Erneut mehr als 500 Teilnehmer konnte Coface auf dem siebten Kongress Länderrisiken am 16. Mai 2013 in der Mainzer Coface Arena begrüßen. Wie behaupten sich Unternehmen im aktuell krisenhaften Umfeld? Gibt es Probleme bei der ­Finanzierung? Welche Rolle spielt die Politik? Diesen Fragen widmeten sich die Plenardiskussionen des Kongresses, auf denen Ver­treter mittel­ständischer Unternehmen ihre Erfahrungen mit den Analysen von Wirtschaftswissenschaftlern vergleichen konnten.

Von Erich Hieronimus, Pressesprecher, Coface, Niederlassung in Deutschland und Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut

Die Konjunktur habe sich in Europa auch im ersten Quartal 2013 weiter negativ entwickelt, sagte Moderator Carsten Knop, Leitender Redakteur Unternehmen bei der F.A.Z. Zudem gebe es in einigen Ländern sehr hohe Arbeitslosigkeit. „Wie positioniert man sich in diesem Umfeld? Investieren Sie noch?“, fragte Carsten Knop die beiden Vertreter mittelständischer Unternehmen im Panel.

Von Resignation keine Spur. „Wir haben mitten in der Krise in Spanien ein Fabrikationsunternehmen gekauft. Wir haben ein Bauvorhaben am Stammsitz gestartet. Wir verzeichnen Zuwächse in Spanien, Italien und Großbritannien und gründen Gesellschaften im Ausland“, zählte Dr. Gunther Wobser, Geschäftsführender Gesell­schafter, für sein Unternehmen auf. Die LAUDA Dr. R. Wobser GmbH und Co. KG behaupte sich in der Krise nicht nur. Sie könne ihre Wettbewerbsposition sogar ausbauen. Die Grundlage dafür: eine starke eigene Finanzbasis mit 50% Eigenkapitalquote.

Dr. Wobser bestätigte damit eine Erwartung, die Yves Zlotowski in seinem Vortrag beim Kongress äußerte. Der Coface-Chefökonom sieht die deutschen Unternehmen im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern stark aufgestellt und widerstandsfähiger gegen Krisen. Das trifft offensichtlich auch auf die Phoenix Contact GmbH und Co. KG zu. Deren ­Leiter Vertrieb, Frank Stührenberg, sagte, dass sein Unternehmen eigenfinanziert investieren könne und das auch tue. „Wir bauen unsere Position auch in der Krise aus. Wir finden auch in Spanien gute Gelegenheiten. Wir investieren in ein Werk in Griechenland. Dort ist die Kostenrelation erstmals günstiger als zum Beispiel in Polen.“ Schon früher sei Phoenix in andere Märkte gegangen, als in Deutschland die Situation nicht optimal gewesen sei. So Anfang der 90er Jahre in einer rezessiven Phase nach Indien und China oder nach dem Platzen der Dot-Com-Blase 2002 nach Russland. „Alles große Märkte heute“, bilanzierte Frank Stührenberg.

Nicht alle Unternehmen können Investitionen über Eigenmittel finanzieren. ­Carsten Knop fragte deshalb nach der aktuellen Rolle der Banken. Nehmen diese ihren Kreditauftrag noch wahr? Die Banken in Deutschland hätten in der ­Vergangenheit nach eigenem Empfinden Kredite zu billig verkauft, gemessen an ihren Margen im Anlagegeschäft, sagte Prof. Dr. Udo Steffens. Der Präsident der Frankfurt School of Finance & Management sieht nun eine gewisse Umkehr im Kreditgeschäft: „Sie versuchen nun, da die Kapitalmarkteinkünfte schrumpfen, die Kreditmargen zu verbessern.“ Insgesamt stünden die Kreditinstitute vor einer „Dekade der strukturellen Veränderungen“. Aufgrund der Regulierungen seien deutsche und europäische Banken eher vorsichtig, die amerikanischen Institute agierten wieder viel offensiver.

Dieser Systemkonflikt werde weiter zunehmen, prognostiziert Prof. Max Otte. „Das kreditbasierte System war mit Blick auf die Unternehmen das beste, was wir haben konnten.“ Die US-Banken würden eher noch aggressiver werden im Verhalten, stimmte er Prof. Steffens zu. Prof. Otte kritisierte die „unerträgliche Verrechtlichung und Regulierungswut“. Regulierung dürfe sich nicht an der Quantität der Regeln messen. „Wir brauchen die richtigen Regeln.“

