Über die Ablösung des derzeitigen Zollkodexes (ZK) durch eine neue – modernisierte – Fassung wird schon lange geredet und geschrieben. Im Oktober 2013 wird die Neufassung endlich veröffentlicht. Allerdings ist der neue Zollkodex dann noch nicht anwendbar, weil im Anschluss daran die Durchführungsregelungen erlassen werden müssen. Erst ab Mai 2016 wird dann der UZK angewendet und der derzeitige ZK außer Kraft treten.
Von RA Michael Lux, Partner, Büro Brüssel, Graf von Westphalen
Warum ein neuer ZK?
Der im Jahr 2008 veröffentlichte Modernisierte Zollkodex (MZK) sollte eigentlich ab dem 24. Juni 2013 angewendet werden. Am 1. Dezember 2009 ist jedoch der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten, der für den Erlass von Durchführungsregelungen neue Vorschriften enthält, die in jedem vom Parlament und dem Rat erlassenen Basisrechtsakt berücksichtigt werden müssen: Es muss nämlich nunmehr unterschieden werden zwischen delegierten Rechtsakten einerseits und den – bereits bisher bestehenden – Durchführungsverordnungen andererseits (folglich muss die derzeitige ZK-DVO in mindestens zwei Verordnungen aufgespalten werden). Außerdem musste den seit 2008 eingetretenen Entwicklungen (insbesondere den Verzögerungen bei der Entwicklung EU-weiter IT-Systeme) Rechnung getragen werden, so dass anstelle endgültiger Lösungen für eine Verknüpfung der nationalen IT-Systeme und die Schaffung zentraler Datenbanken auch ein Rahmen für Übergangslösungen festgelegt werden musste. Die Kommission hat deshalb dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag für einen überarbeiteten Zollkodex vorgelegt, auf den man sich 2013 zwischen den drei beteiligten Institutionen geeinigt hat.
Die wichtigsten Änderungen
- Elektronische® Datenaustausch und Datenspeicherung werden die Regel für das Zollrecht und die Zollpraxis (bis spätestens Ende 2020); für die Zwischenzeit werden Übergangsregelungen geschaffen.
- Die Aufteilung der Vorschriften zwischen dem Basisrechtsakt und den delegierten bzw. Durchführungsrechtsakten ist ausgewogener (wenn auch die Rechtsmaterie sich auf mehr Rechtsakte verteilt als bisher).
- Die Vorschriften über Entscheidungen werden stärker auf EU-Ebene festgelegt (Fristen, Anspruch auf rechtliches Gehör).
- Neue Vereinfachungen/Erleichterungen werden eingeführt (Selbstveranlagung/Eigenkontrolle, ermäßigte Sicherheit bei Zahlungsaufschub), sind aber Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Authorized Economic Operator – AEO) vorbehalten; diese Beschränkung gilt in Zukunft auch für die zentrale Zollabwicklung unter Beteiligung eines anderen Mitgliedstaats und die Gestellungsbefreiung beim Anschreibeverfahren.
- Das Zollschuldrecht wird wirtschaftsfreundlicher gestaltet (mehr Heilungsmöglichkeiten bei nicht vorsätzlichen Verstößen gegen Zollvorschriften, ermäßigte Sicherheit bei Zahlungsaufschub für AEO).
- Die zentrale Zollabwicklung wird erleichtert, sobald die erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind.
- Die Regeln für besondere Verfahren (Zolllager, Freizone, aktive und passive Veredelung, vorübergehende und Endverwendung) werden weitgehend vereinheitlicht.
- Die Möglichkeiten zur Nutzung der vorübergehenden Verwahrung werden erweitert (längere Lagerdauer, Möglichkeit der Beförderung an einen anderen Ort oder an einen anderen Bewilligungsinhaber ohne ein Versandverfahren), was einen größeren Datenkranz für die Anmeldung und eine Verkürzung der Anmeldefrist zur Folge hat; der Lagerinhaber bedarf einer Bewilligung.
- Aktive Veredelung, Umwandlungsverfahren und Zerstörung auf Antrag werden zu einem Verfahren zusammengefasst, so dass der Bewilligungsinhaber zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden kann, ob und inwieweit er die eingeführten bzw. verarbeiteten Waren wieder ausführt oder in den freien Verkehr überführt; die Variante des Rückvergütungsverfahrens entfällt.
- Bei der passiven Veredelung entfällt die Differenzverzollung, so dass nur die Mehrwertverzollung möglich ist.
- Die Aufgabe zugunsten der Staatskasse wird auch in Deutschland eingeführt.
