Am 13. Juni 2013 wurde das neugefasste Außenwirtschaftsgesetz (AWG n.F.) im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2013 I, S. 1482) verkündet. Nach seinem Artikel 4 ist es am 1. September 2013 in Kraft getreten, und zwar gemeinsam mit der ebenfalls novellierten Außen­wirtschaftsverordnung (AWV n.F.), die am 5. August 2013 verkündet wurde (BGBl. 2013 I, Seite 2865 ff.). Was bedeuten das AWG n.F. und die AWV n.F. für Exporteure?

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

Ausgangsfall

Das deutsche Exportunternehmen D hat einen Arbeitsfehler begangen; es hat versehentlich vergessen, eine Exportgenehmigung zu beantragen; Abwandlungen: D hat falsche Ausfuhrcodes in der Ausfuhrerklärung angegeben, und D hat vergessen, für eine Lizenzzahlung aus dem Ausland von gut 15.000 EUR rechtzeitig eine Z4-Meldung abzugeben. Wenn D diese Verstöße freiwillig anzeigt, kann er dann über § 22 Abs. 4 AWG n.F. Straffreiheit erreichen?

Was ändert sich wirklich im AWG n.F. und in der AWV n.F.?

Änderung 1: leichtere Lesbarkeit. Es gibt nur an wenigen Stellen inhaltliche Änderungen. Überwiegend geht es darum, nicht genutzte Ermächtigungen zu streichen (z.B. werden die §§ 8–21 AWG gestrichen, da sie heute kaum noch Praxisrelevanz entfalten) sowie die Gesetzestexte transparenter bzw. besser lesbar zu machen inkl. der Vermeidung von Doppelregelungen in AWG und AWV und der Verwendung einer moderneren Terminologie. Die bessere Lesbarkeit wird vor allem bei den Embargos deutlich: Während die AWV eine völlig unübersichtliche Darstellung aller nationalen Embargobestimmungen in den §§ 69a–69r AWV enthält, verzichtet die AWV n.F. auf diesen „Piecemeal-Approach“ (für jedes Embargoland jeweils ein einzelner Paragraph); stattdessen geht es eher um einen „Framework Approach“, weil alle Embargobestimmungen nun relativ übersichtlich in den §§ 74–76 AWV n.F. dargestellt werden. Auch die Darstellung der Meldevorschriften für den Kapital- und Zahlungsverkehr (§§ 56 ff. AWV, §§ 63 ff. AWV n.F.) ist übersichtlicher, weil erst alle Meldetatbestände aufgeführt werden (§§ 64–66 AWV n.F.), um danach die formellen Fragen (Form, Fristen und Ausnahmen) zu regeln – während die AWV bisher immer zwischen Meldetatbeständen und Verfahrensfragen hin und her sprang. Gute Beispiele für die Vermeidung von Doppelregelungen in AWG und AWV sind zum einen die Definitionen, die jetzt allein im AWG n.F. (vgl. § 2 AWG n.F.) zu finden sind (vgl. demgegenüber § 4 AWG a.F. und § 4c AWV a.F.), und zum anderen die Regelung der Einfuhr, die jetzt allein in der AWV n.F. (§§ 29–43 AWV n.F.) zu finden ist (vgl. demgegenüber §§ 10–14 AWG a.F., §§ 21b ff. AWV a.F.).

Änderung 2: Liberalisierungen und Klarstellungen. Zwei bedeutende Handelserleichterungen sind zu konstatieren. Die erste besteht darin, dass die bisherige nationale Genehmigungspflicht des § 5c AWV (für nicht gelistete Güter, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gut militärisch in einem K-Land – zurzeit nur noch Kuba – verwendet werden kann) sowie die ihr entsprechende Verbringungsgenehmigung, § 7 Abs.3 AWV, entfallen. (Negativ ist hingegen, dass der andere nationale Alleingang, die Genehmigungspflicht nach § 5d AWV und die entsprechende Verbringungsgenehmigung, beibehalten wird; vgl. § 9 und § 11 Abs. 3 und Abs. 4 AWV n.F.). Die zweite Liberalisierung besteht darin, dass der Anwendungsbereich der bisher sehr arbeitsintensiven Verbringungsgenehmigungspflicht des § 7 Abs. 2 AWV (§ 11 Abs. 2 AWV n.F.) – bei jeder Verbringung von Dual-Use-Gütern z.B. nach Frankreich oder Großbritannien muss eine Verbringungsgenehmigung des BAFA eingeholt werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gut von Frankreich oder Großbritannien in ein Drittland weitergeliefert wird – nunmehr erheblich eingeschränkt wird: Er gilt nur noch für zwölf nationale Dual-Use-Listenpositionen Deutschlands und nicht mehr (wie bisher) für sämtliche Dual-Use-Güter. Gleichzeitig wird klargestellt, dass die Liste der Dual-Use-Güter eine EU-Liste ist (Anhang I der Dual-Use-VO); sie wird nicht mehr wie bisher in Teil I C der deutschen Ausfuhrliste wiederholt (Teil I C der AL wird nicht mehr genutzt, und auf Teil I B stehen jetzt allein die nationalen Dual-Use-Positionen Deutschlands).

