Neue Herausforderungen beim EU-Iran-Embargo drohen aus der Umsetzung des GASP-Beschlusses 2012/635 vom 15.10.2012: Sind sämtliche Metallprodukte (bis hin zu Essbesteck) vom neuen Art. 4e erfasst? Auch die Anwendung des Iran Threat Reduction and Syria Human Rights Act (ITR-SHRA) vom August 2012 ist für deutsche Unternehmen relevant: Können selbständige auslän­dische Tochtergesellschaften bzw. deren US-Mutter für Iran-Verstöße haftbar gemacht werden?

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

Ausgangsfall

Das deutsche Unternehmen D ist ein selbständiges Tochterunternehmen der US-amerikanischen Muttergesellschaft A. D produziert Aluminiumerzeugnisse und möchte diese aufgrund eines Vertrags an den iranischen ­Kunden I in den Iran liefern. Der Vertrag datiert vom 01.09.2011. Die Aluminiumerzeugnisse enthalten keine US-Komponenten. Frage: Ergeben sich Exportbeschränkungen aus dem Ir­an-Embargo der EU oder der USA? Abwandlung: Wie wäre es, wenn der Liefervertrag zwischen D und I vom 01.11.2012 datierte?

Art. 4e GASP-Beschluss

Der genannte GASP-Beschluss bindet vorläufig allein die Mitgliedsstaaten und ihre Behörden; für die Unternehmen wird es auf die Umsetzung des Beschlusses ankommen. Aber solange diese noch fehlt, sollten sie die Vorgaben des Beschlusses bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, weil das BAFA unter Berufung auf den Beschluss Verbote oder Genehmigungen umsetzen wird.

Art. 4e des GASP-Beschlusses verbietet „Verkauf, Lieferung, Weitergabe von Graphit, Rohmetallen oder Metallhalberzeugnissen wie Aluminium oder Stahl“ unter bestimmten Voraussetzungen. Der weite Wortlaut lässt vermuten, dass neben Rohmetallen etc. als solchen evtl. auch einige der Erzeugnisse aus Rohmetallen etc. erfasst werden sollen, unklar ist nur, welche. Verboten ist die Lieferung in den Iran aber nur dann, wenn sie entweder für bestimmte sensitive Zwecke (für das Nuklear-, Militär- oder Raketenprogramm des Iran) von Relevanz sind oder wenn sie „für mittelbar oder unmittelbar von den IRG (Korps der Iranischen Revolutionären Garden) kontrollierte Industrieunternehmen relevant sind“.

Die erste Alternative ist noch güterbezogen formuliert: Demnach ist die Lieferung von Aluminium (und evtl. von Aluminiumprodukten?) in den Iran dann verboten, wenn die Aluminiumprodukte im genannten Sinne sensitiv genutzt werden können. Diese Frage, ob die Aluminiumprodukte nuklear etc. nutzbar sein könnten, kann der Exporteur selbst klären.

Ganz anders verhält es sich mit der zweiten Alternative, weil hier das Güterverbot personenbezogen formuliert worden ist. Das güterbezogene Iran-Lieferverbot ist davon abhängig, ob die Rohmetalle etc. (bzw. hier die Aluminiumprodukte) von einem Unternehmen genutzt werden, das zumindest mittelbar unter der Kontrolle der IRG steht. Es ist völlig offenkundig, dass dies nicht umgesetzt werden kann, weil dieser Formulierung jegliche rechtliche Bestimmtheit fehlt. Kein Exportunternehmer kann im Zeitpunkt der Lieferung vorhersehen, ob die Rohmetalle etc. (etwa beim dritten oder vierten Abnehmer in der Kundenkette) in die Hände eines Unternehmens kommen können, das zumindest mittelbar unter der Kontrolle der IRG steht.

Wie sollte Art. 4e umgesetzt werden?

Wenn man weiter berücksichtigt, dass Lieferverbote des EU-Iran-Embargos nur dann völkerrechtlich erlaubt sind, wenn sie auf ein eindeutiges UN-Mandat zurückgehen, liegt es nahe, dass der EU-Gesetzgeber für die Umsetzung das Kriterium der Kontrolle durch die IRG aufgibt. Stattdessen könnte das Verbot unter Bezugnahme auf eine Güterliste formuliert werden, sofern diese gelisteten Güter besonders konstruiert sind für die Zwecke des Nuklear-, Militär- oder Raketenprogramms des Iran oder sofern die Güter unmittelbar für diese Zwecke genutzt werden können.

Rechtsmittel bei fehlerhafter ­Umsetzung?

Anfang Dezember steht die Umsetzungs-VO wider Erwarten noch aus. Sollte Art. 4e aber in einer Weise umgesetzt werden, dass er mangelnde Bestimmtheit und Völkerrechtswidrigkeit ausstrahlt, würde den betroffenen Unternehmen keine Alternative bleiben, als gegen diese Umsetzung sehr rasch eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof einzulegen. Dies muss binnen zwei Monaten ab Veröffentlichung der Umsetzungs-VO im EU-Amtsblatt geschehen – danach wäre die Klage unzulässig!

