Nach fünf Jahren Sanktionen ist der Iran auf dem Weg zurück in die globale Wirtschaft. Dies könnte durch den Effekt höherer Ölangebotsmengen positive Auswirkungen auf das internationale Wachstum haben. Vor allem aber steht der Iran selbst vor grundlegenden Veränderungen. Die Lockerung der Sanktionen durch die P5+1-Vereinbarung wird die Produktion im Iran anschieben. Die iranische Wirtschaft wird sich, vor allem durch den Außenhandel und Investitionen, wiederbeleben.
Von Dr. Mario Jung, Regional Economist Northern Europe Region, Coface
Bessere makroökonomische Aussichten, neue Chancen
Der Iran ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Region Naher Osten und Nordafrika (MENA). Nach Zahlen des IWF beträgt das Bruttoinlandsprodukt 416,5 Mrd USD. Nach zwei Jahren Rezession erwartet Coface für 2016 ein reales Wachstum um 3,8%, vor allem aufgrund der Lockerung der Sanktionen.
Die Regierung geht davon aus, dass sie Investitionen aus dem Ausland in Höhe von jährlich mindestens 50 Mrd USD anziehen kann. Diese Summen liegen weit über den 2,1 Mrd USD, die ausländische Investoren 2014 im Iran investiert haben.
Schlüsselindustrien für einen solchen Aufschwung in der Phase ohne Sanktionen dürften der Transport, der Wohnungsbau und die städtische Infrastruktur werden. Darüber hinaus und neben der Öl- und Gasindustrie, von der der Iran stark abhängig ist, haben aber nahezu alle Branchen Entwicklungschancen.
Aber der Anstieg bleibt begrenzt …
Kurzfristig wird die Wiederöffnung der iranischen Wirtschaft für den internationalen Handel progressiv wirken. Der Iran ist der größte Markt außerhalb der WTO-Ländergruppe. Das Land ist weitgehend abgeschlossen, und die Behörden favorisieren eher eine vorsichtige Öffnung und einen graduellen Abbau der Handelsbarrieren. Die Schwäche des Bankensektors begrenzt ebenfalls das Exportwachstum.
Importe mit einem Wert von über 50.000 USD unterliegen einer Mengen- und Qualitätskontrolle. Zusätzlich zu den Gebührenbestimmungen dürften regulatorische Begrenzungen und eine starre Bürokratie die Entwicklung des Handels weiter zumindest kurzfristig behindern. Die schnelle Öffnung für den Handel könnte auch wie ein Schock auf die iranische Währung Rial wirken. Und eine reale Aufwertung der Währung hätte gegenläufige Auswirkungen auf die Exportgeschäfte.
Wegen des derzeit ungünstigen globalen Umfelds und der strukturellen Probleme im Iran könnten die erwarteten positiven Effekte länger auf sich warten lassen. Der gebremste Welthandel und die regionalen Verwerfungen dürften die stimulierenden Aspekte der Öffnung und der geringeren Handelskosten dämpfen.
Da der Iran stark von der Ölproduktion abhängig ist, um auch die Binnenwirtschaft insgesamt voranzubringen, sind die aktuell niedrigen Ölpreise kontraproduktiv für diese Entwicklung. Niedrigere Einnahmen bremsen staatliche Investitionen und die Möglichkeiten zur Entwicklung der Wirtschaft aus. Schließlich trüben die schwache Infrastruktur im Land und der fragile Bankensektor langfristig die Wachstumsaussichten.
Mit Blick auf die Branchen hat Coface zwei Sektoren ausgewählt, die den Spagat zwischen Chancen und Problemen aufzeigen, der sich auf dem Weg des Iran in den offenen Markt ergibt.
