Die Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der gegenwärtigen Coronapandemie. Die Europäische Union hat kurzfristig Maßnahmen getroffen, um zum einen die Ausfuhr von persönlicher Schutzausrüstung zu beschränken und zum anderen deren Einfuhr zu erleichtern.
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Die Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung in Form von Schutzbrillen, Masken und Schutzkleidung übersteigt derzeit weltweit das Angebot. Um die Bestände in der EU zu schützen, hat die Europäische Kommission die Ausfuhr solcher Waren durch Verordnung (EU) 2020/402 vom 14. März 2020 einem Genehmigungserfordernis unterworfen. Diese zeitlich begrenzte Regelung wurde durch Verordnung (EU) 2020/568 ersetzt, die seit dem 26. April 2020 gilt. Mit Beschluss (EU) 2020/491 vom 3. April 2020 hat die Kommission Gegenstände, die zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie benötigt werden, von Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer befreit. Die Vorschriften betreffen Hersteller und Händler gleichermaßen und stellen vor allem für diejenigen Unternehmen eine Herausforderung dar, die aufgrund der gegebenen Umstände erstmalig Aus- oder Einfuhrgeschäfte mit Schutzausrüstung tätigen.
Genehmigungserfordernis bei der Ausfuhr
Verordnung (EU) 2020/568
Die zunächst für 30 Tage gültige Verordnung sieht in Art. 2 Abs. 1 und 2 das Erfordernis einer Ausfuhrgenehmigung vor. Die genehmigungspflichtigen Güter sind abschließend in Anhang I aufgeführt. Betroffen sind Schutzbrillen und Visiere, Mund-Nasen-Schutzausrüstung und Schutzkleidung, die den Träger vor potentiell infektiösem Material schützen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um Einwegartikel oder wiederverwendbare Artikel handelt. Die Mund-Nasen-Schutzausrüstung beispielsweise umfasst daher sowohl einfache OP-Masken oder FFP-Masken aus Spinnstoffen der Position 6307 KN als auch Halb- oder Vollmasken mit austauschbaren Filtern der Position 9020 KN.
Das Genehmigungserfordernis gilt nur für Unionswaren. Sollen Nichtunionswaren im Anschluss an ein Zolllager- oder Versandverfahren wieder ausgeführt werden, ist keine Genehmigung erforderlich. Ausgenommen von dem Genehmigungserfordernis sind zudem Ausfuhren in Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation, den westlichen Balkan und die sog. überseeischen Länder und Gebiete der Mitgliedstaaten.
Grundsätzlich liegt es im Ermessen der nationalen Behörden, Ausfuhren zu genehmigen. Die Verordnung nennt an verschiedenen Stellen Kriterien, die dabei berücksichtigt werden sollen. Ausfuhren, mit denen in Drittländern eine Notversorgung im Rahmen der humanitären Hilfe ermöglich werden soll, sind zu genehmigen (Art. 2 Abs. 6). „Wohlwollend in Erwägung“ zu ziehen sind Ausfuhren, die für staatliche oder öffentliche Einrichtungen bestimmt sind, die an der Bekämpfung der Pandemie beteiligt sind. In diesen Fällen darf die Genehmigung aber nicht erteilt werden, wenn die Ausfuhr die Verfügbarkeit in der Europäischen Union gefährdet (Art. 2 Abs. 7). Schließlich bestimmt die Verordnung, dass der Entscheidung „alle relevanten Erwägungen“ zugrunde zu legen sind, und führt begünstigte Zwecke auf, wie etwa Lieferungen an internationale Hilfsorganisationen (Art. 3 Abs. 3 u. 4). Die Formulierungen lassen erkennen, dass die Kommission unterschiedliche Aspekte unter Zeitdruck in die Verordnung einbauen musste.
Verfahrensfragen
Zuständig für die Genehmigung ist in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für diese Fälle eine Hotline eingerichtet und ein Infoblatt mit Hinweisen zur Antragstellung veröffentlicht hat. Für Wirtschaftsteilnehmer bedeutsam ist, dass – anders als bei gewöhnlichen Antragsverfahren auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung – Endverbleibsdokumente, Firmenprofile und Auszüge der Website des Empfängers bei der Antragstellung nicht erforderlich sind und das BAFA nach den Vorgaben der Verordnung grundsätzlich binnen fünf Arbeitstagen über den Antrag entscheiden muss. Angaben zum Endempfänger und zur Endverwendung sind gleichwohl bedeutsam, um die obengenannten privilegierenden Umstände darzulegen.
Verhältnis zu anderen Genehmigungspflichten
Insbesondere bei Schutzkleidung und Atemschutzmasken erfasst die Verordnung nach ihrem Wortlaut auch Güter, die in den Positionen 1A004a und 1A004b des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 als Dual-Use-Güter gelistet sind und deren Ausfuhr bereits nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung einer Genehmigung bedarf. An sich wären für die Ausfuhr solcher Güter zwei Genehmigungen erforderlich. Nach Ansicht des BAFA sind Dual-Use-Güter jedoch in der Regel nicht von Anhang I der Verordnung (EU) 2020/568 erfasst, so dass allein die Genehmigung nach der Dual-Use-Verordnung erforderlich ist. Dies ist insofern problematisch, als für diese Genehmigung nicht die kurze Entscheidungsfrist von fünf Arbeitstagen gilt. Andererseits werden die Ausführer für die Ausfuhr der Dual-Use-Güter in vielen Fällen allgemeine Genehmigungen in Anspruch nehmen können.