Exportbeschränkungen nach dem Iran-Embargo der USA

Den „US-Personen“ sind nach dem US-Totalembargo gegen den Iran sämtliche Lieferungen in das Land verboten, sofern keine Ausnahmen für bestimmte privilegierte Güter bestehen. D ist als selbständige Tochtergesellschaft von A in aller Regel keine „US-Person“. Denn hierzu gehören neben US-Bürgern, Ausländern mit Daueraufenthaltsrecht USA (inkl. Greencard-Inhabern) und allen Personen, die sich vorübergehend in den USA aufhalten (nur während der Zeit ihres Aufenthaltes in den USA), auch alle Firmen, die nach dem Recht der USA oder eines US-Staates organisiert sind inklusive ihrer ausländischen Zweigniederlassungen. Selbständige ausländische Tochtergesellschaften gehören in der Regel nicht dazu. Lediglich dann, wenn sich herausstellen sollte, dass D von A statt wie eine Tochtergesellschaft wie eine unselbständige Zweigniederlassung behandelt wird, wird sich die Frage stellen, ob D wie eine faktische „US-Person“ anzusehen ist. Solange hierzu keine Anhaltspunkte bestehen, scheidet – ohne Anwendung des neuen ITR-SHRA – die Anwendung von US-Exportrecht aus: Denn hier ist weder das US-Territorium involviert, noch geht es um Güter made in the USA oder um Güter made in Germany, die mehr als 10% US-Anteile enthalten, etc.

Einfluss des neuen ITR-SHRA

Durch diesen neuen Act vom August 2012 werden mehrere Iran- und Syrien-Gesetze dahingehend abgeändert, dass auch ausländische selbständige Tochtergesellschaften von der US-Jurisdiktion dieser Gesetze erfasst werden. Und einem Erlass des US-Präsidenten vom Oktober 2012 lässt sich entnehmen, dass dies für das gesamte US-Embargo gegen den Iran und Syrien gelten soll, sofern durch die Iran-Lieferung von D – falls sie eine US-Person wäre – ein Verstoß gegen bestimmte Erlasse des US-Präsidenten vorliegen sollte. Wenn dies hier der Fall wäre und der Liefervertrag nach dem 12.10.2012 abgeschlossen gewesen ist, hätte D gegen das Iran-Embargo der USA verstoßen. In diesem Fall können Sanktionen gegen die amerikanische Muttergesellschaft – hier A – ergriffen werden, falls A nicht bis zum 06.02.2013 ihre Anteile an D verkauft.

Resümee

Im Ausgangsfall scheidet ein Verstoß gegen das US-Iran-Embargo aus, weil der Liefervertrag vor dem Stichtag abgeschlossen wurde. Bei der Abwandlung muss hingegen genauestens geprüft ­werden, ob hier ein Verstoß vorliegt oder nicht. Falls ja, wäre notfalls der rasche ­Verkauf der deutschen Tochtergesellschaft erforderlich, um dann die gravierenden US-Sanktionen zu vermeiden. Die neue Herausforderung beim US-Iran­-Embargo besteht also darin, dass der Anwendungsbereich auch über „US-Personen“ hinausgehen kann; auch selb­ständige Auslandstöchter von A müssen (in bestimmten Varianten) das US-Embargo gegen den Iran und Syrien beachten, um Sanktionen gegen ihre US-Mutter zu vermeiden.

Beim EU-Iran-Embargo besteht die neue Herausforderung darin, dass völlig unbestimmte Formulierungen für güterbezogene Iran-Lieferverbote im GASP-Beschluss gewählt worden sind. Sollte die Unbestimmtheit und Völkerrechtswidrigkeit auch der Umsetzungs-VO anhaften, wäre eine rasche Nichtigkeitsklage (binnen zwei Monaten) das Gebot der Stunde. Hierfür und für die Frage, welche Güter genau vom GASP-Beschluss betroffen sind, sollte ein Exportanwalt eingeschaltet werden, weil der Rechtsdschungel des Iran-Embargos der EU und der USA leider immer undurchdringlicher wird.

Textkasten: Ein Appell des Autors

Mehrere Berichte aus dem Iran stimmen darin überein, dass im Iran dringend lebens­notwendige Medikamente (u.a. für die Behandlung von Krebs, MS oder Diabetes) benötigt werden. Gründe für ihre lebensbedrohliche Verknappung sind vor allem die Listung praktisch aller iranischen Banken sowie die hohe Inflation. Unser Weihnachtsappell an den deutschen bzw. EU-Gesetzgeber: Er sollte wie die USA ­eindeutige Ausnahmen von Verboten/Geneh­migungspflichten für privilegierte Güter (v.a. Lebens- und Arzneimittel) vorsehen und mit der Abwicklung dieser Lieferaufträge eine deutsche oder europäische Bank beauftragen. Dies kann ein wichtiger Beitrag zum Frieden sein.

Kontakt: info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com

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