Energie: Die Lockerung der Sanktionen dürfte zu einer Steigerung der Produktion im Bereich fossiler Brennstoffe führen. Gegenläufig wirken indes die schwachen Aussichten auf dem Ölmarkt. Laut Internationaler Energieagentur wird der Iran im laufenden Jahr über 3,1 Mio Barrel Rohöl pro Tag produzieren, im nächsten Jahr 3,6 Mio Barrel. 2015 waren es noch 2,8 Mio Barrel. Die teilweise Öffnung des Landes wird sicher zu Investitionen in die Ölbranche führen. Mit den richtigen Investitionen könnte der Iran sogar 4 Mio Barrel pro Tag produzieren. Allerdings wird der Ausbau der Infrastruktur teuer. Zudem könnte der Eintritt des Iran in den globalen Markt im derzeitigen Umfeld sinkender Ölpreise zu einer weiteren Verschärfung des Ungleichgewichts von Angebot und Nachfrage führen.
Automobil: Die Automobilindustrie, die mehr als 10% zum BIP des Iran beiträgt, wird einer der größten Nutznießer der Sanktionslockerung sein. Bei den Iranern sind internationale Marken begehrt, und weitere westeuropäische Hersteller dürften so gute Voraussetzungen für den Markteintritt vorfinden. Damit wird sich aber die Wettbewerbssituation verschärfen. Wenn neue Marken kommen, werden es die bereits präsenten Unternehmen schwer haben, ihre Markanteile zu halten. Dies gilt für die chinesischen Hersteller, wenn die Europäer Autos liefern können, die zugleich preisgünstiger und höherwertiger sind.
Eine ausführliche Darstellung zur Situation im Iran in englischer Sprache ist unter dem folgenden Link verfügbar:
Risiken für deutsche Exporte deutlich gestiegen
Die erhöhten Exportrisiken für deutsche Unternehmen hemmen das Wachstum. Da die deutsche Wirtschaft starke Verbindungen zu den aufstrebenden Ländern und den Entwicklungsländern hat, ist sie auch von den strukturellen und konjunkturellen Veränderungen dort betroffen. Diese externen Einflüsse sind derzeit negativ. Denn das Wachstum in den Emerging Markets ist gebremst und deutlich schwächer als die Nachfrage aus den entwickelten Ländern.
2016 dürfte sich der deutsche Export tendenziell so entwickeln wie im Vorjahr. Die Ausfuhren in die entwickelten Volkswirtschaften bleiben voraussichtlich stark und robust, während die Risiken in den Emerging Markets deutlich gestiegen sind. Die Nachfrage nach deutschen Produkten ist beeinträchtigt vom globalen Risikomix aus politischen und militärischen Konflikten, Terroranschlägen und strukturellen Problemen in vielen aufstrebenden Ländern. Hinzu kommt das gebremste Wachstum in China. Dieser Druck auf die Nachfrage könnte sich weiter verschärfen.
Regional betrachtet, sind die deutschen exportierenden Unternehmen daher auch eher optimistisch mit Blick auf die entwickelten Länder. Die schwächsten Aussichten erwarten sie dagegen für Süd- und Mittelamerika, Osteuropa, Russland, die Türkei und China. Bei den Branchen sind einige besonders von Risiken in den Emerging Markets betroffen: Automobil, Maschinenbau sowie elektrische Ausrüstungen und die sehr zyklische Chemiebranche.
Rund 29% der deutschen Exporte gehen in Emerging Markets, mehr als ein Fünftel davon nach China. Rund 6% aller Ausfuhren haben somit China zum Ziel. Deutschland ist damit zugleich stärker externen Risikofaktoren in Emerging Markets ausgesetzt als die meisten anderen Euroländer. Zusammengenommen, beträgt die Exportquote der Euroländer in Emerging Markets 26%.
Für die exportierenden Unternehmen ist der weitere Verfall des Ölpreises ein Grund zur Sorge, denn er indiziert eine schwache globale Nachfrage. Zudem sind die Wachstumsaussichten für viele Emerging Markets eher verhalten, und auch die Aussicht auf eine weitere graduelle Abschwächung der chinesischen Dynamik dürfte sich negativ auf die deutsche Exportwirtschaft auswirken.
Kontakt: mario.jung@coface.com