„Wir beobachten aufmerksam, was sich bei den Banken tut“, sagte Frank Stührenberg, „weil sich daraus für unsere Abnehmer Folgen ergeben können.“ So gebe es derzeit einen Stau bei Projekten in Russland wegen der Finanzierung der Kunden. Mehr Sorgen macht er sich aber beim Blick auf die politische Ebene. Die Verunsicherung komme zu einem großen Teil aus der Politik und der Finanzwirtschaft, bestätigte Prof. Steffens. Unter­nehmerische Möglichkeiten würden heutzutage oft wegen rechtlicher Bedenken nicht genutzt. „Elan und unternehmerischer Mut werden so stark gebremst.“ Das sieht auch Dr. Wobser so: „Die regulatorischen Anforderungen werden immer schlimmer.“

„Während man in Deutschland überlegt, in welchen neuen Wachstumsmarkt man als Nächstes gehen soll, überlegen wir in Frankreich noch, wie wir in den bestehenden Wachstumsmärkten Fuß fassen können. Der Optimismus in Deutschland ist beeindruckend“, betonte Yves Zlotowski. In Frankreich sei man dagegen ein wenig niedergeschlagen.

In seinem Vortrag zur Entwicklung der weltweiten Länderrisiken wies Zlotowski auf die gefährliche Abwärtsspirale der Sparpolitik in Europa hin. Während Deutschland mit seinem Modell eines exportgestützten Wachstums eine Kürzung der Staatsausgaben leichter verkraften könne, litten konsumgestützte Volkswirtschaften wie Spanien und Frankreich unter dem Rückgang des staatlichen Verbrauchs. Trotz relativ hoher Vermögen seien die dortigen Verbraucher angesichts der hohen Arbeitslosigkeit bei ihren Konsumausgaben zurückhaltend. Wegen der schwachen Nachfrage werde nicht investiert, obwohl die Zinsen niedrig seien. Allerdings helfe die expansive Geldpolitik Mario Draghis den unter Anpassungsdruck stehenden Ländern. Die europäische Politik in Zypern hält Zlotowski dagegen für fatal für das Vertrauen in die Euro-Zone, die Politiker hätten aus der Entwicklung in Griechenland nichts gelernt.

Für weltweit agierende Unternehmen aus Deutschland stellen sich die Herausfor­derungen eher auf der Angebotsseite. Dirk Peltzer, Director Asia & Africa der ­Alexander Binzel Schweißtechnik GmbH & Co. KG, und Dirk Retzlaff, Area Manager Südeuropa und Afrika der juwi AG, nannten in der anschließenden Diskussionsrunde als größtes zukünftiges Risiko ihrer Unternehmen das Scheitern des Kostensenkungsprozesses und das Verschlafen von Innovationen. „Ein noch größeres Risiko ist jedoch, den globalen Wett­bewerb nicht anzunehmen“, gab Dirk Peltzer zu bedenken. Allerdings seien die Auslandsengagements seines Unternehmens in Indien und China unterschiedlich verlaufen: „Während sich das China-Geschäft erfolgreich entwickelt, sind in Indien soziokulturelle Hindernisse an der Tagesordnung.“

Beide Unternehmensvertreter beklagten die mangelnde Verlässlichkeit politischer Rahmenbedingungen in einigen Auslandsmärkten. So gab es in Bulgarien und Spanien kurzfristige Änderungen in den Einspeisekonditionen für erneuerbare Energien, dem Tätigkeitsfeld der juwi AG: „Wir betrachten das Auslandsengagement wegen der individuellen Marktbedingungen eher als Multilokalisierung denn als Globalisierung“, sagte Dirk Retzlaff und kritisierte auch die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission, Antidumpingzölle auf chinesische Solarpanels zu erheben: „Das schadet der gesamten Branche und macht die Systeme teurer.“ Er plädierte für eine Verringerung der Subventionen für erneuerbare Energien.

Mit Blick auf die geringeren Wachstumsraten in einigen Ländern mahnte Dirk Peltzer zur diffenzierten Betrachtung der unterschiedlichen Branchen, in denen das Wachstum stattfindet. Er betonte: „Für einige Bereiche halte ich eine Abschwächung durchaus für sinnvoll.“ Yves Zlotowski illustrierte diesen Aspekt am Beispiel seines Vortrags auf der Länder­risikokonferenz in São Paulo: „In einem luxuriösen Einkaufszentrum fiel während der Veranstaltung der Strom aus. Mit ­Infrastrukturschwächen ist dort immer zu rechnen. Brasiliens Wachstum ist vom Konsum getrieben, während die Infrastruktur dringend Investitionen braucht.“

Dirk Retzlaff warb daher für ein nachhaltiges Wachstum. Doch dies erfordert langfristige Investitionen. Europäische Banken seien bei Investitionen in Krisenländer und langfristigen Finanzierungen zurückhaltend. Yves Zlotowski wies auf die stark wachsenden Kredite japanischer und US-amerikanischer Banken in diesem Bereich hin. „Das Vertrauen in Europa und der europäischen Banken untereinander hat unter der aktuellen Krise gelitten“, konstatierte er abschließend.

Kontakt: erich.hieronimus[at]coface.de ; g.schilling[at]faz-institut.de

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