Zusätzlich gibt es an einzelnen Stellen weitere Liberalisierungen: zum Beispiel, dass vereinzelt Ausnahmen für die drei Rest-EFTA-Staaten Schweiz, Norwegen, Island (z.B. in § 8 Abs. 2 AWV n.F.) – sie werden praktisch den EU-Staaten gleichgestellt – eingefügt werden und dass zudem die Wertfreigrenze von bisher 2.500 EUR (vgl. z.B. § 5 Abs. 3 AWV) regelmäßig auf 5.000 EUR angehoben wird (vgl. z.B. §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3 AWV n.F.). Im Bereich der Handels- und Vermittlungsgeschäfte wird auf die Genehmigungspflichten nach §§ 41, 41a AWV (für nationale Dual-Use-Positionen und für Anhang-IV-Güter) verzichtet, weil diese bisher nicht praxisrelevant waren.

Zusätzlich gibt es an einigen Stellen Klarstellungen. Diese sind bei den Beschränkungen des Kapitalverkehrs (§§ 52, 53 AWV, jetzt §§ 54 ff. AWV n. F.) eine Hilfe­stellung, weil Beteiligungshöhen und Prüfverfahren etc. klargestellt werden. Gleiches gilt auch für die Regelungen zum Dienstleistungsverkehr: Die Genehmigungspflicht für technische Unterstützung soll allein auf Deutsche und juristische Personen mit Sitz der Leitung in Deutschland beschränkt bleiben (vgl. § 49 AWV n.F. und § 45 AWV). Hingegen sind diese Klarstellungen bei den Meldevorschriften im Kapital- und Zahlungsverkehr tendenziell eher ein Ärgernis: Dass z.B. auf die Z1-Meldung (vgl. § 60 Abs.1 AWV) an die eigene Bank in Deutschland verzichtet wird, damit das Unternehmen stattdessen gleich die Z4-Meldung an die Bundesbank vornimmt, dürfte (so einer der Sachverständigen bei der Expertenanhörung im Bundestag) eine erhebliche Belastung für die betroffenen Unternehmen bedeuten. Dass für einige dieser Meldungen umfassendere Angaben und für die Z5b-Meldung (§ 62 Abs. 4 AWV, § 66 Abs. 4 AWV n.F.) eine kürzere Frist (vierteljährlich statt jährlich) vorgesehen ist, deutet auch auf Mehrarbeit hin (allerdings ist dies z.T. der Umsetzung neuen EU-Rechts geschuldet).

Änderung 3: Neufassung Strafrecht. Kernstück der Reform des AWG n.F. ist die Neufassung der strafrechtlichen Normen (vgl. §§ 17 ff. AWG n.F.): Embargoverstöße (§ 17 AWG n.F.), sonstige Straftatbestände (§ 18 AWG n.F.) und Ordnungswidrigkeiten (§ 19 AWG n.F.). Bisher war die nicht genehmigte Ausfuhr von Dual-Use-Gütern immer eine Ordnungswidrigkeit; erst aufgrund einer Bescheinigung des Auswärtigen Amtes, dass die auswärtigen Beziehungen Deutschlands erheblich gefährdet würden, wurde aus dieser Ordnungswidrigkeit eine Straftat (§ 34 Abs. 2 AWG). Auf diese Regelung soll nun verzichtet werden: Um eine Regelung zu erhalten, die einfacher zu handhaben ist, ist künftig die Frage, ob die ungenehmigte Ausfuhr eine Straftat darstellt, davon abhängig, ob der Täter mit Vorsatz (dann Straftat nach § 18 AWG n.F.) oder ob er mit Fahrlässigkeit handelte (dann Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 1 AWG n.F.). Dies bedeutet eine erhebliche Kriminalisierungstendenz für die Exportmitarbeiter zumindest in Fällen, die in einem Graubereich zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz angesiedelt sind. In diesen Fällen fehlt nämlich eine klare Grenzziehung, und die Abgrenzung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat kann u.U. vom Gutdünken des Staatsanwalts abhängig sein.

