr aufwendig, die SAG für den Technologietransfer (TGG) zu erlangen; daher treten die Allgemeingenehmigungen stärker in den Fokus. Deswegen müsste auch überprüft werden, ob der Anwendungsbereich der künftigen Allgemeingenehmigung EU008 etwas ausgeweitet werden kann. Die künftige EU008 erlaubt weitgehend den internationalen Technologietransfer innerhalb eines Konzerns, hat aber in ihren Nebenbestimmungen eine wichtige Einschränkung: Sie erlaubt die Verwendung nur durch den EU-Ausführer selbst oder eine in seinem Besitz stehende oder von ihm kontrollierte Einrichtung. Demnach ist eine Übertragung der Technologie von der Tochter- auf die Muttergesellschaft im Zweifel nicht erfasst. Anders wäre es im Ausgangsfall 1 nur dann, wenn D die Technologie auf einen eigenen Server in der Schweiz übertrüge und dieser durch Mitarbeiter von D kontrolliert würde. Diese Einschränkung bei der EU008 sollte abgeschafft werden, indem die Nebenbestimmung Teil 3 Nr.1 (1) ganz gestrichen wird.

Lösung Ausgangsfall 2

Durch den Bau von Panzerfabriken in der Türkei (vgl. Stern-Online 26. April 2017) und von Rüstungsfabriken in Saudi-Arabien (vgl. Die Welt 02. Mai 2017, S. 11) wird nicht nur der Rüstungsexport, sondern auch der Technologietransfer ausgehöhlt: Da augenblicklich für die Türkei keine solchen Rüstungsgeschäfte ohne Genehmigung erlaubt würden, gelten auch strikte Kriterien für das Verschaffen des erforderlichen Know-hows, um in der Türkei eine solche Rüstungsfabrik aufzubauen. Das Verschaffen des erforderlichen Know-hows für den Aufbau der Rüstungsfabriken soll genehmigungsfrei erfolgen, indem Experten von D in die Türkei reisen, wobei sie das erforderliche Know-how in ihren Köpfen dorthin transportieren. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass die bloße grenzüberschreitende Mitnahme von technischem Wissen in Köpfen von grenzüberschreitend reisenden Experten noch keine „Ausfuhr“ darstellt.

Von diesem Grundsatz gibt es aber auch Ausnahmen: Erstens kann die Anwendung dieses technischen Wissens im Ausland eine technische Unterstützung darstellen, die genehmigungspflichtig sein kann. Zweitens ist das Umgehungsverbot zu berücksichtigen: Wenn für den Export von Panzern in die Türkei gegenwärtig nicht die Genehmigungen erhältlich sind, kann es nicht sein, dass die Gründung einer Panzerfabrik in der Türkei mit dieser Vorgehensweise genehmigungsfrei möglich sein soll. Dann ist auch hier der Technologietransfer durch Mitnahme von technischem Wissen in den Köpfen von reisenden Experten ausnahmsweise wegen des Umgehungsverbots genehmigungspflichtig. Außerdem ist kaum zu glauben, dass hierfür nicht doch technische Unterlagen transferiert werden. Deren Transfer ist in jedem Fall genehmigungspflichtig.

Resümee

Der Technologietransfer hat eine zentrale Rolle in der Exportkontrolle zu erfüllen: Sollte er für sensitive Zwecke missbraucht werden, können in umfassendem Umfang sensitive Güter durch die Empfangsländer hergestellt werden. Auch der Upload gelisteter Technologie für den weltweiten Zugriff muss künftig (nach der DUV-Neufassung) weiterhin genehmigungspflichtig bleiben, da er genauso sensitiv ist wie die Übertragung der gelisteten Technologie mittels elektronischer Medien in Drittländer.

Das Streichen der „Bereitstellung von Technologie in elektronischer Form für Personen außerhalb der EU“ aus der „Ausfuhr“-Definition in der DUV-Neufassung muss rückgängig gemacht werden. Und die wichtige neue Allgemeingenehmigung EU008 für den konzernweiten Technologietransfer sollte in ihrem Anwendungsbereich ausgeweitet werden. Es ist nicht erforderlich, dass es hierbei nur um vom EU-Ausführer kontrollierte Technologie geht; diese Nebenbestimmung sollte ersatzlos gestrichen werden. Genauso gefährlich wäre es, wenn der Grundsatz, nach dem die bloße Mitnahme technischen Wissens durch reisende Experten keine „Ausfuhr“ darstellt, keine Grenzen kennte. Wenn dieser Grundsatz dazu missbraucht wird, in Ländern Rüstungsfabriken zu bauen, in die gegenwärtig weder ein Rüstungs- noch ein Technologietransfer genehmigt würden, dann muss bereits das Umgehungsverbot hier zu einer Ausnahme führen: Dieser Know-how-Transfer ist dann ausnahmsweise genehmigungspflichtig. Auch die Anwendung des Know-hows kann als technische Unterstützung genehmigungspflichtig sein.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. auch HIER.

Auf der Homepage der Kanzlei finden Sie zudem eine Einladung zum Praktiker-Seminar „Aktuelle Chancen und Risiken im EU- und US-Export- und Zollrecht“ am 21./22. September 2017 in Fulda.

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

 

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