Nationale Ausfuhrbeschränkungen aufgehoben
Anordnung des BMWi
Bevor die Kommission die Ausfuhr von persönlicher Schutzausrüstung einem Genehmigungserfordernis unterwarf, hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) am 4. März 2020 im Wege der Anordnung die Ausfuhr von persönlicher Schutzausrüstung grundsätzlich untersagt. Die Untersagung betraf nicht nur die Ausfuhr in Drittländer, sondern auch die Verbringung in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Anordnung enthielt eine Reihe von Ausnahmen und legte Fallgruppen fest, in denen das BAFA eine Genehmigung erteilen konnte. Die Anordnung wurde schließlich am 19. März 2020 aufgehoben.
„Fortwirkung“ der Anordnung?
Da dem BAFA bei Ausfuhren nach der Verordnung (EU) 2020/568 ein Ermessen eingeräumt ist, stellt sich die Frage, ob es neben den in der Verordnung genannten Kriterien auch diejenigen Umstände als „relevante Erwägungen“ ansieht, die nach den Anordnungen des BMWi einen Ausnahme- oder einen Genehmigungsfall darstellen. Dies könnte z.B. den Fall betreffen, in dem Schutzausrüstung als untergeordneter Bestandteil eines anderen Gutes oder als Beistellung zur Verwendung für ein anderes Gut ausgeführt wird oder in dem die Ausrüstung für die Aufrechterhaltung des Betriebs von ausländischen Tochterunternehmen oder ausländischen Betriebsstätten von Unternehmen mit Sitz in Deutschland erforderlich ist. Wenn das BMWi zur Zeit der Anordnung der Ansicht war, dass in diesen Fällen eine Ausfuhr oder Verbringung möglich sein soll, wird sich das BAFA gegenwärtig wohl daran festhalten lassen müssen.
Sonderregelungen für die Ausstattung von Seeschiffen und Flugzeugen
Persönliche Schutzausrüstung ist notwendiger Bestandteil der Ausstattung von Seeschiffen und Flugzeugen. Aus diesem Grund sah die Anordnung des BMWi eine Ausnahme für die Ausfuhr und Verbringung von Schutzausrüstung „in angemessenen Mengen als Ausrüstungen für die erste Hilfeleistung (…) in Luftfahrzeugen oder Schiffen im internationalen Verkehr“ vor. Nach Rückmeldungen aus der Branche wurde in der Anordnung noch klargestellt, dass die Ausnahme auch dann gelte, wenn die Schutzausrüstung nicht beim Verlassen des Gebiets der Europäischen Union an Bord mitgeführt, sondern in ein Drittland nachgesendet wird.
Die Verordnung (EU) 2020/402 enthielt keine solche Regelung. Auf Nachfrage betroffener Kreise wies die Kommission darauf hin, dass Waren zur Bevorratung in Flugzeugen oder Schiffen, die aus dem Zollgebiet verbracht werden sollen, nicht in das Ausfuhrverfahren zu überführen seien; vielmehr fänden die Vorschriften über die Ausfuhranmeldung nach Art. 269 Abs. 2 lit. c) i.V.m. Abs. 3 des Unionszollkodexes lediglich analog Anwendung. Da somit zollrechtlich keine Ausfuhr vorliege, bestehe auch keine Genehmigungspflicht. In der Verordnung (EU) 2020/568 wird dies nun in Art. 1 Ziff. 1 klargestellt. Wichtig und misslich für die Wirtschaftsteilnehmer ist, dass das Nachsenden von Schutzausrüstung in ein Drittland hiervon nicht erfasst und in diesen Fällen eine Genehmigung erforderlich ist.
Befreiung von Eingangsabgaben und Einfuhrumsatzsteuer bei der Einfuhr
Durch den Beschluss (EU) 2020/491 vom 3. April 2020 hat die Kommission unter anderem persönliche Schutzausrüstung von Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer befreit. Diese Möglichkeit bietet sich der Kommission aufgrund von Regelungen zugunsten von Katastrophenopfern in der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen und der Richtlinie 2009/132/EG zur Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen. Diese Vorschriften enthalten keinen Warenkatalog. Die Befreiung folgt vielmehr aus den Zwecken, zu denen die Waren eingeführt werden, und der Person des Einführers. Die Waren müssen den Betroffenen kostenlos zur Verfügung gestellt werden und von oder im Auftrag von staatlichen, öffentlichen und sonstigen dem öffentlichen Recht unterliegenden Stellen oder von bzw. im Auftrag von Organisationen eingeführt werden, die von den zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten anerkannt wurden.
Wirtschaftsteilnehmer können somit von den Befreiungen nur profitieren, wenn sie von den genannten Stellen beauftragt wurden. Die Waren sind in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung zu überführen. In der Zollanmeldung hat der Anmelder den EU-Code C26 zu verwenden und muss in dem Freitextfeld auf Kopf- oder Positionsebene erklären, dass die Voraussetzungen für die Abgabenbefreiung vorliegen. Alle anderen Einführer von persönlicher Schutzausrüstung können durch die Angabe des Codes 9DFA „Einfuhr von medizinischen Hilfsgütern aufgrund der Corona-Situation“ zumindest eine vorrangige Zollabfertigung erwirken.
Fazit
Die Entscheidung der Kommission, die Ausfuhr von persönlicher Schutzausrüstung zu begrenzen und einem Genehmigungserfordernis zu unterwerfen, ist politisch ausgewogen. Der Mehraufwand ist für die Wirtschaftsteilnehmer verkraftbar, insbesondere weil die Anforderungen an den Antrag gering sind und das BAFA in kurzer Frist entscheiden muss. Hersteller und Händler aus der Branche müssen die Rechtsentwicklung in den kommenden Monaten aber sehr genau beobachten, da jederzeit kurzfristige Maßnahmen der Kommission zu erwarten sind.