Insbesondere § 22 Abs. 4 AWG n.F.: Nachdem wir im Rahmen der Bundestagsanhörung diese Kriminalisierungstendenz angesichts unserer Erfahrung, dass Arbeitsfehler in der Exportkontrolle praktisch nicht zu vermeiden sind, gerügt hatten, hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kurzfristig dazu entschlossen, entsprechend unserer Anregung den § 22 Abs. 4 AWG n.F. einzuführen (mit der BT-Drs. 17/12101 vom 16. Januar 2013). Er sieht eine Straffreiheit für bestimmte fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeiten vor, wenn diese Verstöße im Rahmen der Eigenkontrolle entdeckt, freiwillig angezeigt und Schritte zu ihrer künftigen Vermeidung ergriffen werden. Unser Formulierungsvorschlag wurde mit einigen Änderungen übernommen, wobei bedauerlicherweise der Anwendungsbereich auf Ordnungswidrigkeiten nach § 19 Abs. 2 bis Abs. 5 AWG n.F. begrenzt wurde. Damit sind zwar alle Verfahrensverstöße und die Boykotterklärung von § 22 Abs. 4 AWG n.F. erfasst, wohl aber kaum die ungenehmigte Ausfuhr/Verbringung, abgesehen von den Genehmigungen nach § 10 AWV n.F. und nach § 11 Abs. 2 und Abs. 4 AWV n.F. Und auch die kritischen Einwände in der Literatur lassen sich ohne weiteres beseitigen, wenn man die „Eigenkon­trolle“ – sie ist das Gegenteil von Behördenkontrolle – auf die für das ICP (Internal Compliance Program) unverzichtbaren Maßnahmen begrenzt (vgl. Jahrbuch Außenwirtschaft 2014, S. 170 ff.).

Zurück zum Ausgangsfall

Die falsche Angabe der ATLAS-Ausfuhrcodes und die fehlende/verspätete Meldung nach § 67 AWV n.F. gehören zum Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 Nr. 1b AWG n.F., so dass solche fahrlässigen Verstöße in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 AWG n.F. fallen. Hierfür besteht die freiwillige Selbstanzeige mit der Folge der Straflosigkeit, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt werden. Für das versehentliche Vergessen, die Ausfuhrgenehmigung zu beantragen, dürfte in aller Regel (abgesehen der für Güter nach Anhang II AL, vgl. § 10 AWV n.F.) der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 AWG n.F. kaum eröffnet sein. Der entsprechende vorsätzliche Verstoß ist eine Straftat nach § 18 Abs. 2 oder Abs. 5 AWG n.F. Zwar gibt es in § 19 Abs. 3 und Abs. 4 AWG n.F. Formulierungen, als ob auch solche ungenehmigten Ausfuhren erfasst wären, aber unter Ausschluss von „Verstößen nach § 18 Abs. 2 oder § 18 Abs. 5 AWG n.F.“ (vgl. auch §§ 81, 82 AWV n.F.). Für diese Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 1 AWG n.F. dürfte in aller Regel der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 AWG n.F. kaum eröffnet sein. Die Behörde sollte dies als freiwillige Selbstanzeige mit der Rechtsfolge der Milderung von Sanktionen auslegen.

Resümee Neufassung AWG, AWV

Das AWG n.F. und die AWV n.F. sind sehr viel nutzerfreundlicher, da sie an vielen Stellen leichter lesbar sind. Es wird auch vereinzelt Handelsliberalisierungen geben, die unbedingt zu begrüßen sind; allerdings wurde das volle Potential hierzu nicht ausgeschöpft, so dass eine zweite Liberalisierungsrunde (etwa im Nachgang zur bald anstehenden Reform der Dual-Use-Verordnung) zu begrüßen wäre. Die Kriminalisierungstendenz wurde durch Normen wie § 22 Abs. 4 AWG n.F. etwas abgemildert, wobei dessen Anwendungsbereich ausgeweitet werden sollte. Allerdings ist fraglich, ob diese Reform des AWG und der AWV tatsächlich als ein „großer Wurf“ gewertet werden kann. Für eine Reform des deutschen Außenwirtschaftsrechts nach 50 Jahren hätte es nahegelegen, dass alle wesentlichen Fragen im AWG geregelt werden; zentral hierfür sind v.a. die Zuverlässigkeit des Ausführers, die Frage, welche Gemeinwohlbelange in die Außenwirtschaft eingreifen dürfen (z.B. fehlt die Rolle von Menschenrechten und Rüstungsbeschränkungen bisher weitgehend im AWG), welche Genehmigungsformen es gibt und welche Ausnahmen/Wertfreigrenzen hierzu bestehen, statt solche Fragen in Erlasse oder Allgemeingenehmigungen des BAFA zu verweisen. Vielleicht kann dieser Schritt später noch nachgeholt werden?

Kontakt: info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com

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