Indonesien wirbt um ausländische Investitionen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Schlüsselargumente für die Verlagerung nach Indonesien dürften die niedrigen Löhne vor Ort gewesen sein, auf der negativen Seite stehen die mangelnde Qualifizierung der Arbeitskräfte und die herrschende Bürokratie.

Die Wirtschaft des Landes ist nicht stark in die internationalen Lieferketten eingebunden. Das war ein Vorteil, als die Covid-19-Pandemie weltweit ausbrach. Dennoch hat die Krise tiefe Spuren in Indonesien hinterlassen.

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Mit über 270 Millionen Einwohnern ist Indonesien das größte Land in der ASEAN-Region (Association of Southeast Asian Nations) und deren einziges G20-Mitglied. 58% der Bevölkerung sind unter 35 Jahren, was als großer demographischer Vorteil gewertet werden muss. In den vergangenen 20 Jahren ist die Wirtschaft um durchschnittlich mehr als 5% pro Jahr gewachsen.

Laut Weltbank ist Indonesien mit einem Pro-Kopf-BIP von 4.050 USD eine Upper-Middle-Income-Economy. Es rangiert damit in derselben Kategorie wie China und Thailand, eine Stufe über den regionalen Nachbarn Philippinen und Vietnam. Diese Klassifizierung ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, weil die indonesische Wirtschaft nicht unbedingt auf sehr soliden Beinen steht. Die Industrialisierung ist weitgehend rückständig. Die verarbeitende Industrie beschränkt sich auf billige Lohnfertigung importierter Vorprodukte. Das relativ hohe Einkommen ist vor allem den reichen Bodenschätzen des Inselstaats zu verdanken, wie z.B. Kupfer, Nickel, Kohle, und Palmöl.

Wachstumsstory wird unterbrochen

Per 31. August meldet die Johns Hopkins Universität mehr als 174.000 bestätigte Fälle von Covid-19 in Indonesien. Die Folgen der Pandemie sind erheblich: Das Wirtschaftsleben im Land ist über Monate größtenteils zum Erliegen gekommen. Das BIP ist im 2. Quartal um 4,2% geschrumpft; auch für das Gesamtjahr 2020 wird ein negatives Wachstum vorausgesagt.

Die Abhängigkeit von importierten Vorprodukten (hauptsächlich aus China) und die Unterbrechung der nationalen Lieferketten sind Probleme an der Oberfläche. Zudem hat der Inselstaat noch tiefergehende, strukturelle Probleme. Dazu zählen das niedrige Bildungsniveau, eine schlechte Infrastruktur und eine investitionsfeindliche Gesetzgebung. Insgesamt liegen hier die großen Herausforderungen des Landes.

Regierung und Zentralbank greifen resolut ein

In den vergangenen 20 Jahren hat Indonesien grundsätzlich solide gewirtschaftet. So stand die Staatsverschuldung per Ende 2019 nur bei knapp 30% des BIP. Somit konnten die indonesische Regierung und die Zentralbank relativ schnell ein Wiederaufbaupaket mit dem Namen „National Economy Recovery“ als Reaktion auf die Pandemie schnüren. Das Volumen des Pakets wird sukzessiv auf 1.082 Bill IDR (umgerechnet circa 76 Mrd USD) erhöht, was circa 7% des BIP entspricht. Wichtigste Bausteine des Pakets sind:

  • Bereitstellung von Tests sowie medizinisch notwendiger Versorgung für die Infizierten,
  • Erhöhung von Transferleistungen des Staats für die Bedürftigen,
  • Stundung bzw. Restrukturierung der Schuldendienste derjenigen Kleinunternehmen, die besonders hart von dem Lockdown betroffen sind, z.B. in der Tourismusbranche ,
  • Senkung des Umsatzsteuersatzes von aktuell 25% auf 22% sowie um weitere 2 Prozentpunkte auf 20% ab 2022.

Dafür hat die Regierung die bisherige Obergrenze von 3% für das Haushaltsdefizit ausgesetzt. Die Aussetzung soll bis ins Jahr 2023 gelten. Gleichzeitig hat die Bank Indonesia (Zentralbank) ein umfangreiches Anleihekaufprogramm in mehreren Stufen angekündigt. Staatsanleihen sollen in großem Stil angekauft werden, um die Rendite der Schuldpapiere zu drücken und dadurch die erhöhten Staatsausgaben zu finanzieren. Die Maßnahmen scheinen zu wirken, aktuell kann ein totaler Zusammenbruch in Indonesien vermieden werden.