Neue Vorschriften für AEO
Da für den Ablauf des Ausfuhrverfahrens keine Änderungen zu erwarten sind, sollen im Folgenden die Bestimmungen über AEO erläutert werden, die ja auch
für Ausführer von Bedeutung sind, nicht zuletzt wegen der gegenseitigen Anerkennung. Wie bisher wird unterschieden zwischen
- dem AEO-C (zollrechtliche Vereinfachungen),
- dem AEO-S (Sicherheit) und
- dem AEO-F, bei dem beide Aspekte vereint sind.
Die Bewilligungsvoraussetzungen werden insofern verschärft, als es in Zukunft nicht nur auf eine „angemessene Einhaltung der Zollvorschriften“ ankommt. Vielmehr darf der Antragsteller „keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften und keine schweren Straftaten im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit begangen haben“. Für den AEO-C und den AEO-F werden außerdem „praktische oder berufliche Befähigungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit stehen“ verlangt. Wer den AEO-Status vor dem 1. Mai 2016 erlangt hat, ist zwar nicht an diese neuen Bewilligungsvoraussetzungen gebunden, riskiert aber, seinen AEO-Status zu verlieren, wenn eine der neuen Voraussetzungen nicht erfüllt ist (z.B. wenn schwerwiegende oder wiederholte Verstöße im Bereich des Mehrwertsteuer- oder Verbrauchsteuerrechts festgestellt werden).
Andererseits werden auch die Vorteile für AEO ausgeweitet bzw. bestimmte Vorteile auf AEO beschränkt:
- Auch ohne das Vorliegen eines Abkommens über die gegenseitige Anerkennung können außerhalb der EU ansässigen AEO Vorteile gewährt werden, die für in der EU ansässige AEO gelten, sofern das Partnerland EU-AEO entsprechend begünstigt (ein Verzicht auf Gegenseitigkeit ist möglich).
- AEO-C und AEO-F kann eine er-mäßigte Gesamtsicherheit beim Zahlungsaufschub bewilligt werden (diese neue Erleichterung kann einen erheblichen finanziellen Vorteil bedeuten).
- AEO-C und AEO-F kann die neu eingeführte sog. Eigenkontrolle (Selbstveranlagung) bewilligt werden.
- Nur AEO-C und AEO-F kann die zentrale Zollabwicklung bewilligt werden.
- Nur AEO-C und AEO-F kann beim Anschreibeverfahren eine Gestellungsbefreiung bewilligt werden.
- Deutlicher als bisher führen die neuen Vorschriften aus, dass bei einem AEO „weniger häufig eine Prüfung von Waren oder Unterlagen vorgenommen wird“.
Diese Änderungen machen es für diejenigen, die bisher noch nicht AEO sind, erforderlich zu prüfen, ob sich ein AEO-Antrag im Hinblick auf die künftigen Vorteile nicht doch lohnt. Ein solcher Antrag sollte dann schon vor der Anwendbarkeit der Neuregelung gestellt werden, damit die neuen Vorteile von Anfang an genutzt werden können.
Wie geht es weiter?
Die Kommission hat bereits damit begonnen, delegierte und Durchführungsrechtsakte auf der Grundlage des MZK-DVO-Entwurfs Version 3 zu erarbeiten, indem
- die Vorschriften aufgeteilt werden,
- in den UZK übernommene Vorschriften gestrichen werden und
- aufgrund des UZK erforderliche neue Vorschriften geschaffen oder bestehende Vorschriften geändert werden.
Ab Jahresbeginn 2014 sollen die Mitgliedstaaten und die europäischen Verbände beteiligt werden, indem diese Stellungnahmen abgeben und an Arbeitsgruppen teilnehmen können. Die Durchführungsvorschriften werden im Ausschuss für den Zollkodex diskutiert und es findet dort eine Abstimmung über den Verordnungstext statt. In Bezug auf einige Bestimmungen delegierter Rechtsakte haben der Rat und das Parlament innerhalb von zwei bzw. – falls eine Verlängerung beantragt wird – vier Monaten ein Widerspruchsrecht. Erst nach dieser Frist und nur wenn keine Einwände erhoben wurden, können die neuen Durchführungsvorschriften erlassen werden.
Schon daraus werden die Komplexität und der Zeitaufwand für die Ausarbeitung und Annahme dieser Vorschriften deutlich. Da der UZK ab Mai 2016 angewendet werden soll und eine Vorbereitung auf die Neuregelungen erforderlich ist, kann man nur hoffen, dass der Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Neuregelungen und deren Anwendungsbeginn ausreichend groß sein wird. Denn während dieses – wahrscheinlich relativ kurzen – Zeitraums müssen Wirtschaft und Verwaltung sich auf die geänderten Vorschriften einstellen und ihre Prozessabläufe, Verfahrensanweisungen sowie IT-Programme anpassen. Außerdem sind Änderungen der Leitlinien und Dienstvorschriften sowie intensive Fortbildungsmaßnahmen erforderlich.
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