Seit vergangenem Jahr erholt sich die Ukraine allmählich von den wirtschaftlichen Folgen der globalen Finanzkrise. Umfangreiche Steuerreformen und Maßnahmen zur Vereinfachung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Land seitens der Regierung sollen weitere Investitionsanreize für Unternehmen schaffen. Logistikspezialisten helfen dabei, die in der Ukraine geltenden Lieferkonditionen und Zollvorschriften einzuhalten.

Von Boris Bondarev, Speditionsleiter, Rhenus REVIVAL TOV Ukraine

Deutschland ist nach Russland der wichtigste Handelspartner der Ukraine. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise ging der bilaterale Handel mit Deutschland im Jahr 2009 allerdings um 42% auf 4,8 Mrd Euro drastisch zurück – das ist der stärkste Einbruch unter allen GUS-Ländern. Im gleichen Jahr schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt in der Ukraine um 15,1%, die Bauleistung halbierte sich, und die Landeswährung verlor massiv an Wert. Von dieser Entwicklung blieb auch der Gütertransport nicht verschont; Transportmenge und -leistung verringerten sich gegenüber dem Vorjahr um über 20%.

2010 stand im Zeichen der Erholung. Die deutschen Exporte in die Ukraine legten gegenüber dem Vorjahr um über 24% auf 4,8 Mrd Euro zu. Produkte wie Maschinen, Arzneimittel, Kfz und Kfz-Teile sowie Nahrungsmittel zählten zu den wichtigsten Exportgütern.

Erstmals seit 2007 konnte auch der Transport- und Logistiksektor in der Ukraine wieder zulegen. Vom aktuellen Aufschwung profitieren sowohl der Schienengüterverkehr als auch Straßentransporte. Da die ukrainische Wirtschaft von Rohstoffen, Brennstoffen und sonstigen Massengütern geprägt ist, spielt der Eisenbahntransport eine wichtige Rolle im Land und ist knapp dreimal so hoch wie der Transport auf der Straße. Doch auch der Landverkehr wird Prognosen zufolge steigen. Zuwächse werden insbesondere bei Kleintonnagebeförderungen und Expresslieferdiensten erwartet. Auch die ukrainische Regierung plant Investitionen. Zehn nationale Großprojekte sehen umfangreiche Energie- und Infrastrukturmaßnahmen vor. Zu den Projekten zählen etwa die Errichtung eines Seehafenumschlagterminals für Flüssigerdgasimporte sowie der Donau-Korridor zur Entwicklung der Schifffahrt in der Donauregion.

Neben der wirtschaftlichen Erholung trug der Ausgang der Präsidentschaftswahl Anfang 2010 zu einer Stabilisierung der exekutiven Machtstruktur bei. Das zum
1. Januar 2011 in Kraft getretene Reformprogramm mit dem neuen Steuerkodex beinhaltet wesentliche Veränderungen. Die Steuer- und Abgabensätze für Unternehmen wurden gesenkt und die zahl­reichen Steuergesetze in einem einheit­lichen Steuergesetzbuch zusammengefasst. Diese Maßnahmen sollen die Bereitschaft ausländischer Unternehmen, in
der Ukraine zu investieren, nachhaltig stärken. Bisher schreckten bürokratische Hürden, hohe Steuerlastquoten und aufwendige Steuerveranlagung viele Unternehmen von einem Markteinstieg ab. Erleichterungen bringt nun das neue Steuer­gesetzbuch, in dem die Anzahl der landesweiten Steuerarten von 29 auf 19 und die der regionalen Steuerarten von 14 auf vier reduziert wurden. Und wei-tere Maßnahmen sollen die wirtschaft­liche Tätigkeit in der Ukraine erleichtern: Bei Neugründungen von Unternehmen wurden einige der bisherigen Lizenzierungserfordernisse abgeschafft und die Anforderungen an das Mindestkapital gesenkt. Als Vereinfachung gilt auch die Einführung des sogenannten stillschweigenden Einverständnisses von Behörden als ein Verfahrensgrundsatz bei Genehmigungen.

Im Bereich der Gütertransporte bleibt allerdings abzuwarten, ob es mittelfristig tatsächlich zu einer Vereinfachung der Warenlieferungen in die Ukraine kommen wird. Noch immer ist eine umfangreiche, den Warentransport begleitende Dokumentation notwendig. Darüber hinaus müssen im Vorfeld diverse Prüfungen und Anfragen hinsichtlich des Importeurs vorgenommen werden.

Neben einer ordnungsgemäß zu erstellenden Zollrechnung, einem CMR-Frachtbrief, einer Ausfuhranmeldung, einem Ursprungszeugnis sowie diversen Zertifikaten (Gesundheitszertifikate für Lebensmittel, Quality Certificate usw.) muss der Warenempfänger einen Nachweis erbringen, dass dieser seinen Firmensitz in der Ukraine und eine Akkreditierung bei einem ukrainischen Zollamt seiner Wahl vorgenommen hat. Parallel dazu muss der Warenempfänger vor der physischen Einfuhr der Ware eine „PP- oder PD-Nummer” (Vordeklaration – PP/PD-Schein) beantragen, da dieses Dokument die Ware von der Außengrenze der Ukraine bis zum vorgegebenen Zollterminal, an dem der Importeur die Importverzollung beantragt hat, begleitet. Der Empfänger muss dafür beim Zollamt für Außenhandelsgeschäfte akkreditiert sein.

Der Importeur hat die Möglichkeit, die Importverzollung in eigener Regie durchzuführen oder dies von einem Zollbroker oder Spediteur übernehmen zu lassen. Die Verzollungsprozedur und Entladung eines Lkw sind auf 48 Stunden begrenzt. Im Regelfall greifen die ukrainischen Firmen auf einen Zollbroker oder aber einen Spediteur zurück, der selbstverständlich über die notwendigen Lizenzen verfügen muss, um sich des Risikos fehlerhafter Deklarationen zu entledigen.

Dies ist gerade vor dem Hintergrund spezieller Vorschriften für einzelne Produktgruppen sinnvoll, wie z.B. bei der vorübergehenden Einfuhr von Messegütern. Die Vorbereitung einer derartigen Warensendung sollte bereits einen Monat vor der Veranstaltung beginnen. Die Einfuhrabgaben werden grundsätzlich von dem Empfänger direkt abgeführt. Vor diesem Hintergrund ist die Lieferkondition DDP (Delivered Duty Paid), bei der der Verkäufer alle Kosten und Gefahren bis zum Bestimmungsort trägt, für die Ukraine nicht zulässig. Produkte und Warengruppen, die zum ersten Mal für einen ukrainischen Käufer in die Ukraine importiert werden, werden von der Zollbehörde zur Festlegung des Zollwertes sowie der Zolltarifnummer bearbeitet. Dieser Vorgang dauert normalerweise zwei bis drei Tage, ist aber auf eine Frist von zehn Tagen begrenzt. Zusätzlich muss das Produkt aber auch vom Zertifizierungsamt zur Einfuhr genehmigt werden. Die Dauer dieser Bearbeitung ist auf maximal zwei Wochen festgelegt. In diesem Fall wird die Ware physisch in ein Zolllager verbracht und gelangt erst nach einer ordnungsgemäßen Bearbeitung in den freien Verkehr.

Etwaige Güter und Produkte, die zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung der Fußballeuropameisterschaft 2012 eingeführt werden, unterliegen einem Präferenznachweis. Beim vorübergehenden Import werden diese Güter zoll- und mehrwertsteuerfrei ein- und wieder ausgeführt.

Grundsätzlich empfehlen wir als langjährig in der Ukraine tätiges Logistikunternehmen, sich vor der Versendung der Ware mit einem Zollbroker oder aber einem erfahrenen Logistiker in Verbindung zu setzen, um Rahmenbedingungen bzw. Details abzustimmen. Logistikunternehmen, die wie Rhenus über eigene Niederlassungen im Land und über ein enges Netzwerk von Geschäftspartnern verfügen, haben es durch ihren direkten Draht vor Ort deutlich einfacher. Gleichzeitig verfügen sie über das notwendige Know-how und kennen alle wichtigen Formalitäten der Zollabfertigung. Nicht zu vernachlässigen ist, dass eine Falsch-deklaration der Ware oder Warengruppe bei der Importverzollung zu einer Beschlagnahmung der Sendung führen kann. Zeitliche Verzögerungen aufgrund von festgehaltenen Lieferfahrzeugen und dann drohende Gerichtsverfahren sind die Folge und belasten die Beziehungen zu den jeweiligen Warenempfängern im Land.

Mit der Nutzung von Zolllagern und Zollzwischenlagern, die in der Ukraine auf drei Jahre bzw. auf drei Monate begrenzt sind, lassen sich Transporte vereinfachen. Zolllager und Zollzwischenlager stehen unter der Aufsicht der jeweils zuständigen Zollbehörden. Ware auf dem Weg in ein fremdes Land wird auf dem direkten Weg unter Aufsicht der Behörden von der Grenze in dieses Lager verbracht. Das vereinfacht Zollformalitäten und den Grenzübertritt. Da Einfuhrabgaben nicht gleich bezahlt werden müssen, ergeben sich darüber hinaus Liquiditätsvorteile. Große Transport- und Logistikdienstleister mit eigenem Zolllager bieten darüber hinaus erhebliche Hilfestellungen bei der Verzollung, da sie mit den nationalen Vorschriften bestens vertraut sind.

Kontakt: boris.bondarev[at]ua.rhenus.com

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