Die Industrieländer kehren nach der Finanzkrise nur zögerlich zur früheren Topbewertung ihrer Länderrisiken zurück. Ein Grund ist die dramatische Verschuldung einiger Euro-Staaten, aber auch der USA und Japans. François David, Präsident der Coface, sprach die Thematik auf der jüngsten Länderrisikokonferenz des Forderungsspezialisten in Paris offen an: „Die Euro-Zone hat demonstriert, dass es auch Schuldenkrisen in lokaler Währung geben kann.“
Von Dr. Dirk Bröckelmann, Referent Unternehmenskommunikation, Coface Deutschland AG
Mit der griechischen Haushaltskrise, dem Zusammenbruch des spanischen Immobilienmarktes und der irischen Bankenkrise geriet die Europäische Währungsunion 2010 in die schwerste Krise ihrer jungen Geschichte. Trotz der 2010 ergriffenen Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Irland, der Einrichtung des Europäischen Rettungsfonds (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität – EFSF) sowie der Ankündigung eines dauerhaften Eurokrisenmechanismus für Mitte 2013 stellt sich die Lage zu Beginn dieses Jahres immer noch als sehr angespannt dar.
2011 dürften die Unternehmen weiterhin unter dem allgemeinen Vertrauensverlust, den Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und dem schwierigen Zugang zu Krediten leiden. Die europäischen Banken sind stark an der Finanzierung der Staatsschulden beteiligt und somit einem hohen Risiko ausgesetzt. Durch die fortgeschrittene Integration der Finanzmärkte der Euro-Zone ist das Beziehungsgeflecht zwischen Gläubigern und Schuldnern komplex und anfällig. Banken werden möglicherweise nur beschränkt bereit sein, ihr Kreditangebot an die steigende Nachfrage der Unternehmen anzupassen. Die Unternehmensfinanzierung dürfte somit 2011 ein Engpass bleiben.
Die wirtschaftliche Lage hat sich insbesondere in Deutschland verbessert, wo der Exportboom die Wirtschaft ankurbelt. Dagegen bleiben die Risiken in den Randländern der Euro-Zone besonders hoch. Die Aussicht, dass Spanien und Portugal ihrerseits internationale Hilfe anfordern könnten, verunsichert die Investoren. Sollte die Kapitalausstattung des Euro-Rettungsfonds nicht ausreichen, könnten Belastungen auf sie zukommen, zumal der neue dauerhafte Krisenmechanismus eine Beteiligung der privaten Anleger an den Rettungskosten vorsieht.
Die Krisenländer Eurolands – das sind insbesondere die PIIGS (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) – müssen einschneidende Sparmaßnahmen vornehmen, um ihre öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen. Sie stehen zudem vor der großen Herausforderung, über drastische Strukturanpassungen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Dies geht in einem einheitlichen Währungsraum vor allem über die Senkung der Lohnstückkosten. Schätzungen der Barclays Bank zufolge liegt die notwendige Anpassung gegenüber Deutschland in einer Bandbreite von 20% bis 30%.
Mit der Umsetzung der drastischen Sparmaßnahmen in den Krisenländern wächst das Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Staaten der Euro-Zone weiter. Für die gesamte Euro-Zone gilt, dass nicht nur Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte, sondern auch die Abschwächung des Welthandels, der Schuldenabbau der privaten Haushalte, der Aufbau von Eigenkapital in den Unternehmen sowie mögliche neue Turbulenzen an den Staatsanleihemärkten das Wachstum im Jahr 2011 abschwächen könnten.
Deutschland, Österreich, Frankreich, die Niederlande und Belgien werden voraussichtlich 2011 eine überdurchschnittliche Wachstumsdynamik aufweisen. Alle fünf Länder werden mit A2 bewertet und stehen seit Januar 2010 unter Beobachtung für eine Heraufstufung auf das Vorkrisenniveau A1.
In Italien (A3 seit März 2009) und Spanien (A3Ø seit März 2009) dürfte die Konjunkturerholung nur sehr schwach ausfallen. In Italien erholt sich die Nachfrage der Haushalte sehr zögerlich. Positiv auf die Konjunkur wirkt die anhaltend robuste Nachfrage der wichtigsten Handelspartner (Deutschland und asiatische Schwellenländer). Doch die Kapazitätsauslastung in der Industrie bewegt sich auf einem niedrigen Niveau. Die finanzielle Lage der Unternehmen verbessert sich zwar allmählich, bleibt aber insbesondere im Segment der KMUs angespannt. Auch Spanien verzeichnet Exporterfolge, während der private Verbrauch schwach bleibt und die Investitionen weiterhin rückläufig sind. Die Zahlungsausfälle, die 2009 ihren Höhepunkt erreicht hatten, sind 2010 wieder auf Vorkrisenniveau gesunken. Auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist stark zurückgegangen, und sie betreffen vorwiegend den Immobilien- und den Bausektor.
Griechenland, Irland und Portugal werden voraussichtlich 2011 erneut rezessive Entwicklungen verzeichnen. Griechenlands Wirtschaft wird zum dritten Mal in Folge kräftig schrumpfen. Coface erwartet hier einen Rückgang des BIP um 3%, in Irland um 0,9% und in Portugal um 1%. Insbesondere in Griechenland besteht die Gefahr, dass eine Umstrukturierung der Staatsschulden vorgenommen werden muss. Griechenland wurde im Juni 2010, Irland im Januar 2011 auf A4 herabgestuft. Portugal (A3) steht seit Juni 2009 unter Beobachtung für eine Abwertung. „Die Zahlungsmoral in den PIIGS-Ländern hat sich jedoch aktuell nicht auffällig verschlechtert“, weiß Jochen Böhm, Bereichsleiter Creditline, Coface, zu berichten.
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