Auslandsinvestitionen dringend benötigt

Zu den größten Kapitalgebern Indonesiens zählen neben Singapur auch Japan und China. Beide regionalen Schwergewichte werben nun um mehr Einfluss auf dem Archipel. Im Mai 2020 haben zwei multilaterale Entwicklungsbanken, ADB und AIIB, unter Federführung von Japan und China ein gemeinsames Hilfsprogramm mit einem Volumen von 2,25 Mrd USD aufgelegt. Ziel des Programms ist die Unterstützung der indonesischen Regierung im Kampf gegen die negativen Folgen der Pandemie. Unterstützt werden vor allem der ärmste Bevölkerungsteil, der von weniger als 1 USD pro Tag lebt, und diejenigen Klein- bis Mikrounternehmen, die unmittelbar von dem Lockdown betroffen sind. Eines der erklärten Ziele ist, die Arbeitslosigkeit bis April 2022 wieder auf das Vorkrisenniveau von 5% zu halbieren. Allein der zeitliche Rahmen deutet schon darauf hin, wie schwerwiegend die wirtschaftlichen Folgen tatsächlich sind.

Wegen der weltweiten Abschottung war es auch nicht überraschend zu sehen, dass ausländische Direktinvestitionen (FDI) im 1. Halbjahr 2020 massiv zurückgegangen sind. Für das Gesamtjahr 2020 möchte Indonesien trotz des Fehlstarts gut 60 Mrd USD anwerben, die dringend für die Wiederbelebung der Wirtschaft benötigt werden. Nach Angabe der indonesischen Investitionsbehörde gibt es bereits zahlreiche Anwärter unter großen Konzernen, die ihre Produktion von China nach Indonesien verlagern wollen, darunter Panasonic und LG Electronics.

Schlüsselargumente für die Verlagerung nach Indonesien dürften die niedrigen Löhne vor Ort gewesen sein, auf der negativen Seite stehen die mangelnde Qualifizierung der Arbeitskräfte und die herrschende Bürokratie. Sollte Indonesien diese zwei Herausforderungen in den Griff bekommen, kann es seinen demographischen Vorteil als bevölkerungsreichstes Land in Südostasien ausspielen.

Politik muss Prioritäten setzen

Der im Frühjahr 2019 wiedergewählte Präsident Joko Widodo hatte in seiner ersten Amtszeit schon zahlreiche Projekte eingeleitet, um die Strukturschwächen des Landes anzupacken. Die Arbeitsmarktreform gilt als eine der wichtigsten Maßnahmen, um den strikten Arbeitnehmerschutz aufzulockern und ein investitionsfreundliches Umfeld zu schaffen. Bildung ist auch ein zentraler Bereich, in dem die indonesische Regierung unbedingt nachbessern möchte und muss.

Für Aufmerksamkeit sorgte zudem die Ankündigung, eine Hauptstadt in der Provinz Ostkalimantan aus dem Boden zu stampfen. Geplant ist, eine Fläche von 180.000 ha Quasiackerland zwischen den Städten Balikpapan (650.000 Einwohner) und Samarinda (860.000 Einwohner) zum Zentrum der Staatsverwaltung aufzubauen.

Nach dem jetzigen Plan sollen bis 2024 der Bau der Regierungsgebäude sowie die notwendige Infrastruktur fertiggestellt sein, damit die Behörden einziehen können und zumindest arbeitsfähig sind. Dazu gehören Parlament, Verteidigungsministerium, Verfassungsgericht, Außenministerium, ausländische Botschaften etc. Alle Behörden rund um den Wirtschaftssektor sollen dagegen in Jakarta bleiben.

Als Hauptgründe für das ambitionierte Projekt werden die zunehmende Gefahr von Überflutungen durch das stetige Absinken der Bodenfläche von Jakarta angeführt sowie die Überkonzentration der Wirtschaftsleistung auf die Insel Java. Die Kapazitäten des Straßenverkehrs, der Gesundheits- und Energieversorgung sowie der Entsorgung des alltäglichen Abfalls sind an ihre Grenzen gestoßen. Die Gesamtkosten für die Umsiedlung werden auf 34 Mrd USD veranschlagt, was aber eine sehr konservativ geschätzte Plangröße sein dürfte.

Ob die Haushaltssituation nach der Pandemiebekämpfung noch das von Präsident Widodo initiierte Projekt erlaubt, ist aus heutiger Sicht sehr fraglich. Die Politik muss nun priorisieren, wofür die begrenzten Mittel eingesetzt werden sollen. Die Experten von ODDO BHF erwarten die höchste Priorität für Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen und Energie. Für deutsche Exporteure werden daher rund um Medizinausrüstung und im Angebot von Energielösungen zunehmende Geschäftschancen gesehen.

Weijun.Yin@oddo-bhf.com

www.oddo-bhf.com

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