Für deutsche Exporteure, die nach Polen liefern, stellten die Beschränkungen der vergangenen Monate nicht nur eine logistische Herausforderung dar. Auch die Frage der Vertragserfüllung war im Fall von Lieferschwierigkeiten häufig zu klären.

Deutschlands Exporteure stehen vor schweren Entscheidungen. Der Schock des Lockdowns sitzt tief, doch die Krise verlangt nach Antworten. Wo sind die Märkte der Zukunft, wie können die Lieferketten gesichert werden, und welche Standorte sind für die neuen Bedingungen gerüstet? Der Anlagenbauer Gea setzt unter anderem auf Polen.

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Als sich das Coronavirus in Europa verbreitete, reagierte Polen umgehend mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens und des Grenzverkehrs. Schnell reduzierte sich die wirtschaftliche Aktivität, lediglich der Internethandel boomte. Doch auch die Infektionszahlen blieben niedrig und summierten sich bis Ende August 2020 auf lediglich gut 67.000 Fälle von Covid-19-Infektionen – in Deutschland waren es zum gleichen Zeitpunkt mehr als 240.000.

Standort mit Kostenvorteilen für internationale Unternehmen

Für Polen sprechen im Vergleich zu Deutschland unter anderem die niedrigeren Lohnkosten. Dieser Vorteil wird aber nur wirksam, weil die Mitarbeiter zugleich hinsichtlich Qualifikation und Produktivität mit den deutschen Kollegen mithalten können. Dazu trägt auch die hohe technologische Qualität der vorhandenen Kapazitäten vor allem in der Automobilindustrie, aber auch im Maschinenbau bei. So richtet Gea im polnischen Koszalin eines seiner Kompetenzzentren ein.

Ein weiterer Vorteil des Standorts Polen ist die Nähe zu Deutschland. Die Verkehrsanbindung hat sich durch den Ausbau der Verkehrswege in den vergangenen Jahren deutlich gebessert. Polen profitiert dabei von umfangreichen Fördergeldern der EU. Gemeinsam mit den Konjunkturhilfen des polnischen Staates tragen die Mittel aus dem EU-Haushalt auch aktuell zur Stabilisierung der polnischen Wirtschaft bei.

Die polnische Wirtschaftsleistung hat sich im zweiten Quartal 2020 um rund 8% ­verringert. Im ersten Quartal konnte sie noch um 2% zulegen. Für das Gesamtjahr 2020 wird ein Rückgang des realen BIP um rund 5% erwartet. Die Arbeitslosenquote stieg bis Juli auf 6,1% und lag damit knapp 1 Prozentpunkt über dem Vorjahr. Die Unternehmen hätten sich mit Entlassungen zurückgehalten, berichtet die Santander Bank in Polen. Stattdessen wären zunächst Arbeitszeiten und Löhne gekürzt worden. Vor der Krise waren Arbeitskräfte in Polen knapp, daher versuchen die Unternehmen, ihre Fachkräfte zu halten.

Vertragsgestaltung und Forderungsmanagement gut vorbereiten

Für deutsche Exporteure, die nach Polen liefern, stellten die Beschränkungen der vergangenen Monate nicht nur eine logistische Herausforderung dar. Auch die Frage der Vertragserfüllung war im Fall von Lieferschwierigkeiten häufig zu klären. Und das Forderungsmanagement musste sich zunehmend mit Liquiditätsengpässen der Kunden befassen. In vielen Fällen bietet das polnische Recht besondere Regelungen, die bereits bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden sollten.

Finanzierung und Absicherung müssen Hand in Hand gehen

Zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit in Polen stehen ein entwickeltes Bankensystem und alle üblichen Finanzierungsangebote zur Verfügung. Die Wechselkursschwankungen zwischen dem polnischen Złoty und dem Euro halten sich in engen Grenzen. Exporte nach Polen können von privaten Kreditversicherungen abgesichert werden. Forderungen können auch durch Factoring schnell in Liquidität verwandelt werden. Das Logistikunternehmen Fiege hat diese Möglichkeit genutzt, um seine Aktivitäten in Polen eigenständig zu finanzieren.

Doch auch das Factoring erfordert eine Absicherung gegen Zahlungsausfälle. In Deutschland hat der private Warenkreditversicherer Euler Hermes gerade die Deckung für Kunden mit schwacher Bonität für das kommende Jahr in Frage ge-stellt, berichtet unser Schwestermagazin „Der Treasurer“ im aktuellen E-Magazin (HIER). Davon wäre auch das Factoringgeschäft stark betroffen.

Forum für den Austausch nutzen

Auch in Polen sind praktische Erfahrungen und Kontakte wichtige Wegbereiter für den geschäftlichen Erfolg vor Ort. Die ExportManager-Foren setzen seit drei Jahren auf den direkten Austausch von Experten aus den Zielmärkten und deutschen Exporteuren. Nach zwei Veranstaltungen zu Brasilien widmen wir uns in diesem Jahr Polen. Das Land bietet nicht nur vorteilhafte Standortbedingungen, sondern dient auch als Brücke in das Baltikum, die Ukraine und Belarus.

gunther.schilling@faz-bm.de

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