Vor dem Hintergrund einer langsamer wachsenden chinesischen Wirtschaft nimmt in der deutschen Wirtschaft – aufgrund der engen Verzahnung mit China – die Sorge vor negativen Folgen der schwächeren Nachfrage zu. Was deutsche Unternehmen im Jahr des Feuer-Affen im Umgang mit China beachten sollten und wie sie den neuen Herausforderungen begegnen können, ist Thema des folgenden Beitrags.
Sebastian Rohloff, Senior Expert China/Renminbi, Deutsche Bank AG
Die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen China und Deutschland beschreiben seit 2009 eine scheinbar unaufhaltsame Wachstumskurve: China ist heute viertgrößter Absatzmarkt für Ausfuhren aus Deutschland; bei den Einfuhren nimmt China den zweiten Platz, hinter den Niederlanden, ein. Im Verlauf des Jahres 2015 musste der deutsch-chinesische Handel jedoch einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. Im Gesamtjahr verzeichneten Deutschlands Exporte nach China nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 4,2%.
Allerdings zeichnete sich der Wandel im deutsch-chinesischen Handel bereits in den Jahren zuvor ab. Während China bisher vor allem wichtigster Zulieferer von Gütern aus dem verarbeitenden Gewerbe war, entwickelte sich das Land zunehmend als zentraler Absatzmarkt für deutsche Produkte, von Metallerzeugnissen bis hin zu Automobilen. Besonders der Export datenverarbeitender Güter verzeichnete zum Jahresende einen Zuwachs im zweistelligen Bereich, was die wachsende Rolle Chinas als Abnehmerland für Hightechprodukte unterstreicht.
Die Zahlen verdeutlichen auch die potentiell negativen Auswirkungen der engen Handelsverflechtung mit China. Einem Bericht der Deutschen Bundesbank1) zufolge hätte eine starke Konjunkturabkühlung in China („hard landing“) spürbare realwirtschaftliche Effekte. Eine Wachstumsabweichung um circa 2,3% könnte das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands um circa 0,3% drücken. Abgesehen von den unmittelbaren Folgen der Nachfrageschwäche Chinas, etwa bzgl. Investitionsgütern aus dem Ausland, dürfte indirekt auch die Abschwächung der Nachfrage weiterer Abnehmerländer eine Rolle spielen, insbesondere solcher, die stark von Chinas Rohstoffnachfrage abhängig sind.
Die Gründe für die Sorgen um Chinas Wachstumsaussichten sind vielfältig. Der Abbau von Überkapazitäten im Industriesektor sowie der Rückgang der Bautätigkeit nach Jahren der Investitionsexpansion entfalten bereits seit längerem ihre Wirkung über die Grenzen Chinas hinaus. Die Industrieproduktion hat sich deutlich abgeschwächt. Insbesondere die im Nordosten angesiedelte Stahl-, Zement- und Baustoffindustrie bekommt die verminderte Aktivität zu spüren; der Immobilienleerstand ist nach wie vor hoch. Entsprechend bleibt die Importnachfrage nach Kapitalgütern, die 2012 immerhin ein Drittel der Einfuhren aus der EU ausmachten, gedämpft. Auch wenn die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur einen harten Abschwung abfedern dürften, bleiben strukturelle Herausforderungen bestehen. Demographischer Wandel, Verlangsamung der Urbanisierungsrate und hohe Verschuldung, insbesondere der Unternehmen, stellen die chinesische Wirtschaft vor Probleme, die wohl nicht in kurzer Frist zu lösen sind.
Eine Reihe von Entwicklungen spricht aber dafür, dass die enge Wirtschaftskooperation zwischen Deutschland und China mittel- und langfristig ihr großes Potential weiter entfalten wird. Dienstleistungen werden wichtiger für die chinesische Wirtschaft, z.B. im Bereich der Kommunikation, dem Gesundheitssektor oder im E-Commerce. Der inländische Konsum, welcher langfristig zur treibenden Kraft für das chinesische Wachstum werden soll, hält sich im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stabil. Auf Basis des Einkaufsmanagerindexes sind Dienstleistungen im Gegensatz zur Industrie weniger stark zurückgegangen. Verkaufszahlen im Einzelhandel verzeichneten in den ersten drei Quartalen 2015 ein Wachstum von effektiv 10,5% gegenüber dem Vorjahr, legten also stärker als die Wirtschaft insgesamt zu.
Außerdem machte der Dienstleistungssektor 2015 erstmals mehr als 50% des Bruttoinlandsprodukts aus. Bisher stellte der Dienstleistungssektor nur etwa 46%, und damit weniger als in Volkswirtschaften mit vergleichbarem Einkommen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese Säule der Wirtschaft künftig eine bedeutsamere Rolle spielen wird. Der sich im Wachstum befindliche E-Commerce-Markt in China kurbelt diese Entwicklung mit an. Für die deutsche Außenwirtschaft eröffnen sich Möglichkeiten der Bereitstellung von handels- und transportorientierten Dienstleistungen sowie Bedarf in den Bereichen Recht, Beratung und Kommunikation. Chinas Bestrebung zum Aufbau multinationaler Unternehmen dürfte diesen Trend noch verstärken.
Renminbi gewinnt weiter an Bedeutung
Auch der Renminbi bleibt trotz der Turbulenzen weiter auf internationalem Expansionskurs. Bereits seit November 2014 zählt er zu den fünf wichtigsten Währungen, in denen grenzüberschreitende Transaktionen getätigt und beglichen werden. Immerhin mehr als 2% des weltweiten Zahlungsvolumens werden laut SWIFT in Renminbi abgewickelt, 2012 waren es nur 0,8%. Die Entscheidung zur Aufnahme in die Sonderziehungsrechte des IWF gilt zudem als ein Türöffner für den Weg des Renminbi zur globalen Reservewährung. Für Deutschland als wichtigem Handels- und Investitionspartner bleibt der Internationalisierungsprozess des Renminbi äußerst relevant.
Im Frühjahr 2015 erklärte der Notenbankgouverneur Zhou Xiaochuan eine „im Wesentlichen offene Kapitalbilanz“ zum mittelfristigen Ziel. Weitere Meilensteine bei den Finanzreformen waren die Einführung der Einlagensicherung im Mai 2015, die Beseitigung der Zinsobergrenze auf Einlagen sowie die Öffnung des inländischen Interbanken- Anleihemarktes für ausländische institutionelle Investoren. Allerdings zeigt sich besonders seit dem Jahresbeginn 2016 das „Trilemma“, in dem sich die chinesische Währungspolitik befindet. Denn nachdem erstens die Handhabe der Zinsen, zweitens der freie Kapitalverkehr und drittens fixe Wechselkurse miteinander unvereinbar sind, folgt auch, dass eine rigorose Wechselkurspolitik langfristig unvereinbar mit dem Ziel einer offenen Kapitalbilanz ist. Im gleichen Atemzug ist deshalb auch die Währungsabwertung seit August 2015 zu nennen, seit dem die chinesische Zentralbank die Berechnung des Wechselkurses stärker am Markt orientiert.
Um erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmer auf die sich ändernden Marktgegebenheiten einstellen. Galt beispielsweise seit 2008 der Renminbi als fest an den US-Dollar gekoppelt, werden die Marktteilnehmer spätestens seit der Änderung im August 2015 mit einer deutlich höheren Volatilität der Währung konfrontiert. Das erschwert Preisverhandlungen, es kann sogar zu Geschäftsabbrüchen führen, denn die Planbarkeit der Geschäfte nimmt ab.
Durch die Umstellung der Rechnungswährung auf Renminbi, verbunden mit der Absicherung des Währungsrisikos, können deutsche Unternehmen und ihre chinesischen Partner Vorteile erzielen. Importierende Unternehmen erhalten neue Möglichkeiten für die Preisgestaltung im Einkauf bei chinesischen Lieferanten, umgekehrt können Exporteure die Zahl ihrer Geschäftspartner erhöhen und erhalten einen größeren Verhandlungsspielraum, vor allem, wenn der Verkauf der Endprodukte auch in Renminbi erfolgt. Unternehmen sollten sicherstellen, dass Verträge auch in der chinesischen Währung akzeptiert werden können.
China ist und bleibt einer der wichtigsten Märkte für deutsche Unternehmen. Dies wird sich so schnell nicht ändern. Jedoch sind die Änderungen des Marktes gravierend, und es werden jene Unternehmen am erfolgreichsten agieren, die sich schnell an die neuen Gegebenheiten anpassen können. Dabei führt kein Weg daran vorbei, die wirtschaftlichen Weichenstellungen der chinesischen Regierung sehr genau zu verfolgen. Vor allem Chinas neuer Fünfjahresplan wird neue, wertvolle Schlüsse zulassen. Wer enge Geschäftsbeziehungen zu China unterhält, sollte gerade in diesen turbulenten Zeiten das Ohr nah am Markt haben und sich flexibel aufstellen, um schnell auf die Veränderungen reagieren zu können.
1) Deutsche Bundesbank, Zur Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern, Monatsbericht Juli 2015, S. 15–32, hier insbesondere der Kasten auf S. 30–31.
Kontakt: sebastian.rohloff@db.com