Working-Capital-Fintechs bieten neue, interessante Lösungen – z.B. Plattformen, auf denen Handelsforderungen vorab beglichen oder von externen Investoren übernommen werden können. Was Unternehmen über die neuen Anbieter wissen sollten.

Die effizienteste Möglichkeit für Unternehmen, Liquidität aus Eigenmitteln freizusetzen, liegt nah am Tätigkeitsfeld der Exportverantwortlichen: die Optimierung von Forderungen und Verbindlichkeiten weltweit. Working-Capital-Fintechs bieten neue, interessante Lösungen – z.B. Plattformen, auf denen Handelsforderungen vorab beglichen oder von externen Investoren übernommen werden können. Was Unternehmen über die neuen Anbieter wissen sollten.

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Längere Zahlungsziele, große Investitionen oder ein besseres Kreditrating – Gründe dafür, dass Unternehmen ihren Working-Capital-Bedarf verringern wollen, gibt es viele. Doch gerade mittelständische Unternehmen steuern ihr Working Capital längst nicht so effizient, wie es möglich wäre. Die PwC-Global-Working-Capital-Studie 2017 geht im Mittel aller Branchen von einem durchschnittlichen versteckten Liquiditätspotential von 20% bis 30% des Working-Capital-Ratio aus. Doch oftmals tun sich Unternehmen schwer, dieses Potential zu heben.

Denn Working-Capital-Management ist ein unternehmensinterner Marathonlauf. Einkauf, Vertrieb, Planung, Produktion und Logistik wollen dabei koordiniert sein. Keine leichte Aufgabe, wenn sich der Vertrieb auf die Preise konzentriert und die Zahlungsbedingungen vernachlässigt – um nur ein typisches Problem von vielen zu nennen. Hinzu kommt im deutschen Mittelstand die Komplexität der Internationalität: viele Auslandstöchter, viele Auslandskonten, viele einzelne Einkaufs- und Rechnungsabteilungen.

Des Weiteren sind manche unternehmensinternen Working-Capital-Programme unterm Strich weniger effizient als erhofft. Auch aus diesem Grund nutzen Unternehmen unterstützende Finanzierungsinstrumente, um die Lücke zwischen den Zahlungseingängen von Kunden und den Auszahlungen an Lieferanten zu schließen. Doch je nach Bonität der Schuldner kann zum Beispiel das Factoring, das laut Branchenverband BFM 15% aller deutschen Mittelständler nutzen,  relativ teuer sein.

Ein weiteres gängiges Instrument, sogenannte Supply-Chain-Finance-Programme, sind operativ aufwendiger zu implementieren und gehen zu Lasten der eigenen Kreditlinie bei der Bank. Sie haben sich bislang eher bei größeren Konzernen durchgesetzt, die über bessere Ratings verfügen als ihre Lieferanten. Der starke Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und die Sorge vor ungünstigen Finanzierungskonditionen halten jedoch viele Mittelständler von der Teilnahme ab.

Fintechs für Mittelständler

Working-Capital-Fintechs stoßen in die oben beschriebene Lücke. Sie vereinfachen die Prozesse und erleichtern die Implementierung und die Nutzung von Finanzierungsprodukten. Ein Beispiel sind Plattformen für „Dynamic Discounting“, bei denen Unternehmen zusätzliche Skonti realisieren können, indem sie den Zeitpunkt einer vorfälligen Zahlung flexibel wählen können.

Komplexere Lösungen bieten diejenigen Anbieter, die externe Liquiditätsquellen erschließen und Kapitalgeber und Kapitalnehmer zusammenbringen. Im Factoringsegment sind in den vergangenen Jahren besonders viele Angebote entstanden. Rund 20 verschiedene Start-ups vermitteln offene Rechnungen an Käufer, zum Teil auf Basis von Crowdfunding.

Anbieter, die sich auf Softwarelösungen für Supply-Chain-Finance spezialisiert haben, integrieren institutionelle Investoren in die Beziehung zwischen Lieferant, Abnehmer und/oder Bank, um die Lieferantenrechnung vorzufinanzieren – meist auf Basis der Kreditrankings des Abnehmers.

Auswahl des richtigen Partners

Die innovativsten Fintechs haben sich jedoch bereits von der klassischen Factoring/Supply-Chain-Finance-Systematik gelöst. Hier werden einzelne Forderungen diversen interessierten Investoren zum Kauf angeboten – unabhängig da-von, ob die Initiative vom Lieferanten oder vom Abnehmer kommt. Um unternehmerischen Spielraum zu gewinnen, sollten auf der gewählten Plattform im Idealfall Angebot und Nachfrage nicht gebrokert, sondern spontan und nach Marktgesetzen zueinander finden. Verkäufer entscheiden dann selbstbestimmt im Einzelfall, welche Rechnung sie zu welchem Preis verkaufen möchten. Wichtig ist auch, dass das gewählte Finanzierungsinstrument einen True Sale darstellt, denn nur so besteht die Möglichkeit, dass der Forderungsverkauf bilanzverkürzend wirkt.

Für exportorientierte Unternehmen ist Internationalität ein wichtiges Kriterium. Einzelne Plattformen sind mit ihren automatisierten Prozessen hier schon sehr weit. So können beispielsweise auf der Hamburger Plattform TrustBills Rechnungen gegenüber Debitoren aus 40 Ländern verkauft werden. National wie international ist der Verkauf von Forderungen auf Einzelbasis in der Verbuchung und umsatzsteuerlichen Umsetzung nicht trivial. Die genutzte Plattform sollte hier ausreichend Unterstützung bieten. Die Deutsche Bank hat seit dem Jahr 2017 eine finanzielle Beteiligung an dem Fintechunternehmen TrustBills und kann ihre Kunden hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kompetent beraten.

Auch der 3. Deutsche Exporttag widmet sich dem Thema „Intuitives Working-­Capital-Management“. Jörg Hörster, CEO der TrustBills GmbH, erläutert in einem Workshop die Funktionsweise der Auktionsplattform für in- und ausländische Handelsforderungen. Weitere Informationen zur Veranstaltung bietet die Website www.deutscher-exporttag.de.

daniel.schmand@db.com

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