Mexiko verfügt über akzeptable Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite, annehmbare Inflationsraten und Fremdwährungsbestände sowie eine diversifizierte Exportbasis. Ein solider politischer Rahmen begünstigt die makroökonomische Stabilität. Finanzpolitische Verantwortung ist gesetzlich verankert, und die Zentralbank vertritt glaubhaft ihre Inflationsziele. Während Präsident Peña Nieto international viel Lob für seine Reformbemühungen geerntet hat, schwindet die innenpolitische Zustimmung.

Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Credimundi, Member of Credendo Group

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Reformbestrebungen

Bei seinem Regierungsantritt 2012 profilierte sich der Präsidentschaftskandidat der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), Peña Nieto, als energischer Politiker. Mit einer breiten parlamentarischen Unterstützung leitete er ein ehrgeiziges Reformprogramm ein. Dieser „Pakt für Mexiko“ führte schon bald zu bedeut-samen Veränderungen in den Bereichen ­Bildung (Abbau von Qualifikationsdefiziten und Eingliederung eines größeren Teils der Erwerbsbevölkerung in den formellen Sektor), Telekommunikation (Förderung des Wettbewerbs), Arbeitsmarktpolitik (Förderung von Flexibilität und Schaffung von Anreizen für Investitionen in Humankapital), Finanzpolitik sowie im Finanzsektor.

Der Pakt endete jedoch im Streit um die geplante Energiereform, die möglicherweise das bedeutendste, sicherlich aber das umstrittenste Element des Programms darstellt. Zwar konnte die Reform mit der Unterstützung der konservativen Opposition auf den Weg gebracht werden, doch schwand der politische Konsens im Vorfeld der Parlamentswahlen im Juni 2015 immer deutlicher. Trotzdem ging Peña Nieto siegreich aus den Wahlen hervor. Auch wenn die PRI im ­Kongress einige Sitze abgeben musste, gelang es den wichtigsten Oppositionsparteien nicht, Vorteile aus dieser Schwäche zu ziehen.

Insgesamt scheint der Ausgang der Parlamentswahlen der verbleibenden Amtszeit von Peña Nieto politische Stabilität zu sichern. Die wirtschaftsfreundliche Politik dürfte anhalten, und die Regierung verbleibt in einer starken Position für die Verabschiedung von Gesetzen. Gleichzeitig fällt das gute Abschneiden der kleineren Parteien auf. Sollten die Wähler von den Errungenschaften der PRI enttäuscht werden, hätte ein populistischer Kandidat bei der nächsten Präsidentschaftswahl die Chance, das politische Establishment aufzurütteln.

Gescheiterter Staat?

Während er international viel Lob für seine Reformbemühungen geerntet hat, haben sich die innenpolitischen Zustimmungswerte des Präsidenten nicht gut entwickelt. Obwohl sich dies teilweise auf die bislang relativ schwache Wirtschaftsentwicklung zurückführen lässt, spielt die weitverbreitete Unzufriedenheit über Korruption und Unsicherheit die größere Rolle.

In der öffentlichen Wahrnehmung hat Peña Nieto – bislang – seine Wahlver­sprechen, die Korruption zu reduzieren, die Transparenz zu erhöhen und die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern, nicht eingelöst. Tatsächlich geht von den mexikanischen Kartellen, die einen Großteil des Drogenhandels von Südamerika in die USA kontrollieren, weiterhin ein erhebliches Sicherheitsrisiko aus, das die institutionelle Qualität unterminiert und einen großen Reputationsschaden anrichtet.

Warten auf die konjunkturelle Erholung

In jüngster Zeit hat die Wirtschaft an Schwung gewonnen. 2014 legte das BIP um 2,1% zu, nach 1,4% im Jahr 2013. Vor allem Güterexporte – unterstützt durch eine verhaltene Lohnkostenentwicklung – sowie Tourismus und private Überweisungen, die von der wirtschaftlichen Erholung in den USA profitierten, gaben positive Impulse.

Ein sehr günstiger Policy-Mix trug ebenso zu dieser Entwicklung bei. Um die Outputlücke zu schließen, hat die Zentralbank im Juni 2014 den Leitzins auf ein historisches Tief von 3% p.a. gesenkt und hält dieses Niveau seitdem aufrecht. Gleichzeitig haben höhere Investitionsausgaben für finanzpolitische Anreize gesorgt.

Mit Blick auf 2015 und darüber hinaus dürfte die beginnende Erholung beschäftigungswirksam sein und somit die Nachfrage der Haushalte stärken. Darüber hinaus könnte sich die seit 2013 unter 20% des BIP liegende Investitionsquote erholen, wenn das Vertrauen durch andauernde politische Stabilität, glaubwürdige Inflationsziele der Währungsbehörden (die die Inflationserwartung im Bereich zwischen 2% und 4% verankern) und die Umsetzung struktureller Reformen – wie angenommen – gestärkt wird. Folglich dürfte das BIP-Wachstum trotz der durch den niedrigen Ölpreis bedingten restriktiven Finanzpolitik im Jahr 2015 auf 2,3%, im Jahr 2016 auf 2,8% ansteigen.

Finanzielle Stabilität

Mexikos solider Rechts- und Aufsichtsrahmen fördert finanzielle Stabilität. Dennoch bleibt die Risikoaversion der Geldgeber trotz angemessener Vorkehrungen und stabilisierter Kreditausfallraten weiterhin relativ hoch. Das Kreditvolumen mexikanischer Banken liegt bei nur 22% des BIP, weniger als einem Drittel der Werte für Brasilien und Chile.

Daher sollen die Reformen den Zugang zu Krediten erleichtern, mehr Wettbewerb der privaten Banken soll Zinsen senken, Entwicklungsbanken sollen animiert werden, aktiver Kredite zu vergeben, eine erleichterte Beschlagnahmung der Vermögenswerte von Unternehmen, die ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, soll die Risikobereitschaft erhöhen.

Der öffentliche Primärsaldo – der 2014 ein Defizit von 1,9% des BIP aufwies – wird bis 2017 voraussichtlich einen Überschuss aufweisen. Selbst wenn diese ­Prognose sich angesichts möglicherweise anhaltend niedriger Ölpreise als zu optimistisch erweist, ist das Risiko einer fiskalischen Entgleisung kurzfristig begrenzt, da sich die mexikanischen Behörden regelmäßig mit dem Kauf von Put-Optionen gegen eine Ölpreisentwicklung unterhalb der im Budget veranschlagten Preise absichern.

Perspektiven für die Ölindustrie

Die Regierung will die Ölindustrie für dringend benötigtes Kapital und Know-how internationaler Ölkonzerne öffnen. Ob-wohl die Energiereform höchst umstritten ist, dürfte sie sich deutlich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Die Hoffnung besteht, dass internationales Engagement sowie eine größere Autonomie für Pemex effizienzsteigernd wirken, so dass die Produktion gesteigert wird und der Energiekostennachteil gegenüber den USA sinkt.

Externe Resilienz

Mexiko ist stark mit der globalen Wirtschaft verflochten. Vor allem – und ins­besondere seit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) 1994 – hängt die mexikanische Wirtschaft vom Handel mit den USA sowie von Investitionen und privaten Überweisungen aus diesem Land ab. Rund die Hälfte der Importe und Direktinvestitionen (FDI) in Mexiko stammen aus den USA. Umgekehrt gehen fast 80% aller mexikanischen Exporte in die USA. Dort machen diese 12% aller US-Importe aus, während China 23% der US-Importe liefert.

Die Entwicklung des bilateralen Handels mit China ist ungleichgewichtig. Mit dem Boom chinesischer Exporte nach Mexiko (ihr Anteil am Gesamtimport stieg von 2,4% im Jahr 2001 auf 15,3% im Jahr 2012) konnte der Handel in die andere Richtung nicht mithalten, woraus sich ein bilaterales Handelsdefizit von fast 3% des mexikanischen BIP ergab.

Die enge internationale Verflechtung der mexikanischen Wirtschaft ist Stärke und Schwachpunkt zugleich. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Mexikanische Peso die weltweit am aktivsten gehandelte Währung eines Schwellenlandes ist, wodurch Mexiko besonders anfällig ist für rasche Kapitalabflüsse in Zeiten finanzieller Turbulenzen.

Dieser robuste Appetit auf mexikanische Anlagen unterstreicht das Investorenvertrauen in die politischen Rahmenbedingungen (der flexible Wechselkurs dient stärker als die internationalen Reserven als erster Puffer bei externen Schocks) sowie den Optimismus bezüglich der jüngsten Reformen.

Solide Liquidität

Infolge der schwachen Ölproduktion ist das Leistungsbilanzdefizit von 0,5% (2010) auf 1,9% (2014) gestiegen. Auch für die kommenden Jahre ist kein geringeres Defizit zu erwarten, da die Reformen zu höheren Kapitalimporten führen dürften – sofern die Ölpreisentwicklung nicht noch stärkere Auswirkungen zeigt als ohnehin schon. Erst in späteren Phasen ist eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu erwarten, die zusätzliche Exporte generieren könnte.

Zugleich begrenzt die Abhängigkeit Mexikos von Fertigwarenexporten die Anfälligkeit für Rohstoffpreisschwankungen. Aus diesem Grund dürfte das Leistungsbilanzdefizit die prognostizierten 2,5% des BIP nicht überschreiten. Darüber hinaus wird das externe Ungleichgewicht zum Großteil durch Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen gedeckt, die keine Zunahme der Verschuldung verursachen, selbst wenn diese im regionalen Vergleich relativ begrenzt sind. 2014 beliefen sich die Nettodirektinvestitionen in Mexiko auf 1,1% des BIP, in Brasilien lagen sie indes bei 3,1% und in Chile bei 3,9%.

Da der Außenfinanzierungsbedarf in den vergangenen Jahren jeweils spielend gedeckt wurde, konnte Mexiko internationale Reserven aufbauen. Entsprechend verfügt das Land über eine strukturell adäquate Liquiditätsposition. Die Währungsreserven decken fast 4,5 Monatsimporte von Gütern und Dienstleistungen ab.

Auch bezüglich der kurzfristigen Schuldverpflichtungen gegenüber dem Ausland ist Mexiko hervorragend positioniert, insbesondere wegen des Vertrauens der internationalen Finanzmärkte in das Land. Die Verlängerung der zweijährigen flexiblen Kreditlinie (Flexible Credit Line, FCL) über 70 Mrd USD durch den IWF im November 2014 hat das internationale Vertrauen erneut unterstrichen.

Bei der Betrachtung des mittelfristigen finanziellen Risikos wird offensichtlich, dass die mexikanischen Auslandsschulden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. Während die ge-samten Auslandsschulden zum Jahresende 2008 weniger als 20% des BIP ausmachten, lag der Wert zum Jahresende 2013 bei 35%.

Die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung spiegelt fast exakt die des privaten Sektors wider: Dort stieg die Verschuldung von gut 8% (Ende 2008) auf über 21% (Ende 2013) des BIP. Dennoch bleibt das Finanzrisiko Mexikos moderat, da sich die gesamte Auslandsverschuldung ab 2016 bei immer noch tolerierbaren 38% des BIP stabilisieren dürfte.

Begrenztes Risiko

Die Credendo Group stuft das kurzfristige politische Risiko Mexikos als begrenzt ein (Kategorie 2 auf einer Skala von 1 bis 7). Langfristig sieht die Credendo Group zusätzliche Risiken in der steigenden Auslandsverschuldung des Landes sowie in der Anfälligkeit für Negativentwicklungen des Ölpreises und der internationalen Finanzierungsbedingungen (Kategorie 3 auf einer Skala von 1 bis 7). Auch anhaltende sicherheitspolitische Herausforderungen beeinträchtigen das Potential. Der flexible Wechselkurs dient jedoch als erster Puffer im Fall externer Schocks.

Bei der Betrachtung des derzeitigen Geschäftsklimas fällt die nur langsame Zunahme des Wirtschaftswachstums auf. Allerdings sollten die jüngste Währungsabwertung sowie der Wirtschaftsaufschwung in den USA – Mexikos wichtigstem Handelspartner – zu einer deutlichen Steigerung der Exporterlöse führen.

Hinzu kommen kürzlich genehmigte Strukturreformen, die das Vertrauen der Investoren und den Zufluss von Investi­tionen stärken dürften. Aus all diesen ­Faktoren ergeben sich recht günstige Wachstumsperspektiven. Da jedoch die institutionelle Qualität noch weiterer Verbesserung bedarf, ordnet die Credendo Group das systemische Geschäftsrisiko Mexikos in die mittlere Kategorie ein (B auf einer Skala von A bis C).

Die ausführliche Länderstudie Mexiko mit zusätzlichen Grafiken liegt zum kostenlosen Download unter www.credimundi.de bereit.

Kontakt: c.witte@credendogroup.com

 

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