Am 10. Juli 2020 konnte die Regierungspartei People’s Action Party (PAP) die Parlamentswahlen in Singapur mit einem Stimmenanteil von 61% erneut für sich entscheiden. Demnach behalten die PAP und Ministerpräsident Lee Hsien Loong im Parlament eine solide Mehrheit von 83 der 93 Sitze. Doch das Ergebnis ist ein Warnsignal für die Regierung.
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Die Zustimmung der Wähler zur Regierungspartei ist aktuell schwächer als im Jahr 2015. Damals konnte die PAP 70% der Stimmen gewinnen. Der Verlust an Wählerstimmen illustriert die allmählich schwindende Popularität der PAP. Auch die Folgen der Covid-19-bedingten sozioökonomischen Krise dürften das ihrige zum Wahlergebnis beigetragen haben.
Hohe Infektionszahlen trotz schneller Reaktion
Singapur wird seit Erlangung seiner Unabhängigkeit im Jahr 1965 von der PAP regiert. Seine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte in einem eher autoritären demokratischen System hat zur Entwicklung des Inselstaats zu einem wohlhabenden und hochtechnisierten Wirtschaftsstandort beigetragen und Singapur zu einem weltweiten Vorbild für ökonomische und politische Führung gemacht.
Die Covid-19-Krise hat die Effizienz Singapurs erneut unter Beweis gestellt. Der Staat hat dem ersten Ausbruch der Pandemie dank früher Tests und rascher Maßnahmen (Reisebeschränkungen, Rückverfolgung von Kontakten, ein bereits im Februar verabschiedetes Konjunkturpaket) wirksam die Stirn geboten. Die Epidemie langfristig unter Kontrolle zu bringen ist jedoch keine leichte Aufgabe. Anfang April entstanden in Schlafsälen von Gastarbeitern neue Infektionsherde, die zur Anordnung eines nahezu vollständigen Lockdowns bis zum 1. Juni führten. Singapur registrierte bis Ende August 56.812 Coronafälle und damit eine der höchsten Infektionszahlen in Südostasien.
Exportabhängigkeit erhöht wirtschaftliche Einbußen
Auch aus ökonomischer Sicht hat das Covid-19-Virus gravierende Folgen für den Stadtstaat, der eine extrem offene, exportorientierte Wirtschaft mit engen Verknüpfungen mit regionalen Lieferketten aufweist. Die aufgrund des Handelskriegs zwischen den USA und China bereits im vergangenen Jahr angespannte Wirtschaftslage wurde hierdurch zusätzlich verschärft. Des Weiteren führte der zweimonatige Lockdown zur Schließung der meisten Arbeitsstätten. Dadurch wurden die Binnenkonjunktur und die Inlandsnachfrage schwer getroffen. Im April prognostizierte der IWF infolgedessen für 2020 einen beispiellosen BIP-Rückgang von 3,5%, während Singapurs Behörden für den weiteren Verlauf des Jahres eine zusätzliche Schrumpfung von 4% bis 7% befürchten.
Für 2021 sagt der IWF eine Erholung der Wirtschaftsleistung und ein Wachstum des realen BIP von 3% voraus. Für die zweite Jahreshälfte 2020 wird mit einer langsamen Erholung gerechnet, insbesondere wenn die Auslandsnachfrage (zunächst aus China) allmählich wieder ansteigt und die Binnenwirtschaft von einem der weltweit ehrgeizigsten staatlichen Konjunkturprogramme profitiert. Vier Coronahilfspakete mit einem Umfang von nahezu 20% des BIP und verschiedene akkommodierende geldpolitische Maßnahmen werden die Auswirkungen der Rezession auf Unternehmen und Arbeitnehmer abmildern.
Das größte Abwärtsrisiko geht von der Dauer und Intensität der Pandemie und den daraus entstehenden Folgen für die Auslandsnachfrage aus, die für Singapurs Wirtschaft von ganz entscheidender Bedeutung ist. Sollte die Pandemie länger andauern als erwartet, dürfte dies, dank der starken Finanzpuffer Singapurs, weitere staatliche Hilfsmaßnahmen zur Folge haben.
Leichter Anstieg des Länderrisikos
Seit Beginn der Covid-19-Krise hat Credendo das Geschäftsrisiko Singapurs von A auf B herabgestuft. Gleichzeitig liegen die Bewertungen für das kurzfristige und mittel- bis langfristige politische Risiko weiterhin in der besten Kategorie 1 von 7 und dürften in der Einjahresperspektive darin verbleiben.
So ist damit zu rechnen, dass die solide Liquiditätslage, die starken ökonomischen und finanziellen Fundamentaldaten, die solide Politikgestaltung sowie die bei den letzten Wahlen bestätigte innenpolitische Stabilität zur Bewältigung des Covid-19-bedingten wirtschaftlichen Schocks beitragen werden, auch wenn die makroökonomische Leistung in den kommenden Jahren etwas nachlassen